Carl Maria von Weber an Ignaz Franz Edler von Mosel in Wien
Dresden, Freitag, 7. Februar 1817
Einstellungen
Zeige Markierungen im Text
Kontext
Absolute Chronologie
Vorausgehend
- 1817-02-07: an Bayer
- 1817-02-06: von Grünbaum
Folgend
- 1817-02-07: an Castelli
- 1817-02-10: von Meyerbeer
Korrespondenzstelle
Vorausgehend
- 1813-06-03: an Mosel
- 1813-06-01: von Mosel
Folgend
- 1817-02-27: an Mosel
- 1817-02-15: von Mosel
Verehrtester Freund!
Mit Recht darf ich fürchten ganz aus Ihrem Andenken verschwunden zu sein, da ich so lange Ihnen kein Zeichen meines Lebens, und stets unwandelbaren Achtung gegeben habe. Die Strudel ewiger Geschäfte die stets in größerer Menge wiederkehren haben mich schon manche Freude entbehren heißen, und manch trauliches KunstVerhältniß entfernter Freunde momentan und scheinbar zu unterbrechen genöthiget, aber demohngeachtet lebt in mir mit gleicher Wärme das Andenken an diejenigen fort, die mir einmal theuer und Werth geworden sind. Daß Sie zu diesen in vollstem Sinne gehören, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu versichern, und es war mir schmerzlich es Ihnen bisher nicht thätiger beweisen zu können. Die Freude Ihren trefflichen Salem aufführen und Pflegen zu dürfen konnte ich mir in Prag nicht machen da von der Zeit an wo wir ihn hätten allenfalls besezzen können die Direktion in jeder Hinsicht für neue Unternehmungen gelähmt war*, und ich auch deßhalb hauptsächlich mit die Direktion der Oper niederlegte, weil ich kein bloses Tagwerker Wesen in der Kunst treiben wollte. Der schmeichelhafte Ruf des Königs von Sachsen hat mich hier abermals als KapellMster und Direktor der deutschen Oper zur Organisation der lezteren bestimmt, und ich glaube meine Pflicht nicht beßer erfüllen zu könen als wenn ich alles mir bekannte Vorzügliche hier zu vereinigen suche. Ich bitte Sie also hiemit um die Mittheilung Ihres Salem, versteht sich, blos zum Gebrauch für unsere Bühne, und ersuche Sie wo möglich gleich dem Ueberbringer dieser Zeilen dem Königl: Hoftheater Maler Winkler mitzugeben, Wobei ich mir die Freyheit nehme Ihnen denselben aufs beste zur gütigen Aufnahme, und Ihrem umsichtigem Rath und That in Wien zu empfehlen‡. Er ist nehmlich nach Wien gesandt, um sich mit dem dortigen Theater Maschinen-Bau, und DekorationsWesen bestens bekannt zu machen, wozu Sie ihm gewiß die besten Andeutungen geben können und gütigst werden. Was das Honorar für Ihren Salem betrifft, so bitte ergebenst Gnade für Recht ergehen zu laßen, das heißt, es billig zu machen, da leider noch keine Direktion in der Welt lebt die die Arbeit des Componisten nur einigermaßen würdig belohnte. Ich freue mich zugleich zu hören was Sie Schönes Neues der Welt geliefert haben oder liefern werden. Was mich betrifft so habe ich manches geschrieben aber keine Oper, das gröste bisher seit einigen Jahren ist die Kantate Kampf und Sieg von der ich Ihnen einen Text und Aufsaz darüber beyzulegen so frei bin. ich habe die Partitur davon Sr: | Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Rudolph überschikt, ohne auch nur eine Antwort zu erhalten, da sie hingegen sonst überall mit Güte aufgenommen worden ist.* – Meinen Grundsäzzen gemäß, blos für fremdes Verdienst nach Kräften zu sorgen hatte ich während meiner Direktion in Prag keine mehr O‡ meiner Opern aufs Theater gebracht. Jezt habe ich dafür die Freude meine Silvana d: 2t Feb: in Prag mit wahrer Furore aufgenommen zu sehen. Jedes Musikstük wurde beklatscht, mehrere Da capo gerufen, und am Ende Mlle Brand /: die die Silvana gab :/ hervorgerufen, dann nochmals applaudirt und vivat Weber gerufen. So belohnt sich erfreulich das Streben zum Guten.
