Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hamburg
Kopenhagen, Donnerstag, 28. bis Samstag, 30. September 1820 (Nr. 11)

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No: 11.

Guten Morgen mein herzliebstes Leben. was machst du? bist du brav, ditt und fett, gesund? warst du denn auch immer heiter? immer heiter, nun, so so??? dieser Tage ist nun das kleine Eß 3 Monate alt geworden*, Gott helfe ihm zur Stärke daß es nicht fortläuft. ich habe auch gar keine Angst, und bin überzeugt daß dießmal alles gut geht*.

Was ich in meinem lezten Briefe vermuthete ist richtig eingetroffen, es gieng doch nehmlich gar zu schnell und gut. der hinkende Bote kam nach.      Mein Concert bei Hofe kann erst Mittwoch d: 4t 8b sein, bringe ich dann bis Sonntag d: 8t das in der Stadt zu Stande so kann ich von Glük sagen.      dann kome ich gerade zu recht um d: 14t in Lübek es zu geben, und d: 15t hopsa heida nach Hamburg zu meinem Menscherl.      So habe ich es vor der Hand ausstudirt obs aber auch dabey bleibt weis Gott.      Nun laß dir erzählen, denn Gestern konnte ich keinen Augenblik dazu kommen.      Nachdem ich d: 26 mein No: 10 abgeschikt hatte, gieng ich einen Augenblik ins Theater, wo mir Schall die schöne Nachricht gab, daß mein Concert sich um 8 Tage verschöbe. dann hieß es sich anziehen, und der Frau Ministerin von Rosenkranz den Abend seine Aufwartung machen. alles sehr artig.      Gestern d: 27t früh 9 Uhr machte ich S. Majestät dem König meine Aufwartung. ein ungemein liebenswürdiger huldvoller Mann, zu dem man augenbliklich Vertrauen und ein Herz faßen kann, so mild und freundlich.      dann giengs an andre Visiten, bis 1 Uhr wo ich nach Frederiksberg fuhr, um Ihro M: der Königin vorgestellt zu werden, welches sie selbst ausdrüklich verlangt, und einen Laufer deßhalb an mich geschikt hatte.

Gute Mukkin ich muß es dir nur gestehen, dießmal bin ich dir etwas untreu geworden, denn diese herrliche Fürstin hat ganz mein Herz genomen. Schon aus den Umgebungen, den Hofdamen und OberhofMstrin* die ich vor der Audienz sprach, kann man sehen, ob Geist zu Hause ist. und wie sehr wurde ich erst durch die Königin überrascht. Diese herzliche Güte, dieß Wohlwollen ist wirklich unbeschreiblich. Sie sezte mich Z: B: wahrhaft in Verlegenheit durch die Güte mit der sie sich wirklich dringendst entschuldigte daß mein Concert verschoben worden wäre, und wenn ich es wünsche so würden Sie es noch zu ändern suchen. da es sich aber so weit verschoben hätte hätte sie den Wunsch nicht unterdrükken können mich eher zu sehen pp Kurz, es ist unmöglich, daß eine simple Privatdame verbindlicher sprechen und sein kann! Du weißt daß ich so viel mit den Großen dieser Erde umgegangen bin, daß das verblendende Zauberlicht nicht seine Wirkung bei mir thut, also kannst du auch meinem Urtheil glauben.      Mündlich natürlich alles ausführlich.      Mittags aß ich bei Siboni der sich nicht genug über Paßys* Abtrünnigkeit wundern konnte.      dann gieng ich in das Concert des H: Klavierspieler Paßy und der Mlle: Wasilius aus Stokholm. meine Aufopferung für die armen Leute, hat ihnen schlechten Lohn gebracht, denn es war sehr leer. aber auch welch Concert. die Kapelle sehr brav. aber, — gute Mukkin — was ist doch ein Pianoforte Concert ein langweilig elend Ding. wenn ich wüste daß es bei mir auch so klänge. ich hakte mir die Finger ab, um die Leute nicht mehr zu Tode zu ennuyiren. |

