Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 29. September 1817 (Nr. 95)
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Vielgeliebter ärmster Muks,! dummer Mopell!
Hast dich wieder einmal recht unnüz abgestrapazt und geängstigt, und dein lieber Brief No: 95 /: soll heißen 96 :/ ist recht voll Jammers, hat mich aber deßhalb nicht so sehr traurig gemacht, weil mein N. 94 wohl dich beruhigen muste. Zur Strafe sollst du aber nun auch viel Porto bezahlen, den Trauer Zettel selbst lesen, und sehen welch ein ungeheurer Schmerz für uns davon ausgeht, nehmlich der, den Kirchendienst im schwarzen Frak verrichten zu müßen o! es ist hart! und möchte ich Thränen vergießen, wie die Hüner Eyer so groß, wenn nicht von der anderen Seite es aussähe als würde ziemlich gedrängt und geeilt werden. – Nun Puntum, wir wollen nicht frohlokken, aber so viel ist gewiß daß die Trauer uns gar nichts angeht*, und mit deinem Brief sie mir zum erstenmale eingefallen ist. daß in meinem 93 dein Brief mit dem Muster noch nicht beantwortet war ist natürlich denn ich schikkte meinen eher auf die Post als deiner kam.
Wilhelmi hat die Grüße abgeliefert*, und mich deines Wohlseins versichert, was die Hauptsache ist. er hat Gestern in der Hedwig gespielt, und – nicht sehr gefallen*. überhaspelte sich aber auch anfänglich so sehr daß ich aufs Theater lief und ihm Einhalt that. Worauf es etwas beßer gieng, aber der üble Eindruk war doch schon fertig – sag aber nichts davon in Prag. die arme Grünbaum bedaure ich von Herzen. sage Ihnen doch meinen wahren Antheil an ihrem Verlust*. Also Mlle. Demmer soll die Silvana machen?* wird doch nicht mein Hamster sein*. Auch von Bomsel habe ich heute Brief bekomen daß der Schrank endlich fort ist*.
Kom du nur immer in Ett und klage, das ist schon recht, dazu ist es ja da. aber ungeduldig darfst du nicht werden, obwohl ich noch immer nichts bestimtes weis. Ich denke das bestimmt wißen und Kommen wird sehr nahe beisammen liegen, denn ist einmal die Trauung bestimmt, so ist gewiß alles in 8 Tagen vorbey, und die Prinzeß und ich fahren sogleich ab. Es ist nicht recht daß du so lange nicht zu Drs: gehst. von der Mad. Spengler hast du mir schon oft geschrieben. der Himmel gebe daß sie deiner Freundschaft nicht unwürdig ist, und dir vielleicht blos den Hof macht und dich ein bißel bewundert. Wenn Sie noch nicht mit dir gezankt hat, ist sie deine Freundin nicht. ich mag von allen Theaterleuten nichts wißen als Freund. gut bin ich mit jedem Menschen, aber näher? – | da gehört schon sehr viel dazu. Nun ich werde sie ja sehen. Sey nicht bös liebe Lina daß ich nicht gleich unbedingt mich deßen freue was du mir als dir gefallend vorführst. ist Sie wirklich deine Freundin, so werde ich sie gewiß sehr achten und ehren. aber ich traue deinem guten hingebenden Wesen nicht, daß eben so schnell gerne glaubt, als argwöhnt. –
Nun noch zum Bericht. d: 26t den ganzen Tag und wohl noch etwas länger, gearbeitet. d: 27t deßgleichen* bis Mittag wo Wilhelmi ankam, und mein Gast im Engel war. Nachmittags that ich meinen ersten Kirchen Dienst. dann hatte ich Probe von einer Meße*. sehr erschöpft kam ich nach Hause, hatte eine Conferenz mit Kind, zu deßem‡ deutscher Feyerlichkeit ich auch noch einen Chor machen muß, und Abends kamen Schmidls für immer von Pillnitz herein. Die Nacht war ein so fürchterlicher Sturm, daß ich kein Auge zu thun konnte. Gestern d: 28t früh Kirchendienst. Nachmittags deßgleichen. Abends spielte Wilhelmi. dann in Bett. wieder schlechte Nacht. Heute abermals Kirchen Dienst um 11 Uhr gehabt*, vorher um 9 Uhr Pr. von den 2 Worten. Jezt um 4 Uhr wieder in die Kirche, und dann ins Theater die 2 Worte. wo der König zum 1t male wieder ins Theater kömt*. Gestehe also daß ich sehr geplagt bin, und nur die Freude habe, daß immer alles gut geht, und die Leute immer mehr Liebe und Zutrauen bekomen. Gestern ließen mir die Prinzen sagen, man hätte gleich gehört wer aufführte. Morgen habe ich wieder einen ganzen Tag zur Arbeit bis auf den Abend wo die ganze Gesellschaft dem Bösenberg mit einem großen Soupeèr sein 50jähriges Theatralisches Jubiläum feyert. und der Abend zu seinem Benefiçe ist*. Uebrigens bin ich, die Sehnsucht, Unruhe und ewiges Drängen abgerechnet, Gott sei Dank heiter und wohl. Diese überhäufte Arbeit ist in der Hinsicht ein Glük für mich, daß ich fast keinen Augenblik Zeit habe mich trüben Gedanken hinzugeben, sondern die dringende Nothwendigkeit mich von einem Geschäfte zum andern peitscht.
Nun muß ich schließen. wie wohl wird mir die
Ruhe thun. – Nun – ich will mich pflegen – Gott segne dich + + + und verjage dir alle
unüzze Sorgen, und vorschnelle Hoffnung, beides taugt
nichts, abwarten heißt es jezt in Demuth. du weißt ja aus Erfahrung daß alles
Er zum Guten lenkt da O‡ben. Grüße
Drs: und die Mutter
bestens, auch Mad: Spengler. und behalte
lieb deinen dich über alles liebenden
Carl.
Millionen Bußen.
Editorial
Summary
Privates; über Gastrollen Wilhelmis, die Prager Silvana, Mad. Spengler; Tagebuch ab 26. Sept.: Kirchendienste, Konferenz mit Kind, Proben u. Auff., Jubiläum Bösenbergs
Incipit
“Hast Duch wieder einmal recht unnüz abgestrapazt”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“deßem”sic!
-
“O”“o” overwritten with “O”
Commentary
-
“… Trauer uns gar nichts angeht”Am 14. September 1817 war Hermine (Amalie Marie) von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym, die noch nicht zwanzigjährige Ehefrau des Erzherzogs Joseph (1776–1841) und Schwiegertochter des Kaisers, an den Folgen einer Zwillingsgeburt in Ofen (Buda) verstorben. Caroline Brandt befürchtete offenbar (fälschlich), eine mögliche Hoftrauer könne die Feierlichkeiten der Hochzeit von Prinzessin Maria Anna von Sachsen in Dresden (und somit auch die eigene Hochzeit) verzögern.
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“… doch nicht mein Hamster sein”Anspielung auf die Tatsache, dass bisher immer Caroline Brandt die Rolle der Silvana gespielt hat.
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“… male wieder ins Theater kömt”Erstmals seit Rückkehr aus der Pillnitzer Sommerresidenz am 27. September.