Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Freitag, 10. Oktober und Sonnabend, 11. Oktober 1823 (Nr. 12)

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An die Hochwohlgebohrne

Freyfrau, Carolina von Weber

zu

Dresden

So eben komme ich aus dem Mahomet von Rossini der wie gewöhnlich viel Schönes und noch mehr schlechtes enthält, recht brav gesungen wurde besonders von Forti und der Grünbaum*, und nun muß ich noch ein bißel zu der Alten in Ett gehen, und ihr klagen daß ich einen recht fatalen Tag verlebt habe.      Gestern Nachmittag war ich recht vergnügt, aber schon Abends in der LudlamT sagte mir Castelli, daß die Chezy bei ihm schreklich über mich lamentirt habe, und ich noch mancherley werde von ihr auszustehen haben.      Fictum dactum*, heute früh 9 Uhr, wo ich mich eben recht hingesezt hatte, an der Overture zu arbeiten da ich wegen dem Mahomet keine Probe hatte, kömt so ein lieblicher Wisch alla Hosterwitz*, wo sie nur = 600 rh: sage Sechshundert Thaler noch von mir verlangt, sonst würde Sie überall, Wien ausgenommen, gegen die Aufführung protestiren*.      ich schrieb ihr ganz ruhig wieder, daß ich mein Versprechen halten würde, bei jeder Direktion ein Honorar für Sie mit zu bedingen, daß das aber immer Versuch bliebe pp sehr ruhig und artig. ließ auch diesen Brief Hofrath von Mosel der eben zu mir kam, und mehrere andere Geschäftsleute lesen, die sie sämtlich für toll erklärten, und meinten dieß wäre eigentlich gar keiner Antwort werth, ich wollte aber wie immer, bis auf den lezten Augenblik Milde und Festigkeit versuchen, um mir nichts vorzuwerfen zu haben. darauf kam ein neuer Wisch mit Lächerlichkeiten gefüllt, wo sie die Hülfe der Gesezze anrufen wolle, wenn ich mich nicht bis Morgen früh um 7 Uhr zu obiger Summe, oder wenigstens der Garantie verstünde. Diesen ließ ich nun unbeantwortet, und bin fest entschloßen, mir nun diese fatale Person vom Halse zu schaffen, indem ich sie den gerichtlichen Weg gehen laße, der sie Mores lehren, und mir Ruhe bringen wird.

Du siehst meine gute Mukkin, daß ich Dir nichts Unangenehmes verschweige, und ich, obwohl ich mit Recht fürchte daß du dich sehr ärgern wirst, doch Freud und Leid mit dir theilen muß. du siehst mein Stern meldet sich, aber desto fester darf ich auch hoffen daß er sich wie sonst, auch mit dem guten Ausgang bewähren wird. H. Unzelmann ist angekommen*, und zieht natürlich auch über mich los. ich mache mir aber aus beiden lieben Leuten nichts, sie haben mir allerdings den heutigen Tag verdorben, aber weiter gewiß keinen. ich werde diesen | Brief nicht eher abschikken, als bis ich Dir etwas tröstlicheres oder wenigstens Bestimmtes melden kann, denn Morgen wird der Tanz wieder los gehen.

So nun habe ich dir auch einmal vorgejammert, und nun gehe ich in Bett, gebe dir und Maxi gute + + + und wünsche Euch den besten Schlaf, und freundliche Träume von Eurem treuen Vater und Herren. Gute! gute Nacht.!!!

d: 11t Abends.

Heute früh war mein erster Gedanke nächst Gott, wie immer du und Max, und siehe da um 8 Uhr überraschte mich dein lieber No: 7 vom 5 und 6t der mir meine ganze gute Laune wieder gab. um 10 Uhr ging ich in die ChorProbe, wo ich viele Freude erlebte. Die Direktion ist ganz verwundert Dinge zu erleben, die nie da waren, Z: B: daß die Choristen statt bald wieder wegzulaufen, selbst um Wiederholungen, und Verlängerung der Probe bitten.      Von 11 Uhr bis ½ 2 Uhr hatte ich Probe bei mir. H. v. Biedenfeldt kam als Gesandter der Chezy, ob ich ihr denn gar nichts zu sagen hätte. Worauf ich, Nein, antwortete, indem Ihre Anmaßungen und Betragen zu toll wäre, zu einer ruhigen gemäßigten Unterhaltung in Gegenwart von Zeugen wär ich immer erbötig, obwohl ich auch nicht wiße was sie für Resultat geben solle.      Darauf ging ich zu Tische bei Rosenbaum, wo ich einen sehr angenehmen Mittag verlebte, dann mit ihm in seinen Garten fuhr, wo die herrlichste Aussicht über Wien ist*, und jezt zurük eilte um meinen Brief zu expediren.      Hier meine gute Mukkin einige Rosenblätter die ich küße. möchte ich dir doch dein ganzes Leben rosig erscheinen laßen können.      Ich bitte Dich nur ums Himmels willen nimm dir nicht etwa die Chezy Geschichte zu Herzen, es wird sich alles aufs beste wieder ausgleichen, und am Ende scheue ich ein Opfer nicht um ewig Ruhe zu haben.