Es ist recht traurig daß hier die Post nur 2 mal die Woche von Hamburg komt, und geht. du kannst mir aber auf diesen Brief auch noch hieher antworten. –

— Jezt geh ich in Bad. muß den Schmierhammel einmal waschen, und kann es hier sehr gut, da ich die Bäder im Hause habe. also ade für jezt, mein gutes Herz, Gott segne dich und das kleine Eß* + + + Millionen gute Bußen.

d: 29t Früh: Gleich nach dem Fee komt die Mukkin. Wertheste Perschon, wie geht es Ihnen? haben Sie auch so schön Wetter wie ihr Herr? das heißt es ist fast AprillWetter, bald Hagel und Regen, bald wieder Sonnenschein, aber das lezte doch meist. wahrscheinlich komt das ganz schlechte Wetter erst wenn ich reise. das wäre sehr fatal. Habe mir zwar einen Regenschirm gekauft, der mir bei den offenen Wagens gute Dienste leisten soll, aber freilich der allein kann nicht alles abhalten. Nun wir werden ja sehen.      Man wird sich Mühe geben mir einen Reise Compagnon zu verschaffen, das wäre mir sehr lieb, besonders wegen der halben Kosten. Es ist hier enorm theuer. fürs Eßen werde ich wohl nichts mehr ausgeben, denn ich bin auf alle Tage schon versagt, man ist sehr gastfrey.      Gestern nach dem Bade, /: das beiläufig gesagt herrlich eingerichtet ist, :/ war große Cour bei mir, und ich kam erst nach 1 Uhr zum anziehen, da man aber hier erst um 4 Uhr speißt, hatte ich Zeit genug noch einige Visiten zu schneiden. Dann war ich zu Mittag bey Mad: Lütke. sehr angenehm. Weiße war auch da. und nach Tische sollte das Kalvieren* los gehen. er hatte aber keine Lust, und ich war auch ditt gefreßt. da ich das lange Bitten aber nicht leiden kann, und es so zierig aussieht wenn keiner dan will, so spielte ich, und es schien den Leuten zu gefallen. dann ging ich ins Theater. Oper, Schloß Montenero. Orchester vortrefflich. Chöre recht brav. übriger Gesang fast schlecht. habe mich aber doch sehr gut mit der herrlichen Musik unterhalten. ein kleines Divertißement was darauf folgte, hieß nichts. dann ging ich in Bett. Ach wenn ich so nach Hause kome, und es ist alles so einsam, kein Mensch spricht mit mir, ich kann mich nicht mittheilen, da werde ich recht traurig, und krieg eine Sehnsucht nach der Mukkin — — Na!!      Wenn du aber nicht recht Gesund bist, liegt es wahrhaftig nicht daran, daß etwa deine Gesundheit nicht getrunken würde, täglich einmal müßten dir wenigstens deßhalb die Ohren klingen.      Heute hoffe ich nun auf einen Brief von dir. hier geht es in großen Zwischenräumen die Entfernung ist groß.

nun befehl mich Ihnen gehorsamst Frau Mukkin, derweile bis ihr Brief komt werde ich mich bampeln* und waschen. Servus.

Muß jeden Augenblik benutzen mit dem Mutterschweinchen zu babsen. 1000 Dank für deine liebe No: 7 vom 24 und 25t huj der mich ganz froh gemacht hat, obgleich [ich] eine Angst habe daß deine Unpäßlichkeit doch vielleicht nicht so vorübergehend gewesen wäre; aber gelt du machst der Männe nichts schwarz? und es war weiter nichts als Magerl? und Schiff? nun ich wills glauben. |

das war aber dum daß du so schnell wieder in Stadt giengst. konnte es denn nicht eben so schnell wieder schön werden? aber ich kenne dich schon, Du hast nirgends Ruhe als wo du dich zu Hause glaubst.      Wenn du meine Briefe lieb hast, so kannst Du auch wißen wie es mir mit deinen geht. Auch muß es ein eigen Ding sein wenn ich von dir spreche, denn die Leute haben es gleich weg, daß ich dich gar sehr lieb habe.      Es muß dich doch auch gefreut haben daß die Menschen so Theil an dir nehmen, wie du unwohl warst.

