Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Freitag, 22. bis Samstag, 23. Februar 1822 (Nr. 5)

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Guten Morgen meine theure, über alles geliebte Lina. Gestern bin ich gar nicht dazu gekommen mit dir zu pabsen. Der Andrang der Menschen ist zu groß, und ich gehe wie ein Fangball von einer Hand in die andre. Indeßen ist es doch recht schön, und ein eigenes Gefühl, zu sehen und zu wißen daß man seiner ganzen Zeit einen Stoß oder eine Richtung gegeben hat, die sich Niemand bei dem herrschenden Geschmak erwarten konnte. Du kannst dir wirklich keinen Begriff von der Verehrung und Liebe machen mit der mir alles entgegen komt.       Vorgestern, nach dem der Vormittag wie gewöhnlich mit Visiten geben und nehmen vergangen war, aß ich bei Duport. da war ein schönes Instrument, ich war gut gelaunt, spielte, und da wollten die Leute etwas weniges aus der Haut fahren*.      Abends waren Quartetten bei Romberg*. die guten Menschen laßen dich 1000mal grüßen, und hatten eine unendliche Freude mich zu sehen. da waren dann alle ersten beisammen, und alle stürmten auf mich ein, Konzert zu gebenT. Wenn ich mir es recht überlege ist es Tollheit wenn ich diesen günstigen Zeitpunkt ungenuzt vorüber gehen laße, und ein paar 1000 f sind auch zu brauchen. freilich könnte mich das 6–8 Tage länger hier aufhalten, aber ich bin überzeugt die Mukkin räth selbst dazu. ich sträubte mich sehr, sagte ich sei zu faul pp da bot sich gleich jeder an alles zu besorgen ich sollte nichts thun als spielen, und Geld nehmen. Das wird nun beides mir nicht sauer werden; aber, – um so viel länger die Mukkin nicht sehen, und zu Hause werden sie auch den Freyschützen geben wollen – – ich kann mich zu gar nichts entschließen. –

Gestern wieder Visiten pp Biedenfeldt u: s. w: Mittag bei meinen Hausleuten. da wurde deine Gesundheit aus vollem Herzen getrunken. ich bin wirklich recht glüklich bei Schwarzens zu wohnen. die Leute haben so viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit, ich werde gehätschelt wie ein Kind, und er besorgt mir alles. überhaupt – es geht mir sehr gut hier. diese enthusiastische Verehrung die mit so viel inniger Gutmüthigkeit verbunden ist, findet man wohl außer Wien nirgends, und wenn die Mukkin da wäre, hätte ich nichts mehr zu wünschen.      Noch sind es keine 14 Tage, schon dünkt es mich eine Ewigkeit – Geduld. Wenn nur meine Lina brav ist. der lezte Brief war lieb und gut, aber – wer weis ob wahr ist? – Heute eße ich bei Grünbaums und jezt muß ich zum Prinz Friedrich. also ade derweilen. Gott erhalte dich nur gesund und heiter + + +. Alle Abend und Morgen gebe ich ich allen guten + + +, ach, und bin ja immer mit allen Gedanken bei dir, mein geliebtes Leben.

....! [Kusssymbol]

