Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 15. August 1817 (Nr. 78)

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Mein vielgeliebter Muks!

Ich habe eine sehr faule Epoche, Briefe und andere Arbeiten wachsen mir über den Kopf, und ich kann mich nicht entschließen sie abzuschütteln. bin eben sonst für den Augenblik mit Dienst Geschäften gar nicht überhäuft, aber desto mehr von Fremden, von denen alle nur einigermaßen bedeutende zu mir komen, und sich hauptsächlich bei mir aufhalten, wenn sie auch mit den andern Gelehrten und Künstlern bekannt sind. Öhlenschläger ist mir sehr intereßant, und auch für die Folge, wenn ich einmal die längst projektirte Reise nach Koppenhagen mache*. Dienstag wird ihm zu ehren sein Axel und Walburg gegeben, und Morgen ließt er uns etwas Neues bey Böttger vor*. vielleicht schreibt er mir auch eine Oper.

d: 12t war Lodoiska zum 2t male und gieng sehr gut*. selbst mein hölzerner Bergmann, war etwas erträglicher*.       d: 13t früh gieng ich in Böttgers Vorlesungen*, Mittag im Engel. erhielt einen recht lieben Brief von Kleinwächter. arbeitete dann, Abends kam Siboni und Bassi zu mir, und Mieksch, da wurde den[n] Musizirt.       Gestern d: 14t gearbeitet. mit Öhlenschl: zu Hellwig. Mittag im Engel. Nachtische spazieren in den großen Garten*. Abends gearbeitet. und deinen lieben Brief No: 80 erhalten.       Hast wohl recht meine liebe Lina in dem was du über unser Leben jezt sagst. Die B: GeschichteT hat uns seltsam aufgeregt, aber ein Zank Apfel soll sie darum noch nicht werden, es ist mir jezt schon alles gleich, und ich bin auf alle Sättel gefaßt, aber mehr noch auf den hiesigen als auf einen andern. das einzige was mir bis jezt noch wahrhaftig ärgerlich ist, ist die Ungewißheit in der Zeit, weil alle die Träume von Anordnungen die ich hatte, und die mir so manche Stunde versüßten, nun auch so verstäuben müßen und mir dadurch manche so schön ausgedachte Freude entgeht.      Je nun, daran sollte ich ja wohl schon gewöhnt sein, aber es gewohnt sich so schwer – Lieber Muks von dir hoffe ich alles, Ruhe und Heiterkeit. jezt kann ich mit dem besten Willen meinen trüben Sinn nicht ganz verscheuchen, und geschieht es durch fremde Einwirkung auf Augenblikke, so sinke ich dann desto mehr wieder in mich zusammen. Auch von der Reise hoffe ich viel, obwohl ein sehr bittrer Tropfen durch die Krankheit deines guten Vaters sie vergällt.      Tausend herzlichen Dank meine geliebte Lina für dein aufopferndes Anerbieten, mich wenn es zu meinem Wohl nöthig noch eine Zeitlang zu entbehren, aber du hast garstig vergeßen, daß eben du zu meinem Wohl nöthig bist, daß ich alles von dir und einer stillen Häuslichkeit hoffe, und daß es am Ende doch auch nicht so arg hier ist daß man geradezu weglaufen müßte. Verdruß giebt es überall, und eben so auch gute Seiten.

Der arme Triebensee, man kann wirklich nur bedauernd lachen über solche Beschränktheit, der wäre der Mann hieher. –

Der Mann im Feuer ist hier nicht, du wolltest denn mich dafür annehmen, aber mich kann man nicht aufführen. Kann ich ihn aber vielleicht im Buchhandel erhaschen, denn ich glaube er ist gedrukt, so schikke | ich dir ihn sogleich.      Daß es mit des Drs Gesundheit beßer geht, freut mich von Herzen. wohl hat er recht daß die Sonne nach Stürmen heller scheint, aber wenn einem der Wind so ins Antlitz pfeift, schneidet man doch Gesichter. Daß das Beßere durchdringen muß weis ich wohl und baue auch darauf und Gottes Gnade.

Lieber Muks du sagst daß du 2 Tage wegen d: 4t Nov: verdrießlich warst?* und ich muß dir nur das nehmliche von mir gestehen. ich kann dir nicht genug sagen welch ein Unangenehmes Gefühl in mir erwekt wird wenn ich etwas nicht so finde wie ich es geglaubt habe, es ist dieß etwas für das du gewiß nichts kannst, aber es ist mir doch höchst fatal und ich wollte es wäre nicht so. Uebrigens bleibt es eine unerhörte Duseley von der Mutter, und gehört in das große Register, zu dem ewigen Schwimmen in Träumereien Nicht achtend des Achtungswerthesten pp sei nicht böse liebe Mukkin daß ich böse bin, aber es war so schön – Wie kömt es denn aber daß du das jezt erst erfährst, du hast ja deinen Taufschein schon lange. ist er vielleicht Lateinisch geschrieben?      Kurz es ist recht fatal, und obwohl du gar schön bittest so kann ich dich doch nicht den 18t Dez: gebohren sein laßen, ich kann mich nur der Wahrheit wahrhaft erfreuen, und so sezzen wir in Gottes Namen d: 4t Nov in seine ehrlichen Rechte wieder ein. Am Ende heißt du auch nicht Caroline /: mir ist als hättest du einmal darüber mit der Mutter gestritten :/* und du must mir auch den Tag* allein laßen, und dadurch gewinnen wir dann offenbar 2 Festtage im Jahre mehr. also Puntum! ich wills machen wie du, mich auch ein paarmal ’n Oz nennen, und deßhalb doch auch fest glauben, daß der Liebe Gott uns für einander gebohren hat.