Das wollne Leibchen thut treffliche Dienste. die pp habe ich in der Dumheit so aufs Papier gemacht, denn mir fehlte weiter nichts*. und besonders jezt, bin ich wirklich recht wohl. muß es auch sein wenn ich alles Gute aushalten soll das man mir zumuthet. man reißt sich um mich, von jezt an bin ich schon alle Tage versagt, und, könnte es 3fach sein, ging es an.      Dikfellig bin ich gewiß. aber wer weiß ob nicht noch empfindlicher, nachdem ich sehe wie ich überall gekannt und geachtet bin. übrigens soll die Wulle dich nicht vom Herzel abhalten.

Du bist braver als ich, kanns aber doch nicht loben. ich kann recht gut Austern schlukken, daß ich dabei immer an dich denke ist gewiß, aber ich kann sie doch eßen.      du hattest ganz recht meine Alte, während du deinen Brief schriebst war ich schon glüklich in Kopenhagen.

Mit dem schwarzen Halstuch hast du es sehr gut gemacht. ich war schon sehr in Verlegenheit was ich ihr mitbringen sollte, und nun ist es damit abgemacht. vielleicht bringe den Mädchen ein paar Kleidchen.

Ja, Gott sei Dank. die Hälfte der TrennungsZeit ist gut vorüber. und d: 15t 8b hoffe ich gewiß dich zu sehen und an mein Herz zu drükken.

Der Lohnbediente ruft mich ab zum Freßerln, ade. ade!

Da komt das Morgenbußel. guten Morgen. [Kußsymbol]

Das hieß gestern gefreßt*. Schildkröte in Madera und Chinesischen Gewürz gekocht. u: s: w: dann ins Theater der Barbier von Sevilla, und noch zu Öhlenschläger.      Von Edmund erhielt ich Gestern auch einen Brief, wo er meint ich müßte 4–5 Tage vor dem Concert ankommen. ich antworte ihm heute, und er wird sich wundern, daß ich vielleicht erst den Tag vorher ankomen kann, und geht es damit nicht, laße ich lieber das ganze Lübeker Concert fahren, denn die Zeit vergeht zu schnell, und auf Hamburg hoffe ich etwas.

Daß Chauffpied dich besucht ist mir sehr beruhigend .      Nach Lübek darfst du nicht kommen, wo ich ohnedieß höchstens 2 Tage bleibe, und da so viel zu thun haben werde, daß ich nicht einmal deiner froh werden könnte. Wenn ich hingegen zu der Mukkin nach Hamb: komme, so gehe ich den ersten Tag gar nicht aus, und laße mich nirgends sehen, damit wir recht babsen können. Es gränzt ans Unglaubliche daß von Dresden noch keine Briefe da sind, ich bitte dich H: Moritz in meinem Namen Beine zu machen.      Mein liebes Herz, der Wagen muß doch gemacht werdenT. was hilft das Geld wenn wir TodesAngst ausstehen sollen. wer weiß was Ende 8b für Wetter ist, wie tief ausgefahren die Gleise, und dann nochmals vielleicht umgeworfen? Nein, Nein. immer machen laßen. werde es schon wieder verdienen, und will ruhig neben meiner Mukkin sizzen können, und nicht immer mit ihr das Fieber haben. Sag nur meinem guten Romberg er möge es machen laßen.

