Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hamburg
Kopenhagen, Sonntag, 24. bis Dienstag, 26. September 1820 (Nr. 10)

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An

Frau Caroline von Weber

Hochwohlgebohren

dermalen

zu

Hamburg

Valentinkamp

162, beim Friseur

Herrn Langschwart.

Willkomen!!! Gott grüße dich mein herzliebstes Leben! Der erste Augenblik vor Frühstük und Schlaf, gehört dem Gruß an meine Mukkin. Was gäbe ich darum wüstest du in diesem Augenblikke auch schon, wie glüklich ich hier angekommen bin; aber leider geht erst Dienstag dieser Brief ab. bis dahin will ich dir recht ausführlich die herrliche Seereise erzählen. für jezt ade. bin gar zu müde. Millionen Bußen [Kußsymbol].

Während ich ein paar Stunden geschlafen habe, ließ ich deinen lieben Brief No: 5 holen, und küße freudig die Zeilen die meine gute Pot gekrazt haben. Sie haben Gottlob deinem Wunsche gemäß einen gesunden Muks getroffen.

Mein No: 5 ist von Louisenlund über Schleßwig an dich abgegangen, und No: 6 von Kiel. das wäre ja sehr fatal wenn ein Brief sollte verlohren gegangen sein. schreib mir doch eine ordentliche Liste, von wo und unter welcher No: du sie erhalten hast. daß gar keine Briefe von Haus kommen ist doch fatal. desto lieber aber ist es mir daß das dikke Wagerl hergestellt wirdT. nun zu meiner Erzählung.      d: 22t Abends wo ich dir die paar Zeilen No. 9 zuschrieb und Ankunft des Dampfschiffes* anzeigte, war ich sehr reizbar und gerührt, deine Ängstlichkeit hatte mich auch endlich aufgeregt, und ich hatte große Noth mein Gefühl nicht auf dem Papier laut werden zu laßen, und dich dadurch in Unruhe zu versezzen.      Apel hatte mir immer versprochen etwas auf seiner Orgel vorzuspielen, es verzögerte sich aber immer, bis zum lezten Augenblike nachdem ich also vollends eingepakt hatte, giengen wir mit noch einigen Freunden in die Kirche*. ich kann dir gar nicht sagen wie feyerlich das war. die schöne gothische Kirche, mit dem Mondlicht durch die Scheiben, und die einsamen Lichter an dem Orgel Chor. die ernsten Weisen die er spielte über den Choral, befiehl du deine Wege. das alles griff so in einander, daß es mich sehr hoch spannte.      Meine guten Hausleute brachten mich dann ans Schiff, das um 10 Uhr mit einem Kanonenschuß der Stadt Lebewohl sagte, und in der herrlichsten Mondnacht, mit klarem Sternenhimmel in See gieng. Die Leuchtthürme und Ufer gewährten einen wahrhaft zauberischen Anblik*.      auch hier fand ich Bekannte und Verehrer. unter andern einen Girard, Cousin des niedlichen Mädchens aus Berlin im Alexisbade. Er kam gerade von Berlin, und erzählte mir von Lichtenstein.      Ich war immer auf dem Verdek und hielt mich tapfer. nach 12 Uhr kamen wir in die offne See, und die Wellen begannen einen etwas ernstern Tanz. ich wollte nun schlafen gehn, aber da schaukelte es so gewaltig mit mir, die Wände knarrten, und die Räder schlugen so heftig gegen das wiederstrebende Element, daß ich wieder aufs Verdek muste, und meinen Tribut, durch einiges Speiberln dem H: Neptun brachte. dann holte ich meinen Fußsak, wikkelte mich warm ein, und schlief recht gut auf dem Verdek auf einem zusamen gerollten Segel.      d: 23t sah ich die Sonne in herrlichster Pracht aufgehen und gab meiner Mukkin mit 1000 Segnungen in Gedanken gute + + + trank dann guten Fee, und legte mich da die See nach ihrer Art spiegelglatt war, ein bischen auf die Matrazze. war dann den ganzen Tag Munter und guten Appetits. frühstükte 2mal, und um 3 Uhr wurde ein | großer Tisch auf dem Verdek gedekt, und die ganze Gesellschaft speiste sehr vergnügt und gut. Das herrlichste Wetter begleitete uns, und der Wind war sehr günstig. spät Abends blies er schärfer, und der schwedischen Küste gegenüber giengen die Wellen wieder so hoch daß ich, der schon triumphirte und alles überstanden zu haben glaubte, zum 2t male mein Speiberln hervorsuchen mußte. endlich nach 12 Uhr Mitternacht liefen wir im Hafen ein, nach der schnellsten und glüklichsten Fahrt die man haben kann, indem wir die 47 Meilen in nicht vollen 26 Stunden zurük gelegt hatten. Jedes legte sich nun aufs Ohr, da der Hafen geschloßen war, und bei TagesAnbruch gieng der Spektakel los.

