Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 17. März 1817 (Nr. 35)
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Endlich kann ich wieder ein bischen zu Muks krabbeln, und mit ihm ein paar Worte pabsen. Es ist unglaublich um wie viel Zeit ich in der Welt bestohlen werde, alles läuft zu mir. alles will sich bei mir Raths erholen, oder sonst unterstüzt sein, und da fliegt die Zeit auch nur durch das bloße Anhören schon weg, geschweige denn wenn man auch noch gern gefällig sein will. So komt Z: B: Gestern Morlachi, und bittet mich etwas über sein Oratorium öffentlich in der AbendZeitung zu sagen, um das zu thun muß ich mich nun heute den ganzen Nachmittag hinsezzen und es aufs sorgfältigste mit ihm durchgehen, dann erst darüber schreiben, und es ihm auch gleich ins Italienische übersezzen damit er mir auch sagen kann ob er etwas anderst wünscht. Abends muß man ins Theater gehn, weil es unfreundlich wäre die Darstellung eines braven Künstlers nicht zu sehen. d: 14t bin ich abermals in unser neues Quartier gezappelt, und habe gemeßen und gegutt. Es ist halt nitz vollkommen in der Welt, ich habe was recht unangenehmes gefunden. Das Vordere und hintere Quartier ist durch eine Altane oder Gang über den Hof weg mit einander verbunden. das hätte nichts zu sagen, nun ist aber dieser Gang hinter dem Zimmer das gar so freundlich ist, und ich gerne zu meinem ArbeitsZimmer gemacht hätte, das geht nun aber nicht, weil man immer durch dieses Zimmer laufen muß um in die Vorderen zu kommen. ich muß also eines von denen weiter zurük nehmen, oder mich bei dir in den vorderen Zimmern einquartieren. Nun das wird sich wohl alles finden. das eine Zimmer muß auch neu tapezirt werden. die Fußböden sind schönT. Aus meinem jezigen Nest muß ich im May schon ausziehen weil das Haus verkauft wird, und zum Juny läßt mir vielleicht Professor Matthei unser künftiges Quartier ab, ich habe also keine bleibende Stätte und muß von einem Winkel in den Andern bis Muks komt. Und so ists auch recht, mit dir soll erst Häuslichkeit und wahrer Ruh und Frieden einkehren und mir zu theil werden. Wollen uns aber beide vor diesem Hochzeitsgeständniß* hüten.
Er und Sie.
Er.Eins, Bräutchen, darf ich nicht verheelen: Oft pfleg ich ohne Grund zu schmählen.Sie.An Gründen solls bey mir nicht fehlen!Nun noch vom Quartier. Das Vorzimmer, grün. 15 Schritte lang und 8–9 breit. 1t Zimmer zum Schlafen rechts, hellblau und die Nische Felsenartig. ohne Nische 8 Schritte lang, 6 breit. 2t Zimmer rechts, vorn heraus, lilla /: muß neu tapezirt werden :/ 12 Schritte lang, 7 breit. 3t Zimmer hellGrün, 12 Schritte lang, 5 breit. Hintenraus 1 blaues, 2 andere, Küche, noch 2 Zimmer, Speisekamer, Garderobe, Boden, Keller. Puntum. Nun studiere und mache deinen Plan.