Dem Ali hast du Künste gelehrt? nun da bin ich neugierig, nimms | nicht übel, aber ich meine es wird nicht viel sein.      ob er mich noch kennt?T

Was ist das für ein dummes Gerede, ich hätte mehr zu thun, als deine langen Briefe zu lesen? wären sie nur länger, ich lese sie ja doch 10 mal.

Nun leb Er hohl. ich hab noch mancherley zu thun. An die Kapelle zu schreiben, an Edmund pp vor Abgang der Post kom ich nochmals. befehl mich gehormst!!!

um 2 Uhr      ich kann eben noch schließen mein geliebtes Herz. mit den Concerten bleibt es nun so bestimt. d: 4t bei Hofe den 8t in der Stadt, d: 9t fort, d: 14. hoffentlich in Lübek, und d: 15t oder 16t bei der Mukkin!!! Juhe!!!!

     Nun Gott segne dich + + + grüße Fritz und Alle recht herzlich von mir, bleib brav und gesund und behalte lieb deinen dich über alles in der Welt liebenden Carl.

Apparat

Zusammenfassung

über seinen Empfang und Eindruck von Friedrich VI. und dessen Gemahlin; erwähnt Besuch des Konzerts, das für die Verschiebung seines eigenen verantwortlich war, und einer Oper; übermittelt seine Konzertdaten und seine wahrscheinliche Ankunft in Lübeck und Hamburg

Incipit

Guten Morgen mein herzliebstes Leben. was machst

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 141

    Quellenbeschreibung

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • tV: MMW II, S. 261–262

Textkonstitution

  • „… der Frau Ministerin von Rosenkranz“Unterstreichung mit Blei, vermutlich nicht autograph

Einzelstellenerläuterung

  • „… Eß 3 Monate alt geworden“Es ist von dem ungeborenen Kind die Rede.
  • „… daß dießmal alles gut geht“Nach dem Tod der ersten gemeinsamen Tochter am 28. April 1819 hatte Caroline am 30. September 1819 eine Fehlgeburt erlitten. Von der erneuten Fehlgeburt infolge des Kutschenunfalls 1820 vor Bremen erfuhr Weber erst nach seiner Rückkehr nach Hamburg.
  • „… Umgebungen, den Hofdamen und OberhofMstrin“Laut Königlich-dänischer Hof- und Staats-Calender für das Jahr 1821, S. 108 gehörten dem Hofstaat der Königin u. a. das Kammerfräulein Fridericke Amalie Marie Hedewig von der Maase (die von Weber als Oberhofmeisterin Bezeichnete) sowie die Hofdamen Comtesse Marie Elisabeth Knuth, Fräulein Margaretha Oelgaard von Levetzau, Frau Kammerjunkerin Sigfride Victorine von Krogh, geb. Comtesse Knuth, sowie Fräulein Friderike von Sperling an; Oberhofmeister war Johann Ludewig von Brochenhuus.
  • „… sich nicht genug über Paßys“Hier meint Weber wohl nicht den nachfolgend genannten Pianisten Edmund Passy, sondern den Sänger Luigi Bassi, dem Siboni 1817 in Dresden in Webers Gesellschaft begegnet war; vgl. den Tagebucheintrag vom 8. August 1817.
  • „… das kleine Eß“Das ungeborene Kind ist gemeint.
  • „… nach Tische sollte das Kalvieren“Scherzhaft für Klavier spielen; Weber spielte laut Tagebuch seine Klaviersonate Nr. 2.
  • „… komt werde ich mich bampeln“Mundartlich für baumeln, schaukeln, aber auch: sich etwas anhängen; hier wohl im Sinne von ankleiden?
  • „… denn mir fehlte weiter nichts“Bezogen wohl auf Webers Brief vom 18. September 1820, in dem er von einer Fahrt durch den Regen berichtet hatte, bei der er „durch und durch, durch den Mantel, Rott pp“ nass geworden war.
  • „… Das hieß gestern gefreßt“Laut Tagebuch Mittagessen bei Gordon (ggf. Verschreibung für Gerson).

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