Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 1. bis 5. Februar 1824 (Teil 3 von 3)

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Chronik des königl. sächs. Hoftheaters in Dresden.

(Fortsetzung.)

Dieses aber ist es durchaus nicht, was den hauptsächlichen Werth einer Oper für Composition ausmacht, und leider ist, wie schon bemerkt, auch dieses durch die nöthig gewordenen Zusätze mehr oder weniger verwischt worden. Wer mag aber diesem Aeneas, der mit dem ersten Worte, das er singt: No, Pricipessa u. s. w. den Fuß aufgehoben hat, um in’s Schiff zu steigen und Karthago zu verlassen, und doch erst in der letzten Scene sich zum Einschiffen bewegen läßt, oder an dieser Dido, die den Flüchtigen mit alles Gewalt zurückhält, und bald sich vor Jarbas fürchtet, bald ihn wieder auf’s Ungebührlichste zum Beßten hat, großen Anteil nehmen? Und doch ist dieses Verhältniß das einzige Vortretende, und Kampf in Selenens, der Schwester Dido’s, Busen, der zur Schürzung eines Theilnahme erweckenden Knotens recht gut hätte benutzt werden können, ist allen Mitspielenden so wenig sichtbar, daß selbst die Leser der Oper nur ein Paar Beiseits der armen Entsagenden davon unterreichten.

Indem nun so der junge Tonsetzer, welcher früher unter dem gründlichen Schicht ind Leipzig, dann unter dem genialen Winter in München seine Studien gemacht hat, und hier das erste Probestück derselben darlegt, mit einer Unterlage zu kämpfen hatte, die ihn in keiner Hinsicht begeistern, im Gegentheil aber nur fortschreitend immer mehr erkälten mußte, hat er in seiner Composition dennoch den Beweis gegeben, daß er seiner beiden Lehrer würdiger Schüler sey, und aus dem spröden Stoffe doch noch geschaffen habe, was sich demselben nur noch abgewinnen ließ. Besonders ist es der erste Akt, dem wir unbedingt das Lob großen Fleißes, reinen Sytls und talentvoller Bearbeitung zollen müssen. Fast nirgend ist den Lieblingansichten des Tages geschmeichelt, sondern alles der Würde einer ersten Oper angemessen gehalten, die verschiedenen Charaktere treten kräftig hervor und Kraft, wie Zartheit, vereinen sich zu einem sehr lobenswerthen Ganzen. Die Ouvertüre ist sehr brav gearbeitet, und das gleich darauf eintretende Traumgesicht des Aeneas geistvoll behandelt. Eben so ist es die erste Arie dieses auf dem Sprunge stehenden Helden. Aber man entscheide selbst, ob es möglich ist, auf die Worte:

Dovrei – ma no -L’amore – o dio – la fé -Ah! – che parlar non so -Spiegalo tu per me.

etwas Tiefgreifenderes zu componieren. Lieblich und innig ist der Dido erste Cavatine: Povero cor tu palpiti, so wie ihre dann bald darauf folgende Bravour-Arie: Son regina, sehr glänzend. Die dazwischen kommende Ankunft der Mohren mit ihrem Könige ist charakteristisch behandelt, und das Duett zwischen Jarba und Dido brav durchgeführt. Vielleicht an den Meister Winter erinnernd, doch ihm keineswegs abgeborgt ist die große Arie des Jarbas: Son quel fiume, und dabei die Malerei des Gedichts – eine der besseren Stellen desselben – sehr passend benutzt. Das nun folgende Quintett mit Chor macht zwar weniger Eindruck, um so größern aber das bald darauf: No, che non chiude in petto, begin¦nende Finale. Unstreitig ist dieses der vorzüglichste Theil der Oper, und mit so vieler Wärme, Kraft und Lebendigkeit in den harmonischen Vereinigungen, aber wieder so kunstgemäß bearbeitet, daß es auch hier nicht verfehlte, sich ausgezeichneten Beifall zu erwerben. Der zweite Akt der Oper bot nun freilich dem Tonsetzer noch weniger Stoff, als der erste, und die Situationen, die er darin vorfand, waren nun alle bereits so erschöpft, daß er, selbst bei fortgesetztem Fleiße der Composition, doch darin noch weniger Wirkung, als in dem ersten, hervorbringen konnte. Bloß die nun eintretende Arie der Selene: Amare un infidele, bot ihm etwas Neues in der Situation, und er benutzte es sehr geschickt zu einem ungemein zart-elegischen Tongemälde. Das letzte Finale endlich, welches mit dem Brande Troja’s und Dido’s Sturz in die Flammen schließt, dürfte wieder zu lang ausgedehnt seyn, und die große Arie der Königen am allerwenigsten dort an ihrem rechten Ort. Doch ist auch dieses mit Geschicklichkeit und Feuer geschrieben und würde – so wie der ganze zweite Akt – nur einiger Verkürzungen bedürfen, um mehr zu wirken, als es that. Aus alle dem geht jedoch hervor, und in der That war es die allgemeine Stimme, daß das Publikum in dieser Oper recht gern die Bekanntschaft eines jungen deutschen Tonsetzers machte, von dem sich nach den in diesem ersten Werke niedergelegten wackