Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 5. März bis Freitag, 7. März 1817 (Nr. 32)
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Ich muß ein bischen mit dir pabsen, hab dir wie gewöhnlich nichts und alles zu sagen, und kann nur dem Drange nicht wiederstehen mit dir auf dem Papier zu reden. da ich den ganzen Tag an dich denke, und wo ich gehe und stehe immer nur Einrichtungen Einkäufe und dergl: sehe, so meyne ich immer am Ende des Tages ich hätte dir wunder wie viel zu sagen und zu erzählen, und wenn ichs beim Licht besehe, so ist’s so viel wie gar nichts. aber ich denke was schadts, meiner Lina macht auch dieß gar nichts Spaß und Vergnügen, und Sie sieht doch daß jeder Augenblik der mein ist, auch ihr gehört. Vorgestern d: 3t wo ich dir schrieb, habe ich viel Laufereyen wegen Neumanns gehabt, da der König einige Opern nicht sehen wollte die sie vorschlug, und wir überhaupt so arm wie die Kirchenmäuse sind, und uns ganz mit Noth durchhelfen müßen. da sollte sie Gestern zwischen 2 Stükken* singen, das gieng wieder nicht, weil sie sich erkältet hat, und Kolik im Bauche schneidet. d: 4t früh hatte ich Probe von Helene, und Weixelbaums sind noch immer nicht da, ich mache die Oper fertig bis zum losschießen, und am Ende geht sie gar nicht los. Mittags im Engel, da wurde ich schnell zum Grafen geholt weil der König nun Mad. Sessi in der Vestalin den Samstag sehen will*. da gabs wieder zu bestellen pp. Es ist ganz toll, alles pakken sie mir auf, als ob gar keine Anderen da wären. Um 6 Uhr gieng ich mit Böttiger zu Kind, wo die Jägersbraut feyerlich vor unserm Richterstuhle vorgelesen wurde, sehr gefiel, und zugleich uns nun entdekt wurde, daß auch Kinds Geburtstag sei. diese Ueberraschung erfreute uns sehr, er wurde von der Familie mit Blumen, Kuchen und Wein angebunden, und wir blieben bis 10 Uhr beisammen. Du kannst denken, daß deiner gedacht wurde, und wie! wenn du nur hättest die Oper mit hören können. Nun du wirst sie noch genug zu hören bekommen. habe ihm auch schon meine 20 Ducaten im Golde geschikt*, und mein Geld is fort, da 20 # das Klavier von Wien 55 #* ohne Transport, au weh!!! fort is fort! Heute habe viel geschrieben, bey Neumanns gegeßen und mit ihr gesungen. früh Probe von Renata gehabt. Abends die Vorstellung, und nach dem 3t Akt wo ich fertig war, bin ich fort gezappelt, habe hübsch einheizzen laßen, Ferdinand in Bett geschikt, und ich sizze und pabse mit Muks. Diese Renata ist nehmlich ein neues Stük, mit Musik, das heute zu des Königs Namenstag zum 1t male gegeben worden ist*. das Publikum empfieng ihn mit großem Jubel und Klatschen, und auch ich stimmte recht von Herzen für das Wohl meines guten Königs mit ein.
Brühl bombardiert mich mit Briefen wegen der Musik zu Yngurd, und ich habe so gar keine Zeit und Stimmung dazu, und doch möchte ich gerne etwas verdienen. Heute war ich in der Porzellan Fabrik um mich nach den Preisen zu erkundigen und einer Auktion die gehalten werden soll. Ach Muks, da wakkelte mir die Seele bei den schönen Sachen, aber es ist abscheulich, gerade was mir am besten gefiel und ich haben wollte war immer das Theuerste. Wenn ich dann so rechne und rechne, und mit Gewalt mir vorsage, sei nur vernünftig das geht so nicht, da werde ich ganz traurig daß ich sehe daß es nirgends recht langt. da fehlt’s an Möbeln, Teppich, Spiegel, silberner Theemaschine, Aufsäzzen auf den Tisch, silbernes Eßzeug pp und das geht in die Tausende! ja ja! guter Muks, | werden uns manches müßen abhandeln laßen, und nur so nach und nach dazu zu kommen suchen, mit der Gastfreiheit wirds auch nicht weit her sein, und wir uns knapp behelfen müßen. In Gottes Namen, wollen doch dabey heiter sein und desto fröhlicher wenn dann so nach und nach ein ersehntes HausMöbel ankomt, als wenn wir zu groß anfiengen, und dann herabstimmen müsten, das wäre schmerzhaft, und könnte uns wirklich unglüklich machen, also, nicht umsonst so manches entbehren, und lieber manchen Wunsch erstikt, um ohne Sorgen das Wenige was man hat zu genießen. gelt? du denkst auch so, und wirst als weise Hausfrau schon alles schön und gut einrichten. Ach was werden allein die Töpfe, Schüßeln, Kaßrollen, Pfannen, pp für Geld freßen, oder vielmehr den Teppich werden sie freßen und die Mahagony Stühle, gieb acht. ich kann recht labbern, wenn ich auf dieß Kapitel komme mein alter Hamsterkönig, aber ich weiß du bist auch so, und das ist eben schön und gut. – Jezt gehe ich noch ein bischen im Zimmer auf und ab, und gebe meinen Gedanken Audienz dann gehe ich in Bett.
also gute Nach H: v: Schneefuß, sey er brav und heiter, und lustig, damit ich wirklich die rothen Batten finde von denen Errr mir schreibt, sonst heiß ich ihn einen LügenMops. Nun gute gute Nacht. Gott segne dich und uns. + + + Ewig dein Carl.
Gestern mein vielgeliebter Muks habe ich deinen lieben guten Brief nebst allen Beylagen* No: 34, richtig erhalten. Ich ehre das Gefühl in dir, das so laut für deine Mutter spricht, ja es würde mir nicht lieb sein wenn es anderß wäre, aber es wird ihr und uns so beßer sein, sie kann nüzlich sein und thätig, lebt in ihrem Elemente, und du wirst selbstständig*. Bey allen diesen Betrachtungen konnte ich mich eines recht ernsten Gefühles nicht erwehren, was deutlich sagt welch einen großen bedeutenden Schritt wir im Leben thun, und wie man nicht oft genug sich gegenseitig aufmerksam machen kann, auf alles Wohl und Weh das daraus entspringen kann. Die deinigen glauben und sehen deine Aufopferung groß, und ich kann ihnen in ihrer Art nicht Unrecht geben, denn ich war es gewiß selbst der dich oft genug errinnerte was alle diese Entschlüße dich kosten würden. Sie betrachten zwar nicht die Aufopferung von Innen, wie ich, nehmlich, Liebe zur Kunst, Drang etwas zu leisten, durch sich selbst einen Rang behaupten und einnehmen, Gewohnheit von der Wiege an ppp sondern Sie rechnen die Entsagung deiner bürgerlichen Existenz die eigentlich nur ein reicher Mann, eine Stüzze für sie alle dann aufwiegen könnte. Ich fühle das wohl, ich fühle und verdenke es ihnen nicht daß keiner von ihnen mit wahrhaft freundlichen Augen diese Verbindung sieht, aber ich kann nun einmal dir nichts bieten als ein dich herzlich treu liebendes Gemüth, und ein spärliches Auskomen. Nur die Ueberzeugung deiner und meiner innigen Liebe, und die Hoffnung vereint ein glükliches Leben durch aus zu führen, und gegenseitig zu erheitern und zu tragen, konnte uns zusammenführen. Daß ich gerne den Vortheilen entsage die dein schönes Talent uns gewähren könnte, ja daß ich darauf dringe, mag der Beweis sein daß ich nur dich in dir liebe, und sonst nichts, und daß ich jenen