Die hiesige Oper ist erst im Entstehen und bis jezt kaum existirend zu nennen, doch wird sie sich bald heben, da ich bedeutende Künstler von allen Seiten erwarte, und die übrigen Hülfsmittel, Kapelle pp so trefflich sind. Wißen Sie zufällig ausgezeichnete Talente die zu haben sind, so werden Sie mich sehr verbinden wenn Sie mir selbige zuweisen.
Was macht der verehrte Graf Dietrichstein? gedenkt er noch zuweilen Meiner in Güte?
Ich hoffe liebster Freund daß Sie wegen meinem langen Schweigen* keine Repreßalien brauchen werden, und ich bald von Ihnen hören werde* wie es Ihnen und Ihrer trefflichen liebenswürdigen Gattin der ich mich aufs herzlichste zu empfehlen bitte, – geht, und ob Sie noch freundlich desjenigen gedenken der mit vollkomenster Liebe und Achtung stets sein und bleiben wird
Ihr
herzlichst ergebener Freund
Carl Maria von Weber.
Dresden d: 7t Februar 1817.
Apparat
Zusammenfassung
entschuldigt sein langen Stillschweigens; bittet um Zusendung der Partitur des „Salem“, den er in Dresden aufführen möchte; betr. „Kampf und Sieg“; berichtet über Erfolg der „Silvana“ in Prag; über die Dresdner Oper
Incipit
„Mit Recht darf ich fürchten“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Wien (A), Österreichische Nationalbibliothek, Handschriften- und Inkunabelabteilung (A-Wn)
Signatur: Autogr. 7/124-6Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (2 b. S. einschl. Adr. u. Umschlag)
- Beilagen noch vorhanden: inliegend abgerissener Zettel mit Webers Schriftzug: „Gärten...sche Buchdruker“
- am oberen linken Rand von Mosel: „N: 1.“
Beilagen
-
- Textbuch zu Kampf und Sieg. Prag 1815, Schwollsche Buchdruckerei
- „Meine Ansichten | bei | Composition der Wohlbrückischen Cantate | Kampf und Sieg | für meine Freunde niedergeschrieben | den 26. Jänner 1816, in Prag“ [Druck], 1 DBl. (4 bedruckte S.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Schmid, Anton: „Briefe von Carl Maria von Weber an den verstorbenen k. k. Hofrath Franz Edlen von Mosel“, in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung, Jg. 6, Nr. 118 (1. Oktober 1846), S. 473–474
Textkonstitution
-
„empfehlen“gelöschter Text nicht lesbar
-
„mehr O“durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
-
„… für neue Unternehmungen gelähmt war“Ignaz von Mosels lyrische Tragödie Salem war am 5. März 1813 in Wien uraufgeführt worden. Weber, der eine Aufführung am 19. April 1813 besuchte, hatte sich schon in einem Brief an Moritz Dietrichstein vom 3. Juli 1813 um eine Kopie des Werkes für das Prager Theater bemüht. Wegen der Besetzungsschwierigkeiten wurde aber damals offensichtlich keine Partitur erworben, da das Werk in Webers Prager Notizen-Buch fehlt.
-
„die Partitur davon … aufgenommen worden ist.“Die Übersendung an Erzherzog Rudolph von Österreich ist im Tagebuch am 20. Mai 1816 vermerkt; möglicherweise handelte es sich hier um die noch erhaltene Partiturkopie A-Wgm, Q 1092 / III.15449.