Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Mittwoch, 29. Oktober und Samstag, 1. November 1823 (Nr. 20)

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Heute also war die 3t Vorstellung der Euryanthe. Meine gute Weibe wo soll ich Worte hernehmen Dir diese Raserey des Beifalls zu schildern. ich glaubte nicht daß das noch steigen könnte. Aber jezt fangen sie an die Feinheiten alle herauszufühlen. Manche Musikstükke sind ein Lauffeuer von Bravos und aller Arten des Beifalls.      Mein Empfang wie ich nur den Kopf ins Orchester stekte, war wieder das Glänzendste von der Welt. Nach der Ouverture, nach jeder Strophe der Introduktion, jedem Vers der Romanze*, u: s: w: die beiden Frauen nach dem Duett* herausgerufen. Nach dem 1t Akt ich wieder. im 2t Akt wieder Forti und die Grünbaum* nach dem Akt, ich wieder. im 3t die Sonntag*, und am Ende ich, wo ich in der Mitte des ganzen Personals erschien und diesem und dem Orchester meinen Dank ausdrükte, dann die Sonntag allein gerufen, dann mich nochmals, mit Sturmes Gejauchz.      Solche Ehre ist nie noch hier einem Komponisten wiederfahren. Wenn man in 3 Vorstellungen 11 mal heraus gerufen wird, kann man wirklich fast zufrieden sein? Was meint Sie? Frau Nimmersatt, wenn es meinen Ruhm gilt.

So! nun habe ich referirt, nun gehe ich in Bett. Der Kaiser ist heute angekommen. Morgen früh gehe ich zum Fürst Trautmannsdorf, wegen der Audienz, der Himmel gebe, daß sie gleich bestimmt wird, dann fahr ich schnellstens ab.

     Gott segne Euch. + + + Es geht frohen Muthes in Bett, Dein Ruhm beladener Carl. Gute gute Nacht.

d: 1t 9b früh.      Nun mein Hauptgeschäft vorbei ist, komme ich noch weniger zum Schreiben als vorher. Man läßt immer alles auf die lezt. so manche Einladung die ich ablehnte, muß ich jezt annehmen; alles bestrebt sich, mir noch freundliches zu erweisen. Vorgestern Früh, fuhr ich zum Fürst Trautmannsd: Er war erstaunt artig, machte mir aber einen schönen Schrek, indem er mir sagte der | Kaiser wolle Niemand vor Freytag über 8 Tage sehen. ich stellte ihm die Beschränkung meines Urlaubes vor, und er versprach mir endlich mit S: Majestät darüber zu sprechen.      das verdarb mir den ganzen Tag. Mittag war ich mit Kostenobels bei Grünbaums*, wo deine und Mäzzens Gesundheit getrunken wurde.      Abends war Quartett bei Haßlinger, wo Moscheles und Mayseder vortrefflich spielten*.      Gestern. d: 31t, gieng ich wieder zum Fürsten, und erhielt die frohe Nachricht daß ich schon heute S: Majestät mir eine Privat Audienz bewilliget hätten, voll Freuden gieng ich nun an meine Anstalten zur Abreise. brachte meine Honorar Angelegenheit in Ordnung*.      um 12 Uhr gab Schuppanzigh treffliche Quartetten*.      Dann aß ich mit einer Gesellschaft Künstler*. gieng dann nach meinem Wagen, der aber noch nicht fertig ist. dieß und der heutige Feyertag* verzögern meine Abreise um ein paar TageT.      So viel kann ich dir aber sagen daß ich heute über acht Tage mit Gottes Hülfe, in Prag die 50t Vorstellung des Freyschützen zu dirigiren hoffe.      Wie weit es von da noch nach Dresden ist, weiß die Mukkin ja.      Die Ungeduld peitscht mich wie einen Kreisel. aber es hilft zu nichts, die Entfernungen sind so groß, und ich muß mich doch ein bißel schonen, weil die rauhe Luft mich wieder etwas husten macht. es ist aber nicht arg, und ich bin übrigens kerngesund. besonders der H: v. Magerl ist braver als jemals.      Gestern Abend war ich bei Vogels zum Souppeè. recht angenehm mit dem General Baudirektor v. Reichenbach aus München, und Jettel Sonntag.      um ½ 11 Uhr gehe ich also zum Kaiser, und werde dir dann gleich referiren. Heute Abend ist wieder Euryanthe. Die ich ruhig mit ansehen werde.      Hier schikke ich dir ein schönes Gedicht von Halirsch. 3 andre bring ich noch mit, die zu viel Porto kosten würden. also ade derweile. baldiges Wiedersehen!. schönes Wort!

