Carl Maria von Weber (und Johann Gänsbacher) an Gottfried Weber in Mannheim
Darmstadt, Montag, 18. Juni 1810
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Dito Guten Morgen!
Eben erhalte ich deinen Brief und vortrefflichen Canon*, er hatt mich zu Thränen gerührt denn es herrscht ein ungemein leises Gefühl darinn. Der erste Ton geht heute ab, an Weiler*. /: jezt komt eine gute Nachricht :/ —
Künftige Woche kömmt Vogler mit Beer auf ein paar Tage nach Mannheim. gelt J‡ürgel, jezt kannst ihm z’freßen geben. /: nehmlich, Noten. :/ schiebt doch Euer Museum bis dahin auf*.
Sage doch dem Berger er soll mir und Gänsbacher unsre Sachen schikken* wir brauchen Sie höchst nothwendig besonders ich meine Wäsche.
sage doch auch deinen Damen, daß ich noch ganz zerknirscht über mein Vergehen, wegen der Abschieds Visite sey*, und daß ich mich wenn ich einmal wieder nach Mannheim komme, vor Schaam gar nicht werde bey Euch sehen laßen.
Voglers GeburtsTag* d: 15t huj: haben wir Gefeiert. laß dirs von Berger erzählen, und meine schöne Poeßie zeigen.
Der Catalog von Vogler-Sachen* komt in ein paar Tagen.
Jezt soll noch der Gänserich krazen, ich weis nichts mehr, als daß ich dich ewig herzlich liebe. dein Weber. |
Der Jörgl ist wie Fisch abgestanden; legt ihn in Rheinwein, so wird er wieder lebendig seyn. Nur Freund Webers Umgang, Voglers Harmonie und das Andenken an meinen mir unvergeßliches Manheim macht mir den Aufen[t]halt in dem von Gott verworfenen Darm noch erträglich; bald laß ich mich vom Teufel holen, und nach Böhmen tragen*. Ich umarme und küße das ganze Museum; ewig werd ich seinem Andenken singen: l’amerò*; aber nicht wie es Weber kürzlich folgendermaßen übersetzte:
Die schöne Uebersetzung aber, die er davon machte, ist ganz dem Gefühle und Geiste des italienischen Textes angemeßen.
Viele Empfehlungen an sein liebenswürdiges Weibchen; Dusch,
Berger, und Frey. Viel herzliches von
eurem liebenden Freund
Gänsbacher. |
[Fortsetzung wieder von Weber:]
Wie steht es denn mit Bruder Dusch Geschichte?* umarme Ihn herzlich von mir.
Im Morgenblatt vom 16t huj: steht etwas über mein Heidelberger Concert welches mir doppelt lieb ist da sonst das Morgenblatt meinem Nahmen, aus edler KönigsFurcht verschloßen war. sage dieß doch gleich Bergern. mein Aufsaz über Vogler wird auch bald im Morgenblatt erscheinen.
adieu. schreibe bald
wieder und mehr.
1000 Schönes an Hertlings.
Weißt du nichts von Simrok? ich habe heute an Ihn geschrieben.
Apparat
Verfasst von
Zusammenfassung
berichtet, dass er im Begriff stehe, den Ersten Ton an Weiler abzuschicken; bittet um Zusendung seiner und Gänsbachers Sachen aus Mannheim; teilt mit, dass das Morgenblatt über sein Heidelberger Konzert berichtet habe und demnächst seinen Aufsatz über Vogler bringen werde; Zusatz Gänsbachers
Incipit
„Eben erhalte ich Deinen Brief und vortrefflichen Canon“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub)
Signatur: Frederick R. Koch FoundationQuellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
- Vermerk von frd. Hd.: „23. Juni 1810“
- zahlreiche redigierende Eingriffe (von Gottfried Webers Hand?) für die Vorbereitung des ED, u. a.: „Zu allen folgenden Briefen wird das Datum voran gesetzt, Petit“
Provenienz
- Stargardt Kat. 630 (1983), Nr. 1005
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Caecilia Bd.15 (1833), S.37–39
-
Bollert/Lemke 1972, S.11
Textkonstitution
-
„J“„G“ überschrieben mit „J“
-
„Luder“unsichere Lesung
Einzelstellenerläuterung
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„Brief und vortrefflichen Canon“Nicht nachweisbar.
-
„Der erste Ton … ab, an Weiler“Weber sandte laut Tagebuch noch am selben Tag seine Originalpartitur an Gottfried Webers Schwager Georg von Weiler zur Vorbereitung einer weiteren Aufführung des Werkes.
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„schiebt doch Euer … bis dahin auf“ Offensichtlich hatte diese Bitte sogar Erfolg: Am 22. Juni erschien in der Rheinischen Correspondenz eine kurze Anzeige, die noch den ursprünglichen Aufführungstag des Museums, Samstag, den 23. Juni, nennt. Am nächsten Tag findet sich dann folgende Anzeige: „Die auf den 23sten d. M. bestimmte musikalische Aufführung im Museum wird auf den Montag den 25. Juni zurückgesetzt. Der Anfang ist um 7 Uhr (S. 684).“
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„Sage doch dem … unsre Sachen schikken“ Auch Gänsbacher hatte während des Aufenthalts in Mannheim vom 24. bis 29. Mai bei Berger gewohnt (vgl. Denkwürdigkeiten, S. 34 bzw. Gänsbachers Brief an Firmians vom 25. Mai 1810). Am 23. Juni sind in Webers Tagebuch Portogebühren „meiner Sachen von Mannheim“ erwähnt.
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„Catalog von Vogler -Sachen“Vermutlich meint Weber hier eine Abschrift des Katalogs der Voglerschen Musikalien, den er gemeinsam mit Gänsbacher zu Voglers Geburtstag verfasst hatte, nicht jedoch die Aufstellung der „käuflichen Musik“, die sich erst als Beilage zum Brief Webers an Gottfried Weber vom 8. Oktober 1810 findet. Möglicherweise bildete dieser Katalog nach Voglers Tod die Grundlage für das zur Versteigerung seiner Werke gedruckte Verzeichnis der von dem Theoretiker und Compositeur in der Tonkunst berühmten [...] Abt G. J. Vogler nachgelassenen, größtentheils noch nicht bekannten praktischen und theoretischen, im Manuscript vorhandenen Werke, so wie seiner im Druck erschienenen und mehreren fremden Musikalien, Darmstadt 1814 (Exemplar Darmstadt SA, G 28 Darmstadt F 2871/8).
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„nach Böhmen tragen“Gänsbacher spielt hier auf die geplante Rückreise zu seinem Gönner, Karl Maria Reichsgraf von Firmian, nach Prag an.
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„l'amerò“Es handelt sich um das offenbar beliebteste der sechs von Weber übersetzten italienischen Canzonetten Gänsbachers, die André zum Druck annahm (vgl. Denkwürdigkeiten, S. 38); vgl. dazu auch im Brief von Gänsbacher an die Gräfin Firmian die Passage vom 25. Mai 1810.
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„Bruder Dusch Geschichte?“ Spielt möglicherweise noch auf die Vorgänge in Stift Neuburg am 31. Mai an, wo Dusch eine Herausforderung der lärmenden Studenten angenommen hatte; vgl. Denkwürdigkeiten, S. 35, wo es hierzu heißt: „das Resultat war eine Herausforderung, die aber, wie ich nachher erfuhr, nie in Erfüllung gieng“ (vgl. auch Brief Webers an Gänsbacher vom 7. Dezember 1810).