Grundsäzzen gemäß handle, die mir Erfahrung und Verstand zur innersten Ueberzeugung machten, und denen jeder wahre Männliche Geist folgen muß, ist er nicht ein elender Schwächling den jedes Lüftchen wie das Rohr im Winde anderß beugt und formt. Ja liebe Lina, eine ganze neue Welt eröffnet sich dir in der Duldung und Liebe die Hauptrequisiten sind, wie oft wirst den ernsten von den | Weltstürmen geplagten Mann, erheitern müßen, wenn er finster und aufgeregt sich in seine Häuslichkeit flüchtet. du wirst keine andere Freude und Ruhm haben als deine innere Ueberzeugung, die wahre Achtung deiner wenigen Freunde und die Liebe deines Carls. An Junghs Leben hast du ein Bild unseres wahrscheinlich künftigen Lebens, nur daß ich noch mehr mit der Welt in Berührung stehe. Gott sieht auf mich, ich kann ruhig die Hand aufs Herz legen und sagen daß ich dir ehrlich und wahr alles vorgestellt habe, durch keine Schmeichelrede habe ich dich angezogen und gelokt, deßhalb aber auch werde ich Großes von dir fodern, du wirst nie ein Recht haben zu klagen, denn auch mein ganzes Wohl und Weh liegt in deinen Händen, in deinem Betragen. – bedenke dieß Alles wohl – und Gott segne dein Beginnen und deinen Entschluß. – – –
Deiner Mutter werde ich hernach antworten. an den Vater und Bruder schreibe ich späterhin.
Nun zu deinem Briefe.
Meine liebe Lina mit der Abreise im May ist es nichts, so lange du nicht bei mir bist, kann die Mutter dich nicht verlaßen, es müste denn sein daß dein Kontrakt in 3 Monaten sich auflöste dann kann sie freilich früher zu Louis, aber auf jeden Fall muß Sie Zeuge unsrer Verbindung sein und uns Ihren Seegen nicht vorenthalten. Die Art der Reise werden wir noch überlegen, und wird es wohl am besten sein sie mit einem Lohnkutscher reisen zu laßen, oder einer sonstigen Gelegenheit, und sie von Ort zu Ort einem Bekannten zur Versorgung zu empfehlen. das werde ich schon alles besorgen. die jährlichen 150 ƒ sollen dann Monatlich von einem Banquier in Mainz ihr ausgezahlt werden*.
o Du guter Kerl willst deine Schätze dazu hergeben? behalt sie nur wirst sie schon brauchen, bist jezt schon recht reich 400 ƒ 500 ƒ und dann die ersten 125 ƒ macht 1025 f Con: G: und jährlich 61 f 30 xr oder 41 rh: Zinsen. Was das NadelGeld betrifft wird mir Muks auch nicht nothleiden. aber spare nur hübsch. Mit dem PapierGeld kannst du ja warten bis es beßer wird Kleinwächter wird dir da schon redlich rathen. gieb es nur nicht aus. Aber ich brauche nicht erst zu errinnern du bist ohnedieß ein rechter Geizhammel, und hamsterst alles zusammen. Das AufkündigungsBillet für die Direktion werde ich dir seiner Zeit schon schreiben. Sollte es aber erklärt werden daß die Liebich nur noch 3 Monate es behält, so must du auch gleich deine Verbindlichkeit für aufgehoben erklären. Mit den Möbeln ist das eine kizliche Sache. die 1100 f W W machen 200 rh: dafür kauft man hier blutwenig. wenn ich aber die Transport- und Einpakk Kosten rechne und hauptsächlich das Risiko, und daß wir dann doch nur alte Möbel haben, so glaube ich doch es ist am besten sie wegzugeben. ist denn der Spiegel da auch mit gerechnet? bei den 500 ƒ für die schwarzen? ich überlaße es ganz deiner Weisheit werther H. v. Muks. Habe heute Nacht auch wegen Sturm nicht schlafen können, wir müßen alles gleich haben, es ist schon einmal nicht anders. Das Ende deines lieben Briefes macht mich wieder recht heiter, da ich sehe daß du es auch wieder bist. ist mir gar lieb daß du in den braven Familien lebst und dir darin gefällst, ist denn das nicht ganz ein ander Ding als das Theaterleben? es ist da freilich nicht so Brillantes, aber täglich wird es solidere und dauerhaftere Freundschaft weil sie sich auf gegenseitige genauere Kenntniß und Achtung stüzt, und nicht auf wandelbares augenblikliches Wohlgefallen. Ey schreib du nur hübsch viel | Geschäfte, du mußt dich daran gewöhnen, und wirst ja künftig immer allein damit in deinem Hauswesen zu thun haben.
