Carl Maria von Weber an Franz Danzi in Karlsruhe
Prag, Freitag, 24. Mai 1816

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Mein theurer, alter Freund.

Unmöglich kann ich die Gelegenheit* vorbei gehn lassen, Ihnen ein paar Worte zu sagen, obwohl Sie böser Mann mir nicht diese Freude durch Mad. Gervais gemacht haben*, noch viel weniger aber etwas von Ihren Opern mitschickten, wie ich erwartete u. hoffte*. Mit innigem Leidwesen u. Theilnahme habe ich gehört, wie viel Sie gelitten haben, u. ich bin im Stande dies um so mehr zu beurtheilen, da seit ein paar Jahren auch meine Gesundheit gewaltige Stöße erlitten hat. Nun, Gott wird schon Alles wieder gut machen, u. ich hoffe Sie einst gesund u. frisch zu umarmen.

Mad. Gervais ist den 22sten als Emmeline* mit allem Beifall aufgetreten u. giebt morgen die Sophie im Sargino. Pois’ls Athalia war den 21st. Ging gut u. gefiel. Es ist wirklich ein treffliches Stük. Überbringerin dieses, unsere treffliche Mad. Grünbaum, brauche ich wohl nicht erst Ihrer gütigsten Sorgfalt u. Freundschaft zu empfehlen, da Ihre Herzensgüte u. Gefälligkeit bald sich doppelt durch das große Talent dieser herrlichen Sängerin angeregt fühlen wird. Ich hoffe aber bestimmt, daß uns Mad. Grünbaum von Ihren Opern, die Sie gerne bei uns gegeben wissen möchten, mitbringt, nebst Bestimmung des Preises. Machen Sie es aber gnädig, denn wir leben im Papierlande*, u. sehen zwar täglich besser klingender Zeit entgegen, bis jetzt aber ist noch nichts bestimmt.

Das Neueste ist, daß ich die hiesige Bühne verlasse, Ende SeptemberT. Die Gründe dazu einst mündlich, wo Sie dann gewiß ihre Vollwichtigkeit erkennen werden.

Die Partitur meiner Cantate, von der ich hier einen Text beilege*, ist vom König von Preußen sehr gnädig aufgenommen, u. ich mit einer goldenen Medaille beschenkt wordenT. Den 5t Juni gehe ich selbst nach Berlin um sie zum Jahresfest der Schlacht im Opernhause zu gebenT. Poisl ist nach Darmstadt berufen worden, wo seine Athalia den Großherzog entzückt hat, u. er hofft vielleicht Voglers Platz zu erhalten. Ich wünsche ihm alles erdenkliche Gute, glaube aber nicht, daß er sich da auf die Länge gefallen würde*.

Bärmann u. die Harlas haben gute Geschäfte in Italien gemacht. Weixelbaum ist abgedankt u. hat vergeblich alles versucht wieder anzukommen*.

Wenn wieder alle Zeit mein ist u. ich nicht mehr den täglichen Ackerpflug führen muß, hoffe ich auch wieder mehr zu arbeiten. Seit 3 Jahren habe ich fast nichts geschrieben. Sie sind gewiß fleißiger gewesen. Ich werde die Partitur meiner Cantate dem Großherzog zu Füßen legen* u. es bedarf wohl nicht erst der Bitte, daß Sie sich dafür verwenden, wenn die Sache an Sie kommt. Wo sind die schönen Starenberger Zeiten??* u. auch so manche in Stuttgardt p.p.

Ich umarme Sie herzlichst, mein theurer, lieber Freund. Gott erhalte Sie gesund u. gedenken Sie zuweilen Ihres alten, treuen Freundes C. M. v. Weber.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über Auftritte der Gervais in Prag; bittet erneut um Opern Danzis, die er in Prag inszenieren möchte; betr. Sieges-Kantate; über gemeinsame Bekannte

Incipit

Unmöglich kann ich die Gelegenheit vorbeigehn lassen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II B c, Nr. 3, S. 81f.

    Quellenbeschreibung

    • Abschrift Ida Jähns

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reipschläger, Erich: Schubaur, Danzi und Poissl als Opernkomponisten. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der deutschen Oper auf Münchener Boden. (Diss.) Rostock 1911, S. 102–103

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Unmöglich kann ich die Gelegenheit“Laut Tagebuch übernahm das Ehepaar Grünbaum, das offenbar auf eine Gastspielreise ging, die Zustellung des Briefes. Gastauftritte in Karlsruhe sind allerdings nicht nachweisbar, dafür aber solche in München (11. bis 26. Juni); vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1816, S. 216 (München) und S. 361 (Karlsruhe).
    • „… durch Mad. Gervais gemacht haben“Die Karlsruher Sängerin war laut Tagebuch am 10. Mai 1816 in Prag eingetroffen, überbrachte aber keinen Brief von Danzi.
    • „… wie ich erwartete u. hoffte“Vgl. die entsprechende Bitte um Zusendung der Opernlibretti im vorhergehenden Brief an Danzi.
    • „… ist den 22sten als Emmeline“Hauptrolle in Weigls Schweizer Familie.
    • „… denn wir leben im Papierlande“Infolge der finanziellen Belastungen der napoleonischen Kriege wurde in Österreich bis 1816 Papiergeld (Einlösungs- und Antizipationsscheine) ausgegeben, das zunehmend an Wert verlor. Die Inflation wurde erst durch die Währungsreform von 1816 gebremst.
    • „… ich hier einen Text beilege“Textdruck: „Kampf und Sieg.| Kantate | zur | Feyer der Vernichtung des Feindes | im Juny 1815 | bei Belle-Alliance und Waterloo. | Gedichtet | von | Wohlbrück. | In Musik gesetzt | von | Carl Maria von Weber“.
    • „… auf die Länge gefallen würde“Zu einer festen Anstellung Poißls in Darmstadt kam es nicht.
    • „… vergeblich alles versucht wieder anzukommen“Das Ehepaar Weixelbaum, das Anfang des Jahres das Münchner Hoftheater verlassen hatte, wurde nach Gastauftritten am Hoftheater Karlsruhe (13., 20., 27. Oktober 1816; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1816, S. 361) dort engagiert.
    • „… dem Großherzog zu Füßen legen“Da Danzi als badischer Hofkapellmeister die Vermittlung übernehmen sollte, muss hier der badische Großherzog Ludwig I. (1763–1830) gemeint sein, allerdings ist bislang keine Widmungskopie der Kantate für diesen dokumentiert (im Gegensatz zu Exemplaren für die Großherzöge Ludewig I. von Hessen und Ferdinand III. der Toskana).
    • „… sind die schönen Starenberger Zeiten??“Zu den gemeisamen Ausflügen nach Starnberg vgl. die Tagebuchnotizen vom 11./12. sowie 15. bis 18. Juli 1811.

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