Das weiß ich nicht was das mit den Briefen ist. Gestern hoffte ich wieder auf einen von dir, und wieder nichts. jezt wird er wahrscheinlich heute komen wenn ich nicht mehr zu Hause bin, und ich muß ihn unbeantwortet abgehen laßen, da ich von 10 Uhr an nicht wieder nach Hause kommen kann.       Wie ich gestern früh zu Cerini kam, wollte | er eben an mich schreiben, ich mußte mit ihm zum Prinzen, der auf den Abend weil kein Theater war, alle Erzherzoge zu sich geladen hatte, die mich hören sollten. ich fuhr also gleich zu einem Instrumentenmacher*, und suchte ein Pianof: aus, pp dann Mittag mit Rombergs bei Grünbaums. sehr vergnügt. der alte Müller läßt dich schönstens grüßen, deine und Mariechens* Gesundheit wurde getrunken pp und überhaupt viel der Mukkin gedacht.      dann nach Hause mich umgezogen, und um 1/2 7 Uhr zu Prinz Friedrich. da mußte ich denn viel spielen*. und man schien zufrieden. der Kronprinz von Oestreich und sein jüngerer Bruder, dann der neapolitanische Prinz der eine Tochter des Kaisers hat pp waren da. besonders erfreute mich aber den Erzherzog Carl und seine ungemein liebe Gemahlin zu sehen, die ich als Kind schon in Naßau Weilburg gekannt hatte*.       Von da gings wieder nach Hause, und Tiefel angezogen, in den Matschakker Hof. wo eine Gesellschaft von Künstlern mich erwartete deren Präsident Mozart ist. er grüßt dich 1000 mal. um 11 Uhr empfahl ich mich aber schon, denn ich war müde, und muß überhaupt bedenken, daß die Mukkin befohlen hat, ich soll mich recht schonen.      Jezt will ich frühstükken. was wohl eben auch meine gute Lina thun wird, mit Ali und SchnuffT. Mad Alice mag schön dikk sein, ich möchte ihn wohl sehen wie er quapelt*.

Gottlob eben noch erhalte ich deinen lieben No: 3. Die Attestate* wollen mir nicht recht gefallen. auch habe ich einige Schloßhunde* laufen sehen. jezt muß dieser Brief schnell auf die Post. heute nach dem Theater, ein mehreres. sei nicht böse, daß auch dieser Brief nicht länger ist, aber du hast keine Idee wie ich bestürmt werde. Gesund bin ich, und heiter. nur Sorge um dich, und Sehnsucht beengt mich. Gott segne dich + + +. grüße alle bestens.     

Ewig dein dich über alles liebender Carl. Millionen Bußen.

Apparat

Überlieferung

  • Textzeuge: Kopenhagen (DK), Det Kongelige Bibliotek (DK-Kk)
    Signatur: in NKS 1299 g (Andersen Album)

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S.)
    • urspr. 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.), Adressenseite abgeschnitten
    • auf der verso-Seite Widmung von Max Maria von Weber an Hans Christian Andersen: „Seinem verehrten freunde dem großen Dichter Andersen von M. M. von Weber | 12 Aug. 1858“

    Provenienz

Textkonstitution

  • „… gekommen mit dir zu pabsen“von fremder Hand gestrichen und darüber ersetzt durch „plaudern“
  • „nehmen“unsichere Lesung
  • „ich“durchgestrichen
  • „....“durchgestrichen
  • „abgehen“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… weniges aus der Haut fahren“Weber spielte laut Tagebuch u. a. sein Rondo brillant.
  • „… Abends waren Quartetten bei Romberg“Laut Tagebuch unter Beteiligung der Klarinettistin C. Schleicher.
  • „… also gleich zu einem Instrumentenmacher“Laut Tagebuch Conrad Graf.
  • „… schönstens grüßen, deine und Mariechens“Caroline von Weber war mit Max Maria von Weber schwanger.
  • „… mußte ich denn viel spielen“Vgl. dazu Webers Tagebuchnotizen.
  • „… in Naßau Weilburg gekannt hatte“Zu einem Besuch Webers in Weilburg in seiner Kindheit gibt es sonst keinerlei Hinweise.
  • „… wohl sehen wie er quapelt“Quabbeln bedeutet: sich als quabbelige (d. h. schwammig wackelnde, weiche und feiste) Masse hin und herbewegen, bezogen wohl auf das angeschwollene Gesäuge der Hündin infolge ihres Wurfs.
  • „… lieben No: 3. Die Attestate“Wohl beruhigende Äußerungen zum Befinden der hochschwangeren Caroline von Weber.
  • „… auch habe ich einige Schloßhunde“Gemeint sind Tränen seiner Frau.

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