Carl Graf von Brühl an Karl August Fürst von Hardenberg in Berlin
Dresden, Donnerstag, 26. Januar 1815
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- 1817-08-06: von Hardenberg
Aus der anliegenden Abschrift meines Danksagungsschreibens an Sr. Majestät den König werden Ew: Durchlaucht zu ersehen geruhen, was ich demselben für einen Vorschlag und eine Bitte gethan. – […]
Der Herr GeheimstaatsRath von Bequelin hat mich gefälligst benachrichtigt, daß der Kapellmeister Spontini zu Paris sich erboten habe, für 20. bis 24000. Franken jährlichen Gehalt / also 5. bis 6000. Thaler Preußisch Courant / in königliche Dienste zu treten, dafür jährlich zwei neue Opern zu liefern und die große Oper zu dirigiren.
In diesem Anerbieten liegt allerdings mancherlei Annehmliches. Ew: Durchlaucht
erlauben aber hier das Für und Wider genau zu erörtern.
1. Ist es nicht zu läugnen, daß es einer
großen Musikanstalt, wie der königlichen Kapelle und Oper, Ehre macht, einen Mann von
so ausgezeichnetem Namen an ihrer Spitze zu haben,
ja, daß dieß des Aus|landes halber und des Rufes weges, welcher Freunde herbei lockt, höchst nöthig ist.
Aus dieser selben Ursache ist
2. Auch nicht auf Ersparniß einiger tausend
Thaler Rücksicht zu nehmen und
3. Würde es ohne Zweifel vortheilhaft und
angenehm seyn, jährlich einige neue Opern von einem Tonsetzer zu haben, der sich
durch die wenigen von ihm erschienenen Werke als denkender
Künstler und als Mann von ausgezeichnetem
Geist und Genie gezeigt hat! –
Die Gründe, welche auf der andern Seite gegen diese Anstellung aufzustellen wären,
sind
1. daß wir bis jetzt nur zwei bedeutende Werke von Spontini besitzen, nemlich die Vestale und Cortes. Von beiden ist
aber die erstere unstreitig vor|züglicher, als die letztere, und gäbe
beinahe Anlaß zu glauben, der junge Künstler habe seine ganzen Fülle in der ersten
Arbeit verschwendet.
Diese Muthmaßung wird dadurch noch vermehrt, daß so
Weniges von ihm erscheint! Im leichten Style scheint er gar kein Glück zu
haben. Denn eine komische Oper, welche von ihm gegeben worden, ist gänzlich
durchgefallen
2. die versprochenen 2. Opern jährlich würden in der That mit 5.
bis 6000. Thaler zu theuer bezahlt seyn, wenn nicht aus der Anstellung deßelben
zugleich ein bedeutender Vortheil für die Direction
der Kapelle und das Weitere Ausbilden des Orchesters
entstünde. Dieß ist aber
3. ohne vorhergegangene genaue Erkundigung in Paris nicht zu bestimmen, da die Komponisten
| daselbst nie das Orchester selbst anführen, und daher keine Uebung in diesem
schwierigsten Geschäfte haben. Dem Kapellmeister Spontini würde daßelbe
4. noch schwerer
werden, da er der deutschen Sprache nicht mächtig ist; sich daher nur mit Mühe
verständlich machen, und deshalb weit weniger würden wirken können. – Auf tüchtige Orchester-Dirigenten ist aber vorzüglich
Rücksicht zu nehmen. Denn Opern können auch bei entfernten Componisten bestellt
werden. Das Berliner Orchester bedarf vorzüglich noch eines kräftigen und geschmackvollen
Dirigenten. – Kapellmeister Weber, der sich nicht in der ersten Jugend befindet, leitet
das Ganze fast allein, und kann selbst wegen seiner
körperlichen Beschaffenheit nicht immer so thätig
seyn, als er es nach seinem Eifer und seinem guten Willen wohl seyn möchte.
Musikdirektor Gürlich,
ein sonst sehr tüch|tiger Musikus, leistet dennoch als Dirigent nicht alles, was zu
wünschen wäre, und Musikdirektor Seidel ist vollkommen unbedeutend.
