Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Dresden
Berlin, Montag, 25. und Dienstag, 26. November 1816 (Folge 2, Nr. 3)
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- 1816-11-23: to Weber
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- 1816-11-27: from Weber
um 5 Uhr Abends.
Lieber guter Herzens Muks!
Ich muß dich nur geschwind recht abbußen für deinen lieben Brief vom 22t den ich so eben erhalte, und der mich so ungemein froh überraschte, weil ich heute noch nicht einen zu erhalten hoffte.
Gott sei gelobt und gepriesen daß deine Reise* so glüklich war, und alles so gut von Statten geht. Das 4 mal spielen* wäre auch recht gut, aber weist du wohl daß du dann beinah 8 Wochen aus bist?* das ist doch nicht recht, – na, ich will nicht gleich wieder zanken wo ich so viel Ursache zur Freude habe. ich hatte mich eben von Lichtensteins überreden laßen ein bischen mit spazieren zu gehen bei dem herrlichen Wetter, und weil das ewigte Hotten doch auch nicht viel taugt, nun finde ich deinen lieben lieben Brief, und schreibe mit ganz steifgefrorenen Fingern.
Ich bin sehr mit dir zufrieden lieber Schneefuß, daß du so brav bist, was das Dauern und Schlukken betrifft so darf ich nichts darüber sagen weil es mir kein Haar beßer geht, und ich bin ja doch der Bär. — Wenn du mit dem Kutscher zufrieden warst, so nimm ihn doch ja wieder nach Prag. Also heute die Gurly. nun da will ich dir fleißig folgen in Gedanken, und dir um 6 Uhr Kreuzel machen*. Jezt will ich geschwind noch ins Beersche Comptoir laufen, und sehen daß du dein Zeug noch bekommst. später ein mehreres. adieu lieber guter Herzens Muks. -
Abends 11 ½ Uhr.
Ich bin müde wie ein armer Hund! aber ich muß meinem Muks gute Nacht sagen. auf dem Beerschen Comptoir war ich, und wirst du das Zeug wohl noch bekommen. sollte es nicht sein, so sage Schmidl daß er es übernimmt, es giebt ja doch öfter Gelegenheit von Dresden nach Prag. von da ging ich auf die Akademie, und dann in der Milder ihr Concert*, das sehr voll war. ich war aber mit meinen Gedanken bei der Gurly, und dachte du würdest recht frieren. hast du den Trikot bey dir?
Nun gute gute Nacht mein liebes Leben, schlafe süß und träume freundliche Bilder von deinem dich so innigst liebenden treuen Carl. gute gute Nacht.
d: 26t Morgens.
Einen schönen guten Morgen alter Schnuks. Du hast mich schön geängstigt heute Nacht. ich träumte nehmlich Du seist schon verheyrathet, und dein Mann kam an, und wollte dich wiederhaben, und sang dir immer seine Klagen vor, darüber wachte ich endlich auf, weil der Kerl gar zu jämmerlich heulte. dann lachte ich was ehrliches und nun sizze ich da um meinem Muks zu erzählen was ich treibe und thue, dann geht es frisch gestärkt an die Arbeit. d: 23t Abends 7 Uhr zog ich mich an und gieng zu Jordan deßen Geburtstag durch eine große Gesellschaft und vielerley höchst sinnreiche Späße von Kielemann ausgehekt, gefeyert wurde. wir Bekannten tranken deine Gesundheit von Herzen, einigemal | und es wurde recht viel von dir geplaudert. um ½ 2 Uhr gieng es endlich in Bett. d: 24t Sonntag. arbeitete ich bis 1 Uhr dann gieng ich zu Pölchau in die Aufführung alter KirchenMusik, besuchte dann Kystings, Mittag war bei uns großes Familien Dinér wo deine Gesundheit abermals und besonders oft von Tante Luise getrunken wurde. Abends war Undine*. in die ich mit der gespantesten Erwartung gieng. Die Musik ist ungemein karakteristisch, Geistreich, ja oft frapant und durchaus Effektvoll geschrieben, so daß ich eine große Freude und Genuß daran hatte. gegeben wurde es sehr gut, und die Schönheit der Dekorationen ist wirklich außerordentlich, ich hätte was darum gegeben wenn du es hättest sehen können. Die Eunike war recht brav aber ich kenne Jemand der mehr aus dieser Rolle machen würde*. Ich war so erfüllt davon, daß ich gleich nach dem Theater zu Hoffmann lief, ihm meinen Dank und Theilnahme zu bezeigen. der arme Spadifankerl ist seitdem wir beisamen waren immer krank gewesen und hat nicht einmal seine Oper sehen können. Er war sehr erfreut über meinen herzlichen Beifall und wir plauderten 11 Uhr herbei. dann in Bett. wie ich zu Kystings gieng, begegnete mir Bethman, der sehr bedauerte Dich nicht mehr gesehen und Abschied genommen zu haben. ich werde ihn jezt von dir grüßen. d: 25t erhielt ich beiliegenden Brief für Dich, der mir ganz Schopfisch aussieht. Gott gebe nur daß er keine Todesbothschaft enthält, doch, ist er von der Schopf, so hätte die gewiß des Anstandes halber schwarz gesiegelt. nachdem ich den Vormittag gearbeitet hatte, und dann spazieren gieng, kam dein lieber lieber Brief. Heute gehe ich nun gar nicht aus. Die Nachricht deines Wohlseins hat mich neu belebt und gestärkt, also geht es frisch an die Arbeit, zumal da der Monat gewaltig sich zum Ende neigt.
