Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Znaim, Samstag, 16. Februar bis Wien, Mittwoch, 20. Februar 1822 (Nr. 4)

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Einen schönen guten Abend, herzliebste Mukkin. Wie geht es dir wohl? bist du brav und gesund? Gott gebe beides. Mir ist auf einmal recht Angst geworden daß das lange an der Thüre stehn, wie ich wegfuhr, dir könnte geschadet haben, und wenn ich deinen Brief lese, will er mir immer nicht gefallen, ich weiß nicht warum. ich bin recht in Sorgen, bis ich in Wien einen von dir gefunden habe, und das wird wohl vor Dienstag nicht sein können nach dem Postenlauf von Dresden. Ich bin Gott sei Dank kreuz wohl auf. ich lebe sehr mäßig, und das frühe Aufstehen, die herrliche heitre Luft, und die Bewegung schlagen mir gut an. Die ersten 2 Tage von Dresden aus, griff es mich etwas an, aber jezt gar nicht, weder Buttel, noch Pops, noch Brust thun mir wehe. Eine einzige Person ist über die ich mich aber bitter beschweren muß, weil sie mich entsezlich inkomodirt, und das ist — meine Nase!! so lange sie gefahren wird schloßhundet* sie. die Müzze und die schwarzen Handschuhe thun herrliche Dienste. die Luft schneidet recht, und ein paarmal habe ich meine Kajüte ganz zu gemacht. das alte Wagerl wird aber wirklich recht hinfällig, fast auf jeder Station habe ich zu flikken, und dabey wird man artig geprelltT.      Fahren thue ich aber einzig gut, Gestern 16 Meilen, bis Deutschbrod. /: in Böhmischbrod gab ich meine No. 3 auf die Post :/ Heute 14 Meilen, und Morgen noch 13 bis Wien, wo ich mit Gottes hülfe bei guter Zeit einzutreffen gedenke. Zu erzählen werde ich viel haben. aber so 2 Tage an einem Ort wo einen so Viele haben wollen, ist um wahnsinnig zu werden. ich habe sie nun alle auf die Rükkunft vertröstet. damit habe ich sie aber gewiß schön barbiert, denn da jagt mich die Sehnsucht nach einem gewißen Mutterschweinchen* gewiß so sehr, daß ich nur mit Noth den Befehl der Nacht Ruhe halten werde können. Es ist wohl fast kein Augenblik wo ich nicht an dich dächte, bei allen Veranlaßungen fällst du mir ein, möchte ich dich bei mir haben. Nun Geduld! überwindet Sauerkraut, also auch diese Reise.

Einen Schuh von dir hast du mir mitzugeben vergeßen. Schikke mir doch eine Sohle in Papier geschnitten zum Muster. Die Liebich habe ich nicht getroffen. Mosje Stöger ist fort, auf Gastrollen, und man sagt er suche eine Direktion, man hat ihm seine übrige Kontraktzeit abgekauft. Er hat den Freyschützen genommen, und Stiepanek gab mir das Geld.

Du hast recht, meine Alte, daß du nicht ausgezogen bist, es geht so auch recht gut. H: v: Snuff muß höchst komisch ausgesehen habenT. Bleib mir nur ja nicht gar zu viel zu Hause, und so einsam. kaufe ein, und hamstre zusamen was du willst, und dir | Freude macht. und führe ein recht liederliches Leben. Fahre, Reite, Trinke, eße, und spar nur nicht. ich werde es schon erfahren wie du dich behandelt hast, und dann sezst Haue!!!

Nun will ich noch aufschreiben, dann mampfeln und in Bett, also Gute Nacht für Heute. hier hast du gute gute + + + und für Mariechen + + +.* Rhode und die Fräuleins grüße mir herzlichst. Ali und den Kleinen nicht zu vergeßenT.

Gott segne dich. Gute gute Nacht.

Gott zum Gruß viel 1000. geliebtes Weib, in Wien.

Gestern d: 17t Mittag 2 Uhr war ich am Thor. denke dir von 5 Uhr früh bis 2 Uhr 12 Meilen gefahren, ist das nicht entsezlich. Am Thore fand ich einen Brief von Schwarz, der mir anzeigte daß die Administration bei ihm 2 Zimer für mich gemiethet hatte*. das war sehr angenehm, und freute mich, bei so guten Leuten zu sein, und an ihm Jemand zu haben der alle Verhältniße genau kennt. ich fand ihn aber an einem tüchtigen Husten liegen. es wird aber bald vorüber sein. ich wollte also nun Inkognito bleiben, ins Theater, auf die Redoute, gehn. u: s. w. ich pakte aus, zog mich um. wir plauderten zusammen, und dann gieng ich ins KärntnerThor Th: da gab man Waldemar von Weigl, und ein Ballet das Milchmädchen. recht schön. Rosner ist recht brav und hübsch*. nach dem Theater war ich aber schon wieder zu faul, gieng nicht einmal um etwas zu eßen, sondern gleich nach Hause in Bett. Ich bin wirklich recht gut versorgt, und im Schooß einer häuslichen Familie, da ist es doch beßer als im Wirthshause.      Heute geht nun das herum kariolen an. mein erster Weg ist zu Geymüller um zu sehen ob kein Brief von der Mukkin da ist. jezt kannst du sie aber direkt an mich adreßiren.