Ueber die Härings Geschichte habe [ich] recht gelacht.

Was soll ich wohl Hedenus mitbringen?

Dir also Nichts? Ey, Ey, wie demüthig. Der Ueberrok muß aber schön sein. | Der gute Roth! ja, das ist ein treuer Freund.

Ueberfüttere mir nur die Mäzze nicht, wenn er solchen Appetit hat.      Nun muß ich den Brief schließen sonst komt er nicht mehr zur Post. Gott segne Euch Ihr Ewiggeliebten + + +.      Ärgere dich ja nicht, hörst du, oder ängstige Dich etwa wegen mir, ich bin Gesund, und da kann man ganz andere Puffe vertragen als in Hosterwitz nach dem Marienbrunnen.      Morgen ein Weiteres. heute nochmals die besten Küße von deinem Carl.
[Kußsymbol]

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über die Vorstellung des Mahomet, einen Abend in der Ludlamshöhle, Begegnung mit der Chézy, die anschließend schriftlich 600 Taler für das Textbuch verlangt; 11.10.: über die gute Chorprobe zu seiner Oper u. den Besuch eines „Gesandten“ der Chézy; ist zuversichtlich im Hinblick auf den Ausgang der Chézy-Auseinandersetzung

Incipit

So eben komme ich aus dem Mahomet

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 168

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelspur und -loch
    • PSt: WIEN
    • Randmarkierung (Blei) von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 39–41
    • Worbs 1982, S. 111–113

    Einzelstellenerläuterung

    • „… von Forti und der Grünbaum“Das Werk erlebte an diesem Abend in der Hofoper (Kärntnertortheater) seine achte und letzte Vorstellung; Forti gab den Paolo Erizzo, Th. Grünbaum die Anna, daneben waren besetzt: MahometSieber, CalboUnger, CondulmieroRauscher, SelimRöckel.
    • „… ihr auszustehen haben. Fictum dactum“Scherz statt Dictum factum.
    • „… ein lieblicher Wisch alla Hosterwitz“Gemeint ist der Brief von H. von Chézy vom 31. Mai 1823.
    • „… ausgenommen, gegen die Aufführung protestiren“Zu den Honorarauseinandersetzungen vgl. ausführlich Waidelich in Weberiana 18, speziell S. 52ff und ThemenkommentarT.
    • „… wird. H. Unzelmann ist angekommen“Die Wiener Zeitung Nr. 235 vom 11. Oktober 1823 (S. 952) meldet unter den am 9. Oktober Angereisten: „Hr. Carl Unzelmann, königl. sächsischer Hof-Schauspieler, (St.[adt] Nr. 942).“ Das Ehepaar hatte in Dresden eine größere Schuldensumme angehäuft und suchte nun in Wien eine neue Anstellung.
    • „… herrlichste Aussicht über Wien ist“Webers Besuch in der Stadtwohnung der Rosenbaums (Nr. 337, Ledererhof) sowie den gemeinsamen Ausflug in deren parkähnlichen Garten (Schaumburgergrund, Nr. 27 und 28) erwähnt auch Rosenbaum in seinem Tagebuch. Demnach waren neben Neumann (fraglich, ob die Schauspielerin Emilie Neumann oder der Tenor Anton Neumann) auch Joseph Axt, Gottlieb Wohlfarth und der pensionierte Schauspieler Franz Carl Weidmann Gäste der Mittagstafel, während Webers Ausflug in den Garten neben dem Ehepaar Rosenbaum noch Betty Vio begleitete; vgl. Weber-Studien, Bd. 8 (S. 478–484).

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