Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Montag, 12. Juli 1824 (Folge 2, Nr. 3)
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Einen schönen guten Morgen ruffe ich meinen Lieben, endlich aus dem Marienbade zu. schön ist er eben nicht, aber gut gemeint gewiß. Vorgestern war eine entsezliche Hizze in Karlsbad. Nachtische ein tüchtiges Gewitter, und darauf gestern wieder förmliche Kälte. doch war ich froh darüber, denn in großer Hizze wäre der über alle Begriffe schändliche Weg den ich gefahren bin, gar nicht auszuhalten gewesen. trefflicher Kutscher und Pferde halfen aber glüklich durch. dabei habe ich immer an die Mukkin gedacht, daß die vor Angst gewiß krank geworden wäre. zu Mittag waren wir auf einem so elenden Dorfe, daß ich mit Noth ein paar weiche Eyer und Brod bekam. Endlich von früh 1/2 6 bis Abends 6 Uhr ausgestandenen Leiden, erfolgten nicht gerade die himmlischen Freuden, aber doch das Marienbad. ich war wieder so melancholisch geworden, daß es mir gar nicht gefiel. ganz schlechte Gegend. lauter Fichtenwald. Einige recht schöne Häuser, aber noch mehr Bauplätze; angefangene Anlagen, elende Buden, kurz alles im Entstehen. Ich gieng gleich auf die Post. da war nichts da. von dir konnt ich es kaum erwarten, aber auf einen Lichtensteinschen Brief rechnete ich. aber Niz! dann schlenderte ich so recht langweilig herum, gab einen Brief an den Dr: Scheu ab. und war froh keine Bekannten zu treffen. Der Hunger trieb mich endlich um 8 Uhr an den WirthsTisch, und da fand ich ein sehr gutes Supperl, überhaupt treffliches Eßen, und auch den Dr: Körte aus Halberstadt. der prieß mir so die Wunder des Brunnen, wie man einen ganz neuen Menschen anzöge, und troz des traurigen Ortes ganz heiter und lustig würde, daß ich mich recht darauf freue, auch einmal einen neuen Menschen anzuprobiren, und wenn er mich gut kleidet, ihn dir mit Freuden zu präsentiren. Heute darf ich noch nicht anfangen. Habe auch genug zu thun bis ich ein bißel in Ordnung komme. Sizze in einem ganz kleinen Zimmerchen im 1t Stok vorn heraus mit einem Fenster. aber die Aussicht so schön als nur hier möglich ist. will daher auch gleich in diesem schwarzen Adler bleiben, da ich sehr freundliche und gefällige Wirthsleute habe. Was ich zu bezahlen habe weiß ich noch nicht. Es soll aber hier alles eben so wohlfeil als in Karlsbad theuer sein. das leztere habe ich in dem einen Tag und 2 Nächten verspürt. Wobei ich mich aber wenigstens recht gut unterhalten habe. ich fand so viele Bekannte von allen Orten besonders aus München, Baron Priuly, Reichenbach der mit mir zugleich in Wien gewesen war pp Belli. Könneritz. Niemetz pp Abends war ich im Theater. ein Quodlibet zum Benefiz des | Illenberger!! wie schade ist es um diesen Menschen. Er singt wahrlich noch immer recht angenehm, mit den wenigen Tönen die ihm seine Lebensweise gelaßen hat.
Jezt will ich mich an den Riter Sp: Brief machen, damit ich alles Fatale hinter mir habe, ehe ich meinen Kreuzbrunnen anfange. also ade derweile meine inniggeliebte Weibe, und gute Mäzze.
um 1/2 3 Uhr.
Bin geschwind von Tische weggelaufen, weil der Brief um 3 Uhr auf der Post sein muß. mit dem Sp: bin ich noch nicht fertig, weil ich gestört wurde durch den Arzt. Morgen schikke ich ihn an Roth. a prospos, ich habe meinen Adler nicht seinem wahren Karakter gemäß titulirt, er ist nicht schwarz, sondern golden. Uebrigens weiß man jezt schon auf der Post wo ich zu finden bin. Gott gebe mir bald gute Nachricht von Eurer Gesundheit, was dein Bukkel, und Maxens Zähnchen machen.
Grüße alle bestens. Gott segne Euch + + +. Millionen gute Bußen von deinem dich über alles liebenden Carl.
Apparat
Zusammenfassung
ist bei schlechtem Wetter gut angekommen; über Marienbad, Langeweile, erste Begegnungen, u.a. mit Dr. Körte aus Halberstadt, der die Wunder der Brunnen nachdrücklich pries; Bericht über Karlsbad: Treffen mit Bekannten und abendlicher Theaterbesuch (Quodlibet zum Benefiz von Illenberger); will noch an Spontini schreiben; b) um 1/2 3 Uhr: hat den Brief an Sp. noch nicht fertig, will ihn aber morgen an Roth schicken
Incipit
„Einen schönen guten Morgen ruffe ich meinen Lieben“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A a 3, 16Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
- vom ursprünglichen DBL. Bl. 2 (Adr. Seite) bis auf 2 cm Rand abgeschnitten.
- Echtheitsbestätigung am unteren Rand der Versoseite von Jähns: „Carl Maria von Weber an seine Gattin; eigenhändig.“
Provenienz
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403