Grünangerstraße Nro: 838. 1t Stok. beim K: K: HofSchauspieler H: Schwarz.

und nun adjes derweile. bah! bah! bah! 100000 Bußen.

Dienstag d: 19t früh.      Gestern hätte ein Brief von dir kommen sollen, und es kam nichts. ich will mich nicht ängstigen, denn Geymüller schikken ihn wohl erst heute früh, obwohl ich recht dringend um sofortige Sendung gebeten habe. auf jeden Fall würde mir doch Jemand schreiben, wenn du was Gott verhüte krank geworden sein solltest. Doch ich gebe dir da ein schlechtes Beyspiel, und ein Brief kann ja auch verlohren gehn. also, Geduld!

Das ist doch ein wahrhaft grandioses Treiben, in einer so | großen Stadt. Man empfängt mich überall wie ein Wunderthier, und als den Gott des Tages. Gestern machte ich den ganzen Tag Visiten. Mein geliebter Prinz Friedrich und Caroline empfingen mich mit unverstellter großer Freude und Theilnahme, ich mußte versprechen recht oft zu kommen. über den Enthusiasmus mit dem alles von meiner Oper spricht, sage ich dir gar nichts, den er ist unbeschreiblich. und ich finde weder Redensarten, noch Bewegungen, noch Gesichter, zum Antworten mehr.      Abends gab die Gesellschaft von der Wieden die Italienerin in Algier im Kärntnerthor. recht brave Talente*, die wir alle brauchen könnten.      Mad: Schütz noch ziemlich Anfängerin im Spiel, aber schon sehr brav im Gesang. Jäger, außerordentlich schöner Tenor, geht und steht aber wie ein buklichter Kater.

Aber so ein Publikum ist eine Wonne. 3 Noten gut vorgetragen haben gewiß ihr murmelndes bravo durchs ganze Haus.

Nach der Oper ließ mir Duport pp keine Ruhe ich mußte noch auf einen Ball gehen. Da machte ich mich aber bald wieder fort, denn das beguken, sich Gruppenweise an mich heran Drängen pp wurde mir ganz kurios. Grünbaums hatten eine große Freude.      Die alte Schröder habe ich noch nicht gesehen, aber die junge. die recht schwächlich aussieht, blaß, aber vom Theater sehr schön sein soll*. Nun geht heute der Tanz von vorne los. ich nehme mir aber Zeit, und hezze mich gar nicht ab. ich wüßte auch nicht warum. Jezt will ich aber Fee trinken.

ade derweile.

d: 20t Nun Gott sey gelobt, Gestern Abend brachte mir Schwarz deinen Brief No: 2 ins Theater, und erfüllte mich mit unendlicher Freude dich Gesund zu wißen. Bei mir geht es fürchterlich zu, die Besuche bestürmen mich vom frühsten Morgen u: s: w: ich kann kaum ein 4tel Stündchen erhaschen für die Mukkin. Gestern Mittag war ich mit mehreren Künstlern* bei Zizius. Dann ging ich zu Schmidl. gute Leute, aber ganz anders als unsre. Abends endlich war mein Freyschütz*.      Was soll ich dir sagen? wo anfangen. nicht 2 Tempos waren richtig. alles überjagt oder geschleppt. so recht ohne alle künstlerische Weihe und Nuanzen von Weigl einstudirt., ich saß im Fieber - es war sehr voll, die 25t Vorstellung*, und Fasching Dienstag. übrigens gieng alles gut. die Chöre vortrefflich. die Dekoration sehr schön, aber meist ganz unzwekmäßig. Die elendesten Regie Sachen nicht berüksichtigt. nicht einmal dunkel zu Ende des 1t Aktes. u: s: w: wo sollte ich anfangen und aufhören dir alles zu erzählen.      Ouverture übereilt. Introdukt: gut. Kilians Lied einen Vers gestrichen. Das Ensemble Stük, vortrefflich und ergreiffend vom Chor gesungen. Rosner, Max - ich fange an mit Bergmann zufrieden zu werden. Forti. brav. nimmt den Charakter anders aber es ist ein Ganzes, und singt vortrefflich. Weinmüller, gut. Schröder. hübsch. herrliche Stimme. zwekmäßiges Spiel. reine Intonation aber freylich zur Sängerin fehlt noch viel. Mlle Vio ohne alle Laune das Duett entsezlich langsam. Der schlanke Bursch, ganz schnell. |