ich wurde sehr artig an der Zollbude behandelt, und nichts weniger als chikanirt. Heute Morgen habe ich nun alle Besuche vergeblich gemacht, weil der Sonntag alles ausfliegen machte. Den einzigen Öhlenschläger habe ich getroffen, der mich jezt um 5 Uhr wieder spazieren führen wird.      Kopenhagen ist eine herrliche Stadt, und ich gäbe was darum wenn du her fliegen und es sehen könntest. Von H: Schröder und seiner Gattin habe ich Briefe gefunden*, sage Ihnen das mit freundlichstem Danke. Der Hof ist noch nicht in der Stadt, das wird meine Geschäfte etwas auseinander treiben. Nun, an meiner Thätigkeit soll es nicht liegen.

Das ist ein schöner guter Morgen den mir die Lütken W[itti]b schikt. dein lieber No: 6 vom 21t Gott sei Dank daß du gesund bist, und auch wohl ziemlich heiter.      ich bin recht wohl. die wohlthätigen Folgen des wollnen Leibchens sind unverkennbar. mein Husten ist sehr unbedeutend, mein Zahnweh fast ganz verschwunden. Eßen kann ich nicht viel, aber doch schmett es mir gut.      Gestern rief mich Öhlenschläger vom schreiben ab, und wir giengen vors Thor, wo Seil getanzt, und eine erschrekliche Pantomime aufgeführt wurde. in lezterer habe ich doch viel gelacht, und werde dir erzählen können. dann aß ich noch bei Öhlenschl: ein Butterbrodt und schlief vortrefflich. wollte gar nicht raus um 7 Uhr, und muste doch denn jeden Augenblik erwarte ich den Wagen /: 9 Uhr :/ um nach Frederikberg zum HofMarschall zu fahren.      der guten Reichard kann ich es gar nicht genug verdanken daß Sie sich deiner so annimmt. Der Himmel vergelte es ihr mit Gesundheit. Es ist recht klug daß du aufs Land gehst, nur möge es schön Wetter sein. heute regnet es. fatal für meine Visiten. und das Fahren ist sehr theuer. so wie überhaupt alles. das Papier macht es nicht wohlfeiler wie ich glaubte sondern es wird alles verhältnißmäßig bezahlt.      Ich bin froh daß endlich der No: 5 angekommen ist, nun sind wir ja wohl in Ordnung. Dießmal bin ich dir aber einen guten Sprung voraus mit meinen Brief Nummern, und du wirst mich wohl schwerlich einholen. Am liebsten wird es mir sein, wenn ich dir schreiben kann, nun schreibe mir nicht mehr.

ade! auch mich ruft der Wagen. ade.