Also ein Neßel Ausschlag hat dich geplagt? das wäre fatal, wenn da ein Husten nachkäme, ich hoffe aber du hast dem sorgfältigen Dr: gefolgt, und da wird wohl nichts paßiren. Ja! Gott sei Dank nur noch 6 Wochen, und das nicht einmal denn wahrscheinlich treffe ich gerade heute über 6 W: in Prag ein.       Grünb: grüße bestens, ich wäre kein Schelm aber ein geplagter Mann, und würde schwerlich vorher antworten, ehe ich selbst entschieden wäre wo ich bliebe, und da ich selbst sie bald sprechen könnte. – da ich heute Abend ins Theater gehe*, so will ich jezt baden, mit Schwefelleber. puh da werd ich wie ein Spadifankerl stinken, und du würdest mir keinen Buß geben.       apropos Spadifankerl wo stekt denn meins? das längst versprochene? siehst du wie du bist! da giebst du dich mit Dumheiten ab, nähst Sachen in die Wirthschaft, und vergißt die wichtigsten Dinge. Nun, jezt brauchst du mir es nicht mehr zu schikken, ich kom ja bald zu – na! nur keine Haue! ich bin schon still –

ade geliebter Schneefuß, bald, bald drükke ich dich an mein Herz, und brauche keine Papirnen Bothen mehr die dir sagen wie unendlich dich liebt, dein dich segnender + + + treuer Carl.

100000000 Bußen. und, Grüße an die Andern.

Editorial

Summary

sei zeitlich sehr beansprucht durch reisende Künstler; teilt mit, dass Öhlenschläger u. U. eine Oper für ihn schreiben wolle; Tagebuch 12.-14. August; klagt über Ungewissheit in Bezug auf Berlin; betr. Unsicherheit über Carolines Geburtsdatum

Incipit

Ich habe eine sehr faule Epoche, Briefe und andere Arbeiten

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 17

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am unteren Rand der Verso-Seite Zusatz von F. W. Jähns (Tinte): “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 468–472

Text Constitution

  • 8“9” overwritten with “8
  • ß“s” overwritten with “ß

Commentary

  • “… projektirte Reise nach Koppenhagen mache”Bereits im Brief an Gottfried Weber vom 7. Dezember 1810 ist ein entsprechender Reiseplan erwähnt.
  • “… etwas Neues bey Böttger vor”Zum Treffen bei Böttiger vgl. die Tagebuchnotizen.
  • “… male und gieng sehr gut”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 25. August 1817.
  • “… Bergmann , war etwas erträglicher”G. Bergmann sang den Floresky.
  • “… gieng ich in Böttgers Vorlesungen”Vgl. den Kommentar zum Tagebucheintrag vom 9. August 1817 sowie den Brief Oehlenschlägers an seine Frau vom 17. August 1817.
  • “… spazieren in den großen Garten”Laut Tagebuch gemeisam mit A. G. Oehlenschläger und C. A. Böttiger.
  • “… 4 t Nov: verdrießlich warst?”Der 4. November war der gemeinsame Namenstag von Caroline Brandt und Carl Maria von Weber. Die Verdrießlichkeiten betrafen, wie nachfolgend ausgeführt, vor allem die Verwirrungen um den fraglichen Geburtstag Caroline BrandtsT. Der endgültige (verschobene) Termin der Hochzeit am 4. November kann noch nicht gemeint sein, da Weber seinen voraussichtlichen Ankunftstermin in diesem Brief weiter unten mit „heute über 6 W:[ochen]“ (also 26. September) angibt.
  • “… mit der Mutter gestritten :/”Tatsächlich sind im Taufschein, extrahiert aus dem Taufregister der Bonner Remigius-Kirche, die Taufnamen mit „Carolina Elisabetha Antonetta“ angegeben, wobei der erste Name gestrichen, später aber wieder gültig gemacht wurde. In den Bonner Kirchenbüchern findet sich zu diesem beglaubigten Auszug lediglich ein Gegenbeleg im Taufbuch der Kirche St. Gangolph (nicht St. Remigius) in Bonn, wonach am 19. Dezember (nicht November) 1792 (nicht 1793) Elisabeth Antonetta Brandt (ohne Carolina) getauft wurde. Dabei bleibt fraglich, ob es sich um eine ältere Schwester handelt, oder ob der 1810 angefertigte Taufschein fehlerhaft ist. Letztere Vermutung erscheint insofern naheliegend, als sich im Taufbuch von St. Remigius am 19. November 1793 der Taufvermerk für die nicht verwandte Josepha Elisabetha Brandt, Tochter eines Gottfried Brandt und einer Maria Anna Stechs, findet.
  • “… must mir auch den Tag”Gemeint ist der Namenstag.
  • “… heute Abend ins Theater gehe”Weber sah laut Tagebuch im Theater auf dem Linckeschen Bad die Dresdner Erstaufführung des Lustspiels Die Onkelei.

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