Ja wenn ich so viel Urlaub hier bekommen könnte um die Mutter selbst hinzubringen das wäre freylich schön, aber daran ist gar nicht zu denken. bin ja kaum in Dienste getreten, und hängt jezt bei der neuen Einrichtung so ganz alles von mir ab, bin jeden Augenblik so nothwendig daß es durchaus unmöglich ist. Es wird Muks genug kosten im Herbste nur 14 Tage zu unsrer Hochzeit herauszuschlagen. Auch muß ich erst die Erlaubniß meines Königs zum heyrathen haben. Wenn der mir’s nicht erlaubt Muks! so kann ich dich nicht nehmen!!
ja so, ich darf nicht spaßen, der dumme Muks nimmt alles gleich ganz tragisch. Aber im Ernst Mukin, ich kann nicht wohl eher um die Erlaubniß anhalten, als bis meine Bestätigung der lebenslänglichen Anstellung erfolgt ist, das heißt, andere Umstände bringen auch andre Folgen, kannst du vor Michäli fort, so wird sich schon alles finden.
Nun muß ich schließen weil ich noch an die Mutter schreiben will. Sey standhaft und heiter, aufs Jahr habe ich dann Urlaub und da besuchen wir alle in Mainz, wo auch mein lieber Gottfried Weber lebt. Gott erhalte dich gesund, grüße meine guten Jungs Kleinwächter pp und behalte lieb deinen dich unveränderlich treu liebenden Carl.
9 00000000000000000000000 Bußen
Eben kommt Freund Schmidl zum 1t male nach seiner Krankheit und grüßt bestens wie immer.
Editorial
Summary
Gastspiel Mad. Sessi-Neumann; König wünschte sie in der Vestalin zu sehen; am 4., dem Geburtstag Kinds, wurde die Jägersbraut im Freundeskreis vorgelesen, die sehr gefiel; hat ihm schon 20# geschickt; Klavier aus Wien kostete 55#, seine finanziellen Reserven seien aufgebraucht; Probe von Renate, abends Vorstellung am Namenstag des Königs; Brühl drängt mit der Musik zu Yngurd; Privates über Wohnungseinrichtung und Vermögensstand von Caroline Brandt; Erörterungen über Trennung von der Mutter, Aussetzung einer Rente von 150 f. jährlich für sie; kann vor Herbst keinen Urlaub bekommen, muss beim König Heiratserlaubnis beantragen
Incipit
“Ich muß ein bischen mit Dir pabsen, hab Dir wie gewöhnlich”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Thematic Commentaries
Commentary
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“… sie Gestern zwischen 2 Stükken”Am 4. März standen auf dem Spielplan: Die Vertrauten und Johann Gottfried Hagemeisters Einakter Das große Loos.
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“… Vestalin den Samstag sehen will”Die Aufführung kam erst am Mittwoch, den 12. März, zustande.
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“… 20 Ducaten im Golde geschikt”Vgl. die Tagebuchnotizen vom 3. März 1817.
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“… guten Brief nebst allen Beylagen”Vermutlich die im Tagebuch erwähnten Briefe von Caroline Brandts Mutter, G. Gned und J. C. Grünbaum.
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“… Elemente, und du wirst selbstständig”Zu den Vereinbarungen des Brautpaars bezüglich der Versorgung der Mutter vgl. den Brief an Gänsbacher vom 10. März 1817.