Denselben Tag aß ich bei Luxburg, gieng dann zur Prinzeßin Carignan, und Abends bey Knobelsdorf. da kam ein artiges Gewitterchen, und ein Donnerschlag!! Nun! mit Schnee und Hagel, Eyer groß. d: 15t muste ich Wohlbrükk herumführen. Mittag beim Engl: Gesandten. Abends zum 2t mal die Vestalin mit Mad: Sessi*. dann in Gesellschaft zu Hofrath Heune, wo wir uns aber um 11 Uhr fortschlichen. Gestern d: 16t geschrieben, in die Kirche gegangen. Mittag mit Wohlb: im Engel. Abends gab es den Geizigen, und gefiel sehr*, dann noch mit ihm im Engel. Gestern habe ich seit langer Zeit einen Brief von Lichtenstein zu meiner großen Freude erhalten. Er ist wohl, grüßt dich nebst der Frau herzlichst, und leztere wird wohl in 3–4 Wochen ein Kindlein zur Welt fördern. Weixelbaums kommen nun nicht vor Ostern, und vielleicht gar nicht. das ist nun wieder eine schöne Stöhrung, und habe ich die Helene ganz umsonst einstudirt*. Es ist recht ärgerlich, es fehlt an allem, und ich will Gott | innigst danken wenn erst einmal ein Personal beisammen ist. ich sizze oft Stundenlang und besinne mich auf Opern, die man geben könnte, und alle Augenblikke sind Hinderniße. alle Opern die italienisch gegeben sind, sollen wir nicht deutsch geben. alles was auf dem Bade gegeben ist*, soll man zu vermeiden suchen, da bleibt denn freilich nicht viel übrig, und unter diesen wie viele kann man besezzen? es ist recht traurig. Hätte ich nur erst die Grünbaum, dann gieng es schon mit so einem ausgezeichneten Talent, kann man schon das Publikum vor der Hand befriedigen bis das andere sich nach und nach dazu gestaltet. Mit Hellwig geht es beßer. es ist kein Wunder wenn die Leute krank werden, wenn ich das Wetter so ansehe so ist mir immer so bange um dich. wir haben wieder ganz Winter; seit dem Gewitter hat es täglich stark gefroren und heute liegt alles voll Schnee. Morgen und Uebermorgen freßt Err gewiß bei Junghs? an Eduards und Pepis Namenstagen*. da träume ich mich denn so recht zu Euch. ja ja das Träumen ist recht schön, und wohl das einzige was man hat. In ein paar Stunden hoffe ich ein Brieflein von Muks zu haben der mir sagen wird wie es ihm geht und was er macht, ob er brav, gesund und heiter ist, und seinen Carl gehörig lieb hat. Ja ja hab ihn nur recht lieb, denn es ist noch lange auszuhalten und zu harren. — —
Du liebes gutes Herz, freßlieber Schneefuß, könnte dich gleich zu Todt bußen, wenn ich dich da hätt. Ich habe so gelacht über deinen Brief No: 37t wie lange nicht. du kannst so lieb sein, nur! Gott erhalte uns diese Heiterkeit. die Mamsell die O Mann! gesungen hat, ist weder hübsch noch jung, und das würde ihr auch alles nitz helfen, ich hab nur Sinn, Augen und Herz für meine alte Lina die in dem finsteren Prag hott, und flikt und stikt, und näht und brät. Gott sei es ewig gedankt daß wir jezt höchstens KnittelVerse machen können, das ist gescheidter und gesünder als die Schmachtlappereimer. Also um eine Köchin soll ich mich umsehen?T das versteht sich, du darfst ja ohnedieß nur die General Intendançe drüber führen, und zuweilen ein extra Speißerl deinem Muks selbst verfertigen. Nun stehe nur auf und laß dich umarmen die Haue sollen dir geschenkt sein, und die Angst für Strafe angerechnet werden. Aber im Ernst liebe Lina, must jezt keine Leinwand mehr kaufen, denn damit können wir uns behelfen, und immer nach und nach mehr anschaffen, brauchen aber jezt noch eine Menge Dinge die ganz nothwendig sind, also spare lieber das Geld. Ja armer Hamster hast viele Ausgaben, geht mir aber auch nicht beßer. Hab den Wohlbrük jezt bei mir der mein Gast ist, und bis Ostern hier bleibt. Es ist das billig daß ich es thue, denn er hat für die Kantate noch gar nichts bekommen, und obwohl sie mich auch mein baares Geld kostet, so habe ich doch viel Ehre und hübsche Doserln dafür gekriegt. also muß der Mensch billig seinT. Das Französische empfehle ich dir recht dringend, und suche nur recht viel zu sprechen, denn hier ist das durchaus nothwendig, da du in viele Zirkel kommen wirst, wo es sein muß. Aber was hat Err denn für Ausgaben die er mir verschweigen muß? Ja? da wirds Haue sezzen. gleich beichten! ists etwa das Oster A? Mukkel, schenk mir nitz, schau, ich schenk Dir auch nitz. Wir werden einander noch genug schenken, und — kurzum | ich muß es wißen, und du darfst kein Geld vertrödeln.
Ich weiß nicht ob du gut gethan hast die Ueberzüge in Prag zu besorgen, hier nimmt man dazu Merino der hübsch und wohlfeil ist. aber ich will der geehrten Hausfrau nicht vorgreiffen. wie die Grauen aussehen darf ich auch nicht wißen? Warte alte Geheimniß Sybille ich werde dich einmal auch anführen. warte nur! Die Beschreibung der Zauberflöte hat mich sehr unterhalten und dank ich handküßend dafür. du machst aber auch höllische Streiche, warum siehst du so puzzig aus, daß das Publ: Da Capo ruft*. Ach, armer Muks alle diese schönen Federn zu verliehren, Hermelin und Atlas mit der Küchenschürze zu vertauschen, und applaudirt vom hungrigen Magen, herausgerufen von der Köchin, und nur Da Capo von Muks beim bußen. – Ach gute Perle, wirst aufgelöst im Eßig des Ehestandes, verschlukt von Sorgen und dem brumbärigen Mukes. — — ’s ist recht traurig, und bin ich schier gerührt davon. — geschieht dir aber schon recht. Etsch!!