Die große Arie. das Gebet schnell, und alles übereilt, aber doch nicht ohne Ausdruk. das Terzett auch so holterpolter. Die Wolf:schl: nun - zusammen gefegt. aber allerley hübsches in Dekorationen. Die Cavatine der Agathe, das einzige was ganz gut war. Romanze, ohne Bratsche. und bei Nero, aus. Finale — Kopf und Schwanz. nun mündlich erst ordentlich. dazu mußte ich nun aus Politik gute Miene machen, und alles schön finden. ich begreiffe nicht, daß die Oper gefallen konnte. — ich bitte dich erstlich dich nicht zu ärgern, und dann auch nicht von meiner Unzufriedenheit zu sprechen. man muß vorsichtig sein, und am Ende haben doch alle gethan was sie konnten. und der Enthusiasmus für die Oper ist wirklich gränzenlos.      Dann gieng ich auf die Redoute. sprach viel mit Prinz Friedrich, und ging um 2 Uhr in Bett.      Rombergs sind noch hier, und grüßen herzlichst. heute Abend sind da Quartetten.

Eben hat mir Benelli wieder eine Stunde vorgeschwazt.

Ich muß dich recht loben, mein innigst geliebtes Leben. fahre nur öfter aus, und sei recht heiter. Die Männe ist gesund, und wandelt vergöttert in Weihrauch Wolken, so daß sie schon den Schnupfen tüchtig hat.      in Hamburg, wie überall* — Nun muß ich schließen. habe gar zu viel zu thun.      Gott segne dich, und erhalte dich gesund und froh. ich schone mich sehr. Ideen zur Euryanthe scheinen auch zu komen, und so wollen wir wie immer auf Gott vertrauen und guten Muthes sein.

Grüße die Fräuleins, meinen Hauptmann und Roth herzlichst. auch Ali und SchnuffT.      Dir mein theures Weib + + + und Mariechen* auch +. Ewig dein dich über alles
liebender Carl

Millionen Bußen.

Versäume ja den LiederkreißT nicht. und grüße Nostizens und alle, besonders Fr. Böttger auch.

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über die Reise von Dresden nach Wien, das dortige Quartier bei Carl Schwarz und die ersten persönlichen Begegnungen und Theaterbesuche; Bestürzung über die Wiener Freischütz-Einstudierung, beurteilt die Sängerbesetzung

Incipit

Einen schönen guten Abend, herzliebste Mukkin

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 154

    Quellenbeschreibung

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW II, S. 394–397 [nur Auszüge]
    • Kapp, Julius: Der „Freischütz“ in Wien, in: Die vierte Wand. Organ der deutschen Theaterausstellung Magdeburg 1927, Nr. 14/15 (14. Mai 1927), S. 41–42 [nur Auszug vom 19. Februar ]

    Einzelstellenerläuterung

    • „… lange sie gefahren wird schloßhundet“Üblicherweise verwendet das Ehepaar Weber diesen Begriff für Tränen bzw. weinen; hier ist gemeint: die Nase läuft.
    • „… Sehnsucht nach einem gewißen Mutterschweinchen“Caroline von Weber war im 7. Monat schwanger.
    • „… für Mariechen + + +.“Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
    • „… Zimer für mich gemiethet hatte“Vgl. dazu auch die spöttische Bemerkung Costenobles in seinem Tagebuch am 19. Februar, s. Weber-Studien, Bd. 8, S. 444.
    • „… ist recht brav und hübsch“Rosner sang den Erich.
    • „… Kärntnerthor . recht brave Talente“Weber sah die Premiere der deutschsprachigen Einstudierung der Oper mit Joseph Seipelt (Mustapha), Josephine Fröhlich (Elvira), Elise Dermer (Zulma), Ludwig Schwarzböck (Ali), Franz Jäger (Lindoro), Amalie Schütz (Isabella) und Joseph Spitzeder (Thaddäus).
    • „… Theater sehr schön sein soll“Fraglich, ob Wilhelmine oder Elisabeth Schröder gemeint.
    • „… war ich mit mehreren Künstlern“Vgl. Tagebuch.
    • „… Abends endlich war mein Freyschütz“Aufführung im Kärntnertortheater.
    • „… , die 25 t Vorstellung“Die Besetzung war: Ottokar (hier Ritter Hugo)Vogl, CunoWeinmüller, AgatheW. Schröder, ÄnnchenVio, CasparForti, MaxRosner, KilianGottdank.
    • „… in Hamburg , wie überall“Anspielung auf die erfolgreiche Erstaufführung des Freischütz in Hamburg am 5. Februar 1822.
    • „… + + + und Mariechen“Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
    • Fr.Abk. von „Freund“.

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