Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 3. Oktober 1817 (Nr. 96)
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Mein vielgeliebter Muks!
Deinen lieben Brief No: 97. /: ganz recht :/ habe ich Gestern zu meinem großen Vergnügen erhalten, und sind sie meine Labsal und Erheiterung in all dem Troubel. Gott sei Dank daß er mir Gesundheit und heitern Muth in dieser thatenvollen Zeit schenkt, sonst wäre es wirklich nicht möglich zu bestehen. aber er weis seine Gnaden schon zu rechter Zeit zu vertheilen, daß man die WeltZufälle aushalten kann. Also hast mich so lieb? wirds aber auch immer so sein? wenn du keine Briefe mehr zu erwarten hast? – Nun dann wirst du auf mich warten, das ist doch noch beßer, und wenn ich nach Hause komme, so kann ich auch einen Buß geben, und bin ich verdrißlich so kannst dus verjagen, das kannst du einem Brief nicht thun. Vorgestern giengs mir manchmal brühsiedend heiß durchs Herz, wenn ich dachte daß dieß der Tag war an dem ich mein liebes Weibchen zu erhalten hoffte. Nun, es wird schon auch werden. der verdammte Kourier ist zwar noch nicht gekommen, aber meine Kantate und das Quartier ist auch noch nicht fertig. Noch immer ist kein einziges Zimmer in Ordnung. Heute sind in meiner ArbeitsStube deine Vorhänge aufgemacht worden, und im Speise und SprechZimmer, meine aus dem Prager QuartierT. Glaubs wohl, guter Hamster daß dir seltsam zu Muthe war wie du die Treppe hinauf giengst. bald gehen wir sie wieder miteinander, und da wirst du nicht so still sizzen, sondern hopsen und lustig sein. hoffentlich. der Schreibschrank ist noch immer nicht da, ich erwarte ihn alle Augenblikk, und ziehe dann in meine Stube. es geht noch toll um mich herum zu. die Arbeitsleute laßen sich entsezlich treiben, und bald ist dieß bald jenes vergeßen. troz aller meiner Sorgfalt wird doch noch viel anzuschaffen und zu besorgen übrig bleiben, denn es fehlt uns noch an Möbeln für 2 Zimmer. Allerdings möchte ich ein bißel z‡anken, über die Kleider Gierige Hamsterin. ist das auch verständig sich so ganz vom Gelde zu entblößen? und hast du denn den Ueberrok nöthig gehabt? nun darf ich wohl den grünen nicht mitbringen? ja ja, ihr seid alle von Evas Stamm. nun in Gottes Nahmen, wenns dir nur Spaz macht. aber Haue verdienst du doch. das mit dem Braut Ueberrok ist nur so eine Ausrede, denn im Überrok geht man nicht zum Altar. So, nun hast du deine Predigt, und damit gut. der schwarze Taffent für die Mutter ist schon besorgt, und gemacht ist ja so ein Kleid bald. Freilich wird es dir wohl thun aus dem schlechten Looß zu kommen, aber von da komst du in Wagerl und wirst viele schöne Sachen auf der Reise sehen, und dann wird dirs bei uns schon nicht mehr so extra vorkommen. die ärgste Noth und Sorge ist eine Köchin, das macht mir ganz den Kopf tollT. Wegen dem Aufsehen sei nur ruhig. wir wollen so still und eingeschränkt dabei leben, daß uns kein Mensch zu sehen bekömt, denn je mehr ich rechne und rechne, je mehr sehe ich ein daß die‡ nur die höchste Ökonomie uns vor Sorgen und Schulden bewahren kann, und daß ich recht fleißig sein darf um meinen Muks Sorgenfrey zu sehen. das geschieht aber gern, und Gott wird schon | helfen. Jezt geschwind noch referirt und dann wieder zur Kantate. d: 29t um 4 Uhr Kirche*. dann im Theater die 2 Worte. giengen vortrefflich und die Majestäten waren wieder zum 1t male im Theater*. d: 30t gearbeitet. und Abends war des alten Bösenbergs 50jähriges Theater Jubiläum*. Die Direktion gab ihm den Tag als Benefiz, wovon er nicht eher was wuste als