Nun das wäre auch abgethan. Wie human und liebenswürdig einfach ist dieser große Monarch.      Er nahm die Dedication meiner Euryanthe freundlichst an, und sagte mir viel schmeichelhaftes*.      Alles das mündlich ausführlich. ich lege dir hier ein paar Zeilen an Marschner bei, lies sie, und schikke sie ihm dann versiegelt zu. das wäre ein guter Anfang für ihn. Die Sache mit Unzelmann ist also in Ordnung und er bleibt hier.      Heute Mittag esse ich bei Piquots. mit Sehnsucht erwarte ich einen Brief von dir, aber noch ist nichts da. das Herz hüpft mir im Leibe wenn ich bedenke daß ich schon die Tage zählen kann, wo ich dich wieder umarme, und meinen guten Mäzze auf den Knieen habe.

Gott segne Euch. +++ alles Erdenkliche an die Freunde. Ewig dein dich über alles liebender treuer Brumbär
Carl.

Ich gratulire auch schönstens zum Namenstag. [im Kußsymbol:] 10000 gute Bußen

Auf diesen Brief kannst du mir auch nicht einmal mehr nach Prag antworten.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über 3. Aufführung der Euryanthe; will wegen Audienz bei Trautmannsdorff vorsprechen; 1. November: über Probleme wegen der Audienz und Visiten; hofft in Prag die 50. Freischütz-Aufführung dirigieren zu können; Nachtrag im Anschluss an die Audienz bei Franz I.

Incipit

Heute also war die 3t Vorstellung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 175

    Quellenbeschreibung

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 64–66

Textkonstitution

  • „ich“durchgestrichen
  • „… besonders der H: v. Magerl“von unbekannter Hand darunter (als Erläuterung): Magen
  • „schönes“dreifach unterstrichen
  • sie„es“ überschrieben mit „sie
  • „… im Kußsymbol: 10000 gute Bußen“Zusatz am oberen Rand der Versoseite in umgekehrter Schriftrichtung
  • mir„nicht“ überschrieben mit „mir
  • „… mehr nach Prag antworten .“weiterer Zusatz am linken Rand der Versoseite

Einzelstellenerläuterung

  • „… Introduktion, jedem Vers der Romanze“Nr. 2.
  • „… beiden Frauen nach dem Duett“Nr. 7.
  • „… wieder Forti und die Grünbaum“Laut Tagebuch nach dem Duett Nr. 11.
  • „… im 3 t die Sonntag“Laut Tagebuch nach der Arie Nr. 20.
  • „… ich mit Kostenobels bei Grünbaums“Vgl. dazu auch Costenobles Tagebuchnotizen in Weber-Studien, Bd. 8, S. 504f.
  • „… Moscheles und Mayseder vortrefflich spielten“Weitere Hinweise dazu im Tagebuch.
  • „… meine Honorar Angelegenheit in Ordnung“Vgl. dazu das Tagebuch und den Quittungsentwurf.
  • „… Uhr gab Schuppanzigh treffliche Quartetten“Nachweis der Komponisten der gespielten Kammermusikwerke im Tagebuch.
  • „… ich mit einer Gesellschaft Künstler“Laut Tagebuch im Gasthaus Zum braunen Hirschen.
  • „… dieß und der heutige Feyertag“Allerheiligen.
  • „… und sagte mir viel schmeichelhaftes“Vgl. dazu auch das Tagebuch.

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