Carl Maria von Weber an Amalie Sebald in Berlin
Prag, Freitag, 18. Februar 1814

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Gott gebe Ihnen einen guten Tag, — fängt Ihr lezter Brief an mich an, — und er gab mir ihn durch Ihren Brief. Ja!, wenn mir auch dieser süße Glaube benommen würde daß es doch noch manche treue Seele in der Welt giebt, die mit Herzlichkeit an mich denkt und aus der Ferne den Antheil nimmt der immer die Wesen sich nahe erhält, — so möchte ich schon gar nicht mehr leben, wozu ich manchmal schon die Lust ohnedieß verlohren habe.      Wenn ich nicht an Sie schriebe, meine gute liebe Amalie, so würde ich mit Entschuldigungen über mein langes Stillschweigen anfangen. nehmlich über jenes Stillschweigen das dem andern die Handgreiflichen Beweise versagt. Aber ich weiß, daß Sie wißen — ich schwieg nicht. es spricht immer laut und deutlich in mir, wenn es einmal so gesprochen hat. Und dann geht es mir wieder wie Ihnen. ich habe so gar nichts erfreuliches zu sagen, es hat so gar keiner von jenen Freudigen Lebensblizzen mein Treiben durchleuchtet wo man so recht den Drang fühlt, den Freund aus vollem Halse anzuschreyen, und ihn durch Puff und Knuff mit sich aufreißen möchte in die Jubelnde Höhe des Freuden Tones.

Ich lebe ein höchst geschäftiges Nichtsthueleben. Bey der guten Aufführung einer Oper bilde ich mir wohl zuweilen ein ich hätte etwas geleistet, hätte so recht den Geist der Sache wieder zur Geistessache der Ausübenden gemacht. Aber wenn ich dann so um mich blikke und sehe für wen ich dieß geschaffen und errungen, erstritten und ercorrigirt habe, so finde ich mich selbst immer wieder auf mich als Darsteller und Publikum in einer Person reducirt.      das ist nun wohl weder erfreulich noch anspornend, denn so viel Ehre ich auch meiner werthen Person wiederfahren laßen will, so ist sie doch dieser Mühe nicht werth. Meine Gesundheit hält sich dabey noch beßer als ich er|warten durfte; da ich nach meiner Krankheit so gar keine Zeit zur Erholung hatte, ja, das Verdrußvollste Geschäft der Organisation gerade in diese Epoche fiel. Ein fortwährendes Kopfwehe ist das Andenken das mich täglich daran errinnert.      Doch bin ich übrigens wohl und gesund. daß Jordans so einsylbig über mich sind wundert mich. Sie haben mich freylich auch nur selten*, und da immer erschöpft von der Arbeit des Tages gesehen, aber doch könnten Sie Ihnen ein kleines Bild meines Lebens und Webens entwerfen.      Sie würden Ihren Freund kaum wieder erkennen liebe Amalie. Sie machten mir sogar damals schon oft den Vorwurf von Finsterem verschloßenem Wesen, nun bin ich so ernst und trübe geworden, daß gar nichts meine Seele Freudig erheben kann, als die Errinnerung.      doch stille davon. —

Sie sind recht gut, daß Sie meine Arbeiten noch so vorziehen und hegen und pflegen, ich bedarf wirklich dieser liebevollen Aufmunterung denn zuweilen traue ich mir gar keine Schöpfungskraft mehr zu.      Sie erhalten hier endlich das Lied von Tiek, von mir ihm nachempfunden. Sie wißen daß ich mich lange davor scheute mich gar nicht daran wagen wollte. ich hatte es oft gelesen, und wieder und wieder gelesen, und immer legte ich es mit einem Seufzer weg, denn es wollte der Genius es nicht erfaßen. Endlich einmal wie ich es beynahe vergeßen hatte, fiel es mir beym Durchsuchen meiner Papiere in die Hände, und hell stand es vor meiner Seele.      Es ist voll Leidenschaft und Glut, ich ließ mich ganz gehen — möge es Sie ansprechen und Ihre Idee davon verwirklichen.