den Morgen selbst. Nach dem Theater, war großes Soupèer wo zum 1t mal ital: und deutsches Theater beisamen waren, der Graf da pp da wurde er mit einem Lorbeer gekrönt, und ihm sein heimlich in Kupfer gestochenes Bild gegeben. Es war außerordentlich schön, und fröhlich alles. den Abend […]‡ empfing ich wirklich unendlich viele wahrhaft erfreuliche Beweise von Achtung und Liebe. meine Gesundheit und die deinige wurde sehr oft unter dem einstimmigsten Jubel getrunken, und wenn im Wein Wahrheit ist wie man sagt so kann ich mich wirklich innig deßen erfreuen. Mein einziger Wunsch war daß du das hättest so mit ansehen können. dich würde es gewiß gerührt haben. bis 2 Uhr dauerte dieß lustige‡ Treiben, und alles schied zufrieden und vergnügt. d: 1t 8b gearbeitet um 11 Uhr Requiem*. ging vortrefflich. nach Tische gearbeitet*. Abends in einem elenden Guittarre Concert*. d: 2t den ganzen Tag gearbeitet*. Abends zum 1t male Donna Diana gieng vortrefflich und gefiel sehr*.
Da ich ohnedieß so wenig Ausgaben habe, so ist mir auch noch die Ehre zu theil geworden einen Firmpathen abgeben zu müßen*. was mich auf den Sonntag Zeit und Geld kostet, und wahrscheinlich einen Husten einbringt, in Schuhen ein paar Stunden in der kalten Kirche stehen zu müßen. bei der Kälte fällst du mir auch ein mit deinem schlechten Ofen. ärmster Schneefuß friere mir ja nicht, sonst wirst du ganz blau. bei uns ist es schon paßabel kalt, und Schmidl heizt sogar schon ein. ich kann mich aber noch nicht recht dazu entschließen da komt eben Hofrath Böttger und grüßt dich herzlichst, also muß ich schließen.
Gott segne Dich + + + und erhalte dich gesund und geduldig könnte ich nur bald Gewißheit schreiben. Grüße die Mutter und Dr: aufs beste. auch Kleinwächters, Grünbaums pp und behalte lieb deinen dich unendlich liebenden Carl.
Millionen Bußen.
Editorial
Summary
Privates, Wohnung, Kleidung u. Hauswirtschaft betr.; Tagebuch ab 29. Sept: Auff. der Zwei Worte; über die Jubiläumsfeier Bösendorfs, Auff. der Donna Diana; soll eine Firmpatenschaft übernehmen; Arbeit an Kantate
Incipit
“Deinen lieben Brief No: 97 /: ganz recht :/ habe ich”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“z”“Z” overwritten with “z”
-
“die”crossed out
-
“[…]”deleted text illegible
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“… 2 Uhr dauerte dieß lustige”lustige: überschrieben aus unlesbarem Wort
Commentary
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“… t um 4 Uhr Kirche”Nach der vormittäglichen Messe dirigierte Weber auch bei der Vesper.
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“… 1 t male im Theater”Erstmals seit Rückkehr aus der Pillnitzer Sommerresidenz am 27. September.
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“… gearbeitet um 11 Uhr Requiem”Laut Tagebuch von Hasse; Anlass waren laut Dresdner Hoftagebuch (Dresden, Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Bestand 10006 Oberhofmarschallamt, O 04, Nr. 214) die Exequien für den am 5. Oktober 1763 verstorbenen König August III. von Polen.
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“… in einem elenden Guittarre Concert”Bereits der Auftritt des Gitarristen Carl Gärtner am 23. September 1817 in Dresden hatte keine Begeisterung ausgelöst; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 3. Oktober 1817.
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“… gieng vortrefflich und gefiel sehr”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 10./11. und 13./14.Oktober 1817.
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