Wenn Du statt 40 Fried:dor dem Kleinwächter 50 übergiebst, so kannst du ja sagen du hättest in Dresden etwas für mich einzukaßiren gehabt wo mehr eingegangen wäre als ich dachte, und das ist wahr.
Es wäre wohl einmal Zeit daß sich die Dres: Geschichte entschiede*. was meine Zufriedenheit betrifft, liebe Seele, kannst du ganz ruhig sein, denn ich hoffe sie nur an deiner Seite zu finden, zu arbeiten, Verdruß und Unangenehmes zu tragen giebt es überall, und hat man eine Zufluchtsstätte im Hause so ist alles leicht überstanden.
Ja liebe Lina, laß dir diesen einfachen Ring stets ein Talisman sein der dich durch seinen Anblik errinnert was du versprochen hast, und wenn der Zorn dich übermannt, so sehe ihn an und denke an deinen Carl. Ich hätte nicht geglaubt daß ich meinen alten Mantel noch einst beneiden sollte, der kriegt jezt die Bußen, und ich – – nits. Werde es aber schon nachholen. Kupferstich habe ich jezt selbst keinen*, und auch keine Zeit zu Schleßinger zu gehen doch soll Schmidl einen durch Gelegenheit bekommen, grüße ihn und Paßy recht freundschaftlich von mir.
Nun muß ich schließen lieber Muks. Gott erhalte dich Gesund und Fett, damit du recht ditt wirst, weil ich mich sehr auf das entgegenwälzen freue. Meine Hausleute und alle Bekannte grüßen herzlichst. Alles Schöne an die Mutter, seid brav + + + noch einen Buß und nun leb wohl, geliebtes theures Wesen. ewig dein treuster Carl.
Editorial
Summary
Tagebuch 23.-26. November; berichtet über verschiedene Konzert- und Opernbesuche, u.a. über Hoffmanns Undine; betr. Zahlung an Kleinwächter
Incipit
“Ich muß dich nur geschwind recht abbußen für deinen”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 68Physical Description
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Weber-Familiennachlass
Corresponding sources
-
Muks, S. 259–263
Thematic Commentaries
Commentary
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“… geht. Das 4 mal spielen”Caroline Brandt hatte am Dresdner Theater fünf Gastauftritte am 25. und 28. November sowie 2., 3. und 5. Dezember 1816; vgl. die Presseberichte sowie Weberiana 12, S. 37, 47f., 51 und Fambach (Dresden), S. 21f.
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“… beinah 8 Wochen aus bist?”Caroline Brandt war mit ihrer Mutter und Weber am 7. Oktober von Prag abgereist; vgl. u. a. Webers Brief an Johann Gänsbacher vom 17. Dezember 1816.
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“… um 6 Uhr Kreuzel machen”Als erste Gastspiel-Rolle gab Caroline Brandt am 25. November die Gurly in dem Lustspiel Die Indianer in England von Kotzebue.
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“… in der Milder ihr Concert”Zum Programm des Konzerts im Konzertsaal des Schauspielhauses vgl. u. a. die Anzeige in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1816, Nr. 140 (21. November) und den Bericht in AmZ, Jg. 18, Nr. 51 (18. Dezember 1816), Sp. 877.
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“… getrunken wurde. Abends war Undine”Vorstellung im Schauspielhaus.
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“… aus dieser Rolle machen würde”J. Eunicke sang die Titelpartie; ihr Rollenfach ähnelte dem von Caroline Brandt.
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“… habe ich jezt selbst keinen”Gemeint ist das gerade bei Schlesinger erschienene Porträt Webers von Friedrich Jügel.