Danke schön für die Bußen die du mir so rechtschaffen überbringst. bist doch ein gutes Vies. und so geduldig geworden, daß ich gleich auf – keine Probe stellen möcht. Ha ha, ich soll nicht auf die Aussicht sehen, ist jezt alles schon in Ordnung und Muks weiß in diesem Augenblik schon, daß Err ein schönes freundliches Quartier hat. ich hoffe du freust dich auch, gelt?
Es geht mir gerade wie dir, jeden Tag hab ich dich lieber, und jeden Tag wächst meine Sehnsucht, und ich bin ordentlich zu nitz nuz, so daß mir schon sehr oft die UniversitätenZeit zu lange dünkt. und doch gehts mir da auch wie dir, hab auch noch so viel zu ordnen und zu besorgen. möchte gar zu gerne alles recht äußerst sehr freundlich und schön haben, daß Muks recht vergnügt und freudig überrascht in sein neues Leben tritt. Nun, es wird schon alles werden. Hast dir wieder einen schönen Ueberrott gemacht? das ist schön, denn du weist wohl wie gerne ich die weißen Kleider habe, und eine elegante Nettigkeit liebe, und du bist ohne dieß wie ein Dokkerl! ich freu miß! Die Äußerung von Pachta war wohl Spaß, aber du hast doch ganz Recht, immer auf dergl: gefaßt zu sein, manchmal geht der Menschen Boßheit weit, und am Ende wißen Sie gar nicht eine wahrhaft treue Anhänglichkeit zu beurtheilen, und glauben das ließe sich so leicht ändern und vergeßen als wenn man einen Bedienten fortschikt. dabey fällt mir ein, daß ich meinen Ferdinand wegthun werde. der Kerl ist gar zu schlafmüzzig und ist ihm gleich alles zu vielT. habe einen andern recht netten Menschen auf dem Korn. Die arme Zarda. Ey ey. hatte sie schon den Bruder von Schmalz geheyrathet?
Nun leb wohl geliebter Schneefuß und Mukenkönigin, sey nochmals innigst
umarmt für Deinen lieben lieben Brief Gott segne + + + Dich, bleibe so, und behalte
immer treu lieb Deinen Dich gewiß unendlich liebenden treuen Carl.
Millionen Bußen.
Alles herzliche an die Mutter und Doctors und Kleinwächters pp
Apparat
Zusammenfassung
erwähnt Aufsatz über ein Oratorium von Morlacchi; beschreibt Zuschnitt der gefundenen Wohnung; Tagebuch 15.-16. März; klagt über Eingeschränktheit des Opernrepertoires durch mangelndes Personal und hinderliche Vorschriften
Incipit
„Endlich kann ich wieder ein bischen zu Muks krabbeln“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 85Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- am unteren Rand von Bl. 2v Vermerk von F. W. Jähns (Tinte): „(Hiernach fällt die Reise Weber’s nach Prag.)“, danach von anderer Hand mit Bleistift: „vgl. Biographie pag 79 u 80.“
- Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Muks, S. 362–368
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… aber beide vor diesem Hochzeitsgeständniß“Der Dreizeiler samt Überschrift und „Rollenangaben“ ist aus einer gedruckten Vorlage ausgeschnitten und auf den Brief aufgeklebt.
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„… auf dem Bade gegeben ist“Im Theater auf dem Linckeschen Bad hatte bis 1816 die Gesellschaft von Joseph Seconda Opern gegeben.
-
„… an Eduards und Pepis Namenstagen“18. bzw. 19. März.
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„… das Publ: Da Capo ruft“In der Besprechung im Sammler (Jg. 9, Nr. 42 vom 8. April 1817, S. 168) wird Caroline Brandt, die offenbar (wie bereits während ihres Engagements in Frankfurt/Main) die Papagena gab, nicht genannt. In der Benefiz-Aufführung für J. C. Grünbaum am 13. März sangen u. a. Königin der Nacht – M. Kainz, Sarastro – J. W. Kainz, Pamina – Th. Grünbaum, Tamino – J. A. Stöger, Papageno – L. Zeltner, Monostatos – J. C. Grünbaum, 3 Damen – B. Allram, K. Kainz, D. Böhler, 3 Knaben – H. Sontag, Kainz jun., Chorknabe.