Das Tiek sehr davon ergriffen war, will ich nicht etwa Ihnen zur Bestechung sagen, aber es wäre eine übelverstandene Bescheidenheit, wenn ich nicht mich der Zufriedenheit des Dichters | freuen sollte.      Einige andere Lieder hatte ich nicht Zeit schreiben zu laßen, Sie sollen aber bald folgen und zwar eher als sie im Druk erscheinen*.      Mit den Duetten brauchen Sie nicht mehr so abgünstig zu sein, denn sie werden bald erscheinen.

Ihren Brief habe ich selbst abgegeben das Fräulein aber nicht zu Hause getroffen. Berghiers sind noch hier und ich sehe sie zuweilen*. von Doct: Greber werde ich vor Schluß der Post die Nachricht haben.

Auch dieß Blatt geht zu Ende und ich hätte noch so viel, so viel mit Ihnen zu plaudern, aber was nüzt das, man kann Folianten voll schreiben, aber doch nicht das aussprechen was sich in einer 4tel Stunde durch die Kunst und Mitgefühl verschönt, erfühlen läßt.

Ich lese da eben Ihren Brief vom März* noch einmal durch und finde noch einiges zu beantworten indem ich mich mit dem leidigen Spruchworte zu betäuben suche, beßer spät, als gar nicht. von der Mengden wüste ich weiter nichts als daß Sie immer noch Seiten Ihres Mannes bestürmt wurde, und Ruhe brauchte.      in Gotha haben die Leute mich verheyrathen wollen, es gieng aber nicht, denn wie ich es merkte machte ich mit meiner gewöhnlichen Geradheit einen Strich durch die Rechnung ohne Wirth. das ist eine sehr komische Geschichte, aber zum Erzählen zu lang.      Ich danke übrigens dehmütig für die schönen Sachen die Sie mir nebenbey sagen Sie kleine Böse die doch so gut ist.

Bitte, schreiben Sie mir doch ja bald wieder, und wie es um Sie herum ist, was Mutter macht, die ich herzlichst grüße und Auguste das lose Kind. ob Wollanke noch Mariechen den Hof macht, was Lichtenstein treibt, wo der Fürst stekt. was Zelter schimpft. was die Akademie singt, und was Hellwig beseufzt. Laßen Sie sich von Wollanken auch meinen Brief zeigen. und denken Sie so oft an mich als ich an Sie So werden wir in der frohen Ueberzeugung leben daß weder Zeit noch Entfernung den wahren Menschen ändern kann.      So denkt so glaubt Ihr Weber

Editorial

Summary

vorwiegend privater, zum Teil lamentierender Brief (auch: Arbeitslast); beschreibt Entstehung eines Tieckschen Liedes; erwähnt Gotha-Aufenthalt; erkundigt sich nach Berliner Bekannten

Incipit

Gott gebe Ihnen einen guten Tag – fängt Ihr lezter Brief an

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 13

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)

    Provenance

    • Poseck, Waldemar: Kat. 15 o.J., Nr. 142

Text Constitution

  • das“daß” overwritten with “das
  • b“h” overwritten with “b
  • sie“Sie” overwritten with “sie

Commentary

  • “… mich freylich auch nur selten”Das Ehepaar Jordan war laut Webers Tagebuch-Notizen am 22. Juni 1813 in Prag eingetroffen und blieb bis in den September (letztes Treffen laut Tagebuch am 6. September 1813).
  • “… als sie im Druk erscheinen”Die Stichvorlage hatte Weber laut Tagebuch bereits am 26. Mai 1813 an den Verlag Haas geschickt, der die Lieder allerdings erst im März 1815 publizierte.
  • “… und ich sehe sie zuweilen”Im Tagebuch sind sie nur am 20. Oktober 1813 erwähnt.
  • “Brief vom März”Ein Brieferhalt im März 1813 ist im Tagebuch Webers nicht verzeichnet. Vermutlich hat er sich im Monat vertan und meinte jenen Brief, den er im April 1813 von ihr erhalten hat.

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