Offenbar geht daraus hervor, daß unsere durch eine hoffentlich einzuführende Kirchenmusik sich immer mehr vergrößernde Königliche Kapelle, auch durch ihrer Anführer neue Kraft und neuen Glanz bekommen muß. Zumal da, nach Sr: Majestät in Paris gethaner Aeußerung auch ein Conservation für Musik und Deklamation zu verrichten seyn würde, und man dazu mehrere Lehrer bedurfte. – Ich würde dahero für zwekmäsig halten, die drei Kapellmeisterstellen, wie sie durch die Herrn Righini, Himmel und Weber besetzt gewesen wieder herzustellen.
Die erste davon dem Kapellmeister Spontini, |
Cherubini, oder Pär, zu geben /: welche
alle drei ihre Bereitwilligkeit zu einem Engagement
gezeigt :/
die zweite dem Kapellmeister Weber zu laßen, und
die dritte dem jetzigen Musikdirektor zu Prag, Carl
Maria von Weber zu ertheilen.
Auf Herrn Cherubini möchte hier wohl sehr große Rücksicht zu nehmen seyn, da wir von diesem Meister eine Menge größere und kleine Arbeiten haben, welche allgemein als Meisterstücke bekannt sind wie z. B. Anacreon, der Waffen‡träger, Lodoiska, Faniska etc. Indem ich die Allerhöchste Entscheidung hierüber erwarte, glaube ich versichern zu können daß durch die vorgeschlagene Anstellung dieser drei Kapellmeister Allem ent|sprochen werden wird, was zu dem musikalischen Glanze einer Hauptstadt gehört.
Um Allerhöchste Autorisation, mit dem Musikdirektor Carl Maria von Weber zu Prag in Unterhandlungen treten und demselben einen Jahrgehalt von 1800. Thalern versprechen zu dürfen, bitte ich dringend und gehorsamst: Schon vor einiger Zeit habe ich mit demselben in Correspondenz gestanden, und von ihm erfahren, wie er bereitwillig sei, nach Berlin zu kommen, jedoch sein jetziges gutes Engagement nicht ohne einigen Vortheil aufgeben könneT.
Dieser junge Mann glänzt nicht allein als geistvoller, feuriger Compositeur, sondern hat auch im ganzen Umfange der Kunst, Poesie und Literatur die ausgebreitetsten Kenntniße und zeichnet sich dadurch vor den mehresten musikalischen | Künstlern aus, und würde deshalb bei einem künftig zu errichtenden Conservatoire – beßer, als jeder andre zu benutzen seyn. – Als Dirigent eines Orchesters hat er neuerlich einen unzweideutigen Beweiß seiner Kunstfertigkeit abgelegt, indem er in sehr kurzer Zeit das ziemlich mittelmäßige Prager Orchester zu einer merkwürdigen Stufe der Vollkommenheit empor gehoben hat. – Bei Anführung seiner Oper Silvana in Berlin hatte ich selbst Gelegenheit dieses vorzügliche DirektionsTalent zu beobachten. Denn er studirte dem Orchester die sehr schwierige Musik in drei Proben so vortreflich ein, als manche andere es gewöhnlich in sechs bis sieben Proben nicht wurde. –
[…]
Apparat
Zusammenfassung
bittet, mit Weber in Verhandlungen treten u. ihm 1800 Taler anbieten zu dürfen; schildert Weber als geistvollen Komponisten mit Kenntnissen in Literaur, als Dirigent habe er das mittelmäßige Prager Orchester erhoben u. sein Talent in Berlin auch bei Einstudierung der Silvana gezeigt; u. a.
Incipit
„Aus der anliegenden Abschrift meines Danksagungsschreibens“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (D-Bga)
Signatur: I HA Rep. 100, Nr. 1040, fol. 24–31Quellenbeschreibung
- 4 DBl. (15 b. S.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
tV: Carl Maria von Weber, Briefe an den Grafen Karl von Brühl, hg. von Georg Kaiser mit 2 Bildnissen, Leipzig 1911, S. 51 (hier mit 1. Februar 1815 datiert)