Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Innsbruck
Dresden, Montag, 1. Dezember 1823

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Mein vielgeliebter Bruder!

Du magst wohl ganz irre an mir geworden sein, daß ich auf so manche deiner Briefe die ich in wunderlichem Durchkreuzen erhielt, so lautlos blieb. Wenn ich dir aber sage daß ich buchstäblichst von einem Tag zum andern eine Entscheidung deiner Angelegenheit hoffte, so wirst du es auch begreifflich finden daß mich unwillkührlich eine wiederstrebende Macht abhielt an dich zu schreiben.      Nun! Gott! und meinem trefflichen Cheff sei es gedankt, ich habe die unendliche Freude, meinem König ein[en] treuen Diener, und trefflichen Künstler; unsrer KunstAnstalt eine Zierde; dir einen ehrenvollen Wirkungskreiß, und mir einen treuen Gefährten in Leid und Freude verschafft zu haben.      Ich gratulire uns und dir von Grund meines Herzens, und freue mich unsäglich dich baldigst zu umarmen.      Ich übergehe hier alle weiteren Punkte deines Briefes, und erspare alles auf mündlichen Austausch. Nur so viel hier, daß du dich nicht an diesem vorläufigen 3 Monate Probe Dienst stoßen sollst. dieß ist einmal Sitte in unserm Dienst, und ist mir und Anderen nicht beßer geboten worden.      Um aber ganz vorsichtig zu gehen, so nimm nur vor der Hand Urlaub, ist es auch nicht auf 3 Monate, auf 2, oder 6 Wochen. das andere werden wir dann von hieraus durch unsern Gesandten in Wien abmachen. richte dich so ein, daß du gleich hier bleiben kannst, und nicht erst die Zeitverderbende und kostspieliege Reise wieder hin und her machen mußt. da du allerley Ausgaben haben wirst, auch dich wohl in Civil etwas vielleicht equipiren mußt, denn die Leuten halten hier auf so etwas, so bitte ich dich beifolgende zweyhundert Gulden Conv: M: als einen Vorschuß von mir anzunehmen, den du mir | nach deiner Bequemlichkeit hier zurükgeben wirst, natürlich gegen tüchtige Zinsen, wie das so in meiner JudenNatur liegt. ich will dich schon quälen.      Ein Quartier werde ich dir besorgen, da ich dir leider keines anbieten kann: Mit meiner Hausmannskost wirst du aber gebeten freundlichst täglich vorlieb zu nehmen, so will es meine gestrenge Hausfrau; und das wenigstens so lange bis du dich anders einrichten willst.

Preindls Plaz in Wien wäre allerdings noch wünschenswerther für dich, aber nach allem was ich in Wien darüber hörte ist wohl nichts für dich zu hoffen.      dein Freund Nittel schrieb mir von Wien aus hieher*, vergaß aber deinen Brief beizuschließen ich wußte also nicht was ich denn eigentlich thun sollte; und nun ist geschehen was ich so lange wünschte.      Möge es dich doch auch so erfreuen.

Antworte nur gleich, oder noch beßer komme gleich selbst.      wir brauchen dich nothwendigst.      ich kann es nicht über mich gewinnen heute mehr, oder von andern Dingen zu schreiben, ich drükke dich in Gedanken herzlichst in meine Arme du guter Hansel, und bin immer und immer dein treuster Freund und Bruder
CMvWeber

Hier mußt du im goldnen Engel absteigen.

Editorial

Summary

teilt ihm endlich mit, dass seine Bewerbung angenommen sei und gratuliert dazu; dreimonatige Probe sei Sitte; macht ihm praktische Vorschläge für den Antritt der Stelle und sendet 200 Gulden Vorschuss; will Quartier besorgen; Preindls Wiener Stelle wäre zwar wünschenswerter, er habe aber nicht viel Gutes über die Aussichten dort gehört

Incipit

Du magst wohl ganz irre an mir geworden sein

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Shelf mark: Weber an Gänsbacher 56

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Corresponding sources

    • Nohl 1867, S. 288–289

Text Constitution

  • “ist”added above
  • “gewinnen”uncertain transcription

Commentary

  • “… mir von Wien aus hieher”Der Eingang des Briefes ist im Tagebuch nicht vermerkt.

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