Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Dresden, Sonntag, 11. Februar 1821
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Mein hochverehrter theurer Freund!
Die innigsten herzlichsten Wünsche für Ihr Wohl, die immer in mir für Sie leben, sollen d: 12t Februar* in Briefes Gestalt in Ihre Stube treten, und Kunde bringen von Ihrem alten treuen Freunde.
Nicht bald ist mir etwas so schwer geworden als das, auf meiner Rükreise Leipzig durch – oder vielmehr vorbey, eilen zu müßen ohne Sie umarmen zu können*. ich hätte Ihnen da auch ein erheitertes Gemüth zeigen können, denn es ist mir auf meiner Reise wohl gegangen, fast über die Gebühr, oder was noch mehr sagen will fast über gehegte Wünsche hinaus; und daran muß ich mich recht oft errinnern. Damit ich nicht vergeße daß Licht und Schatten sein muß. Nun, zum Geburtstagsgratuliren muß man keine Klagelieder anstimmen, und ich unterdrükke sie, obgleich mir jezt sonst keine Melodie geläufig ist, um meinem Freunde nicht seinen Ehrentag zu trüben, denn ich weis ja, daß er in treuer Theilnahme nicht ohne eigne Verstimmung die meinige sehen würde, darum schon zu viel davon, und hiemit – Punktum.
Ich habe das seltne Glük gehabt, daß, so weit es die Gegend erlaubte, ich NaturGenuß auf der Reise der schönen Jahreszeit verdankte, ohne deßhalb es schmerzlich im Geldbeutel zu fühlen. In meinen Concerten war oft eine Hizze, daß ich gewiß selbst nicht hineingegangen wäre, hätte ich nicht gemußt. Die Freundlichkeit mit der die Künstler selbst, alles vorbereiteten, und halfen, war mir besonders werth, und aus der Theilnahme die ich selbst an meinen ernstesten Arbeiten durchgehends fand, erwuchs für mich das unendlich wohlthuende Gefühl, daß doch wahrlich ein wahrhaftes Streben zum Guten nicht verkannt untergeht; und daß es, wenn auch nicht mit Rauschgolde einherfahrend, doch im Stillen desto fester Wurzel schlägt, und gehegt wird. |
Von ausübenden Künstlern war mir Weiße in Kopenhagen am merkwürdigsten. Ein wahrhaft genialer Mensch. Dem nichts fehlt als daß er seinen beschränkten Horizont verlaße, und sich im Weltgetümel die Vielseitigkeit herausarbeiten laße die in ihm liegt. Wir sind rechte Freunde geworden, so weit man das in so kurzer Zeit werden kann. ich achte ihn sehr hoch. Kuhlau ist nicht mehr zu hören. Er ist so einsylbig, bequem, und denkt, – da er weit weg wohnt, nur immer sehr eifrig daran bald wieder nach Hause zu komen, daß man ihn gar nicht warm kriegen kann*.
Von weniger bekannten, als sie es zu sein verdienten, ist mir Dr: GriepenKerl in Braunschweig werth geworden. Solch warmes Gefühl für Wahrheit, und klare Einsicht ins innere der Kunst, habe ich selten gefunden*. Das gehört denn auch zu den höhern Freuden, zu finden daß überall die Beßeren und Denker, in eben der Weise fühlen und denken, als man es selbst thut. Diese unsichtbare Kirche der Wahrheit, verknüpft und verbindet zu Brüdern die fernsten Seelen.
Auch ungetrübter Gesundheit genoß ich, und auch meine gute Lina bis Hamburg. Zwischen Hanover und Bremen wurden wir umgeworfen*, die Ärzte bestanden darauf daß ich Vorsichtshalber meine Frau in Hamburg laßen sollte, weil die Seereise ihr schädlich werden könne. Das schmerzliche dieser ersten Trennung in fremder Stadt, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu beschreiben. und, – während ich in Koppenhagen meine Geschäfte beeilte, geschah doch das Ärgste, meine Frau hatte abermals eine zu frühe Niederkunft, ließ mich aber davon nichts merken, und hatte sich auch schon wieder recht erholt als ich zurükkam. Die Hamburger hatten sich herrlich gegen sie benommen. besonders, Rombergs, die Reichardt pp
Clasing habe ich recht lieb gewonnen, und mich auch an seinen neuesten KlavierKompositionen erfreut. sie sind so besonnen gedacht und im wahren Redefluß geschrieben, daß es einem | wohl thut, in dieser Zeit der Ausschweifungen und des Gesaalbaders. im May soll nun endlich der Freischütz in Berlin gegeben werden. Mitte Aprill gehe ich dahin ab. Im Sommer werde ich meine Lina nach dem Alexisbade bringen, wo es mir gar wohl gefallen hat*. Da hoffe ich Sie auch wieder umarmen zu können.
Ende März verliehren wir Gerstäkker ! – – – Man will durchaus jezt eine von meinen Opern hier sehen. – hoffentlich wird die deutsche Oper bald aufgelößt*. –
Nun mein theurer lieber Freund habe ich Ihnen viel vorgeplaudert. Mit treuer Innigkeit wiederhole
ich mit meiner Lina die besten Wünsche
für Ihr Wohl, Gott schenke Ihnen Gesundheit und Frohsinn und behalten Sie ein bischen
lieb
Ihren
Weber
Dresden d: 11 Febr: 1821.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über seine Konzertreise 1820 durch Mittel- und Norddeutschland nach Kopenhagen und Bekanntschaften mit verschiedenen Künstlern und von der Fehlgeburt seiner Frau Caroline in Hamburg; teilt mit, dass der Freischütz im Mai in Berlin uraufgeführt werden solle, er beabsichtige, Mitte April hinzureisen
Incipit
„Die innigsten herzlichsten Wünsche für Ihr Wohl“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Stockholm (S), Stiftelsen Musikkulturens främjande (S-Smf), Nydahl Collection
Signatur: C M Weber Letter 6262Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Papiersiegelrest
- PSt: „DRESDEN | 12. Feb 21“
Provenienz
- Henrici Kat. 134 (12. Juni 1928), Nr. 296
- Stargardt Kat. o. Nr. 5.-10. Febr. 1906 (Slg. A. Meyer-Cohn), Nr. 3210
- List & Francke, 26. Nov. 1888, Nr. 2265 (ohne genaues Datum)
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… sollen d: 12 t Februar“Rochlitz’ Geburtstag.
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„… gar nicht warm kriegen kann“Im Tagebuch notierte Weber 1820 keine Begegnung mit F. Kuhlau.
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„… Kunst, habe ich selten gefunden“Im Tagebuch notierte Weber 1820 keine Begegnung mit F. K. Griepenkerl.