Das war Gestern ein harter Tag für die Männe. Die Hof Visiten wollen mir gar nicht mehr schmekken, obwohl ich über nichts klagen kann. den Abend hingegen brachte ich sehr angenehm beim Bischoff Münter zu, der leider | heute auf 14 Tage verreißt. Heute Morgen nun bekam ich gar gute Nachricht daß ich nehmlich Morgen schon bei Hofe spielen sollte. KonzertMster Schall machte aber Gegenvorstellungen weil auf Morgen ein Concert eines H: Passy aus Schweden angesezt ist der schon 4 Wochen darauf lauert. das fand ich billig. und harre nun der Dinge die da kommen sollen. ist es Donnerstag oder Freytag, so kann ich Mittwoch d: 4t 8b schon mein Concert in der Stadt geben, und komme dann sehr schnell und gut weg.      Es geht das aber, gar zu gut, und deßhalb glaube ich wird wohl noch was dazwischen kommen. Auf jeden Fall ist es doch nun gewiß daß mich der Hof hört. das ist die Hauptsache. diesen ganzen Morgen bin ich nun wieder herumgelaufen, und habe es recht satt. Wenn nur auch meine Mühe belohnt wird, und ich etwas ordentliches einnehme, dann ist es gut. Die Meisten sind noch auf dem Lande das ist fatal. Nun gehe ich freßerln, es ist 3 Uhr. guten Appetit Mukkin, freßt du auch so spät?

Nachtische ein Mehreres von deinem alten Carl. – –

So! das hat recht gut geschmett. ich habe mit Siboni ganz allein beim Restaurateur gegeßen. Auf Freytag d: 29t ist nun mein Concert bei Hofe bestimmt. Heute Abend bin ich beim Minister von Rosenkranz, Morgen früh um 9 Uhr werde ich S. Majestät vorgestellt, zugleich gehe ich zu H: Kuhlau, und der Brief muß auf die Pozt.

Auf diesen Brief kannst du mir noch hieher antworten. die nächsten aber finden mich wohl in Lübek. Gott gebe daß alles so schnell abgeht als es den Anschein hat. ich bin jezt guten Muthes, und heiter, Gestern war ich es nicht. ich bin ein verwöhntes Kind.      Noch immer keine Briefe von Haus? Es ist unbegreifflich.

Gott segne dich meine gute herzliebe Mukkin. behalt mich lieb sey brav, grüße die Alice*, und gedenke guten Muths deines alten dich unendlich liebenden Carl.
+ + +. 10000000000 Bußen.
Alles Erdenkliche an Rombergs und Mlle Reichard

Mein ConcertTag in Hamburg könnte nun vorläufig festgesezt werden zwischen d: 12t und 28t 8b die Anzeige über mich in der Hamburger Zeitung habe ich nicht gelesen*. hier ist sie aber gleich in die Dänischen Blätter übergegangen. die wiederholte Anzeige kann doch wohl erst erscheinen wenn ich da bin, oder der Tag bestimt ist*. Berathe dich darüber mit unsern Freunden.

1000mal ade.

Apparat

Zusammenfassung

über ein Vorspiel des Kantors Apel in Kiel; Abreise, Reisegesellschaft und stürmische Überfahrt nach Kopenhagen; Hof- und andere Visiten, Begegnung mit verschiedenen dänischen Persönlichkeiten, auf den 29. September ist sein Konzert angesetzt

Incipit

Willkomen!!! Gott grüße dich mein herzliebstes Leben!

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 140

    Quellenbeschreibung

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • tV: MMW II, S. 258–259

    Einzelstellenerläuterung

    • „… zuschrieb und Ankunft des Dampfschiffes“Das dänische Dampfschiff Caledonia von Kiel nach Kopenhagen.
    • „… einigen Freunden in die Kirche“St. Nikolai.
    • „… gewährten einen wahrhaft zauberischen Anblik“Zur Route vgl. den Kommentar zum Tagebucheintrag vom 23. September 1820.
    • „… Gattin habe ich Briefe gefunden“Das Hamburger Ehepaar Schröder hatte Weber offenbar Empfehlungsbriefe nach Kopenhagen nachgesandt, deren Empfang Weber im Tagebuch nicht festhielt.
    • „… brav , grüße die Alice“Webers Hündin AlicaT.
    • „… Zeitung habe ich nicht gelesen“Vermutlich meinte Caroline von Weber die Anzeige über Webers Ankunft in Hamburg in der Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Jg. 1820, Nr. 145 (9. September 1820).
    • „… oder der Tag bestimt ist“Webers Konzert in Hamburg fand am 21. Oktober 1820 statt, die Anzeigen dafür erschienen kurz zuvor.

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