Johann Boguslav Grano an Friedrich von Schuckmann in Berlin
Berlin, Donnerstag, 13. Mai 1824

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An

Sr. Excellenz dem Königl Geheimen

Staats- und Minister des Innern und

der Polizey, Herrn Freyherrn

von Schuckmann

Citissime si placet.

Betrifft die Insertion eines Zeitungs Artikels.

Am Freytag den 7ten d. M. erhielt ich von den hiesigen Zeitungs Expeditionen diejenige Anzeige des GeneralMusikDirektors Spontini welche in Nro. 111 dieser Zeitungen abgedruckt worden ist, zur Ertheilung des Imprimatur zugesandt, der Inhalt derselben befremdet mich, weil ich von öffentlicher Bekanntmachung derselben keinen Zweck absehen konnte; ich behielt sie […] an mich, um folgenden Tags – /: ich erhielt die Zusendung allererst […] den Herrn GeneralIntendanten Grafen von Brühl davon zuvor Mittheilung zu machen; solches war aber vereitelt, weil, wie ich […] Anmeldung erfuhr, der Herr Graf von Brühl nach Potsdam gegangen war | und erst Sonntags den 9ten Abends zurück erwartet wurde. Meine zweyte Anmeldung zu diesem Zweck am Montag, den 10ten d. M. frühe, schlug ebenfalls fehl, weil der H. Graf von Brühl nach Charlottenburg gegangen war. Die Expeditionen der Zeitungen pressirten das Imprimatur der Anzeige, besonders weil am Mittwoch keine Blätter ausgegeben werden sollten, also wenn nicht beschwerende Verzögerung eintreten sollte, Dienstag früh die Insertion erfolgt seyn müsste.

Meines Erachtens enthält die Anzeige nichts polizeywidriges; etwas dienstwidriges konnte ich aus deren Inhalt ebenfalls nicht entnehmen, indem einmal in der Ueberschrift derselben sowohl, als in dem Texte ausdrücklich auf eine Königℓ Dienstinstruktion vom 26ten September 1821* Bezug | genommen wird, welche die GeneralMusikDirektion zu der Verhandlung authorisire, und in Folge deren 6t Artikels um die Bestätigung der sogenannten Verhandlung ersucht wird; zweytens aber weil mir das Dienstverhältniß des p. Spontini nicht anders bekannt war, als daß derselbe der Musik Partie der Königℓ Theater uneingeschränkt vorstehe, wenn er gleich im Allgemeinen der Königℓ Intendantur untergeordnet seyn möge; endlich aber weil es undenkbar ist, daß ein Königℓ GeneralMusikDirektor, Chef einer Abtheilung einer Königℓ Behörde unter Bezug auf seine Dienstinstruktion etwas derselben Entgegenes verlangen könnte; in Erwägung alles Vorstehenden glaubte ich nur um deswillen, weil ich den Zweck dieser Anzeige nicht erkennen könne, ein | längeres Vorenthalten des Imprimatur, dessen Beschleunigung gefordert wurde, nicht rechtfertigen zu können.

Heute aber geht die ehrerbietigst originaliter sub A. angebogene Erklärung der H. Seidel, Schneider u. s. w. zur Insertion ein, und auf meine nunmehr Statt gefundene persönliche Rückfrage bey dem Herrn GeneralIntendanten Grafen von Brühl erfahre ich, daß derselbe, ungeachtet in der Spontinischen Anzeige wiederholt auf ihn Bezug genommen wird, doch davon nicht unterrichtet und derselben entgegen ist, so wie daß sie sogar Unrichtigkeiten enthalte. Rücksichtlich der Ankündigung der Herren Seidel pp war H. Graf von Brühl der Meynung, daß sie zu gestatten sey, ja diese OrchesterGlieder solches mit Recht fordern könnten, | weil ihre Nahmen ohne ihr Wissen und Willen öffentlich genannt wurden, und solche dem H. Spontini nicht, wie ich geglaubt, subordinirt, vielmehr demselben koordiniert seyen.

Zugleich übergab mir Herr Graf von Brühl zur Insertion in die morgenden beyden Zeitungen die Anlage B mit dem Wunsch ungesäumter Beförderung.

Meines Erachtens kann die Einrückung beyder Anzeigen* nicht versagt werden, auf der andern Seite aber entsteht daraus ein öffentlicher Krieg über einen dazu nicht geeigneten Gegenstand.

Um bey dem ungewissen Stande dieser Sache solche durch einen etwanigen Irrthum meinerseits nicht zu verschlimmern, wage ich es Ew. Excellenz ehrerbietigst um hochgeneigte Entscheidung zu | bitten:
ob besagte beyde Inserenden das Imprimatur erhalten sollen.

Diese hohe Entscheidung aber hinsichtlich des Inserendi des Herrn Grafen von Brühl äußerst zu beschleunigen, da es unfehlbar noch heute den Zeitungs Expeditionen zugehen muß, wenn es morgen früh erscheinen soll.

[m. p.] Grano

Apparat

Zusammenfassung

befürwortet zwar eine Genehmigung der ihm eingereichten Erklärungen Brühls sowie der Mitglieder der Generaldirektion als Reaktion auf die Anzeige Spontinis, bittet aber aufgrund ihrer Brisanz um Entscheidung von höchster Stelle

Incipit

Am Freytag den 7ten d. M. erhielt ich von den hiesigen Zeitungs Expeditionen

Generalvermerk

Vgl. dazu auch das Gutachten über die Auseinandersetzungen zwischen Brühl und Spontini (1824) sowie die Briefe zwischen Lichtenstein und Weber vom 15. und 17. Mai 1824

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (D-Bga)
    Signatur: I. HA Rep. 77 Innenministerium, Polizeiabteilung, Tit. 420, Nr. 3, Bl. 5r–7v

    Quellenbeschreibung

    • Kopistenhand mit e. U.; Textverluste am rechten Rand

Textkonstitution

  • unleserliche Stelle
  • unleserliche Stelle
  • unleserliche Stelle

Einzelstellenerläuterung

  • „… vom 26 ten September 1821“Dienst-Instruktion vom 26. September 1821 bei Wilhelm Altmann, Spontini an der Berliner Oper. Eine archivalische Studie, in: Sammelbände der Internationalen Musik-Gesellschaft, Jg. 4 (1902/03), S. 263–267, (Artikel 6, S. 265).
  • „… kann die Einrückung beyder Anzeigen“Vgl. Reaktion Brühls inkl. die Erklärung der Mitglieder der Generalmusikdirektion in der Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 174 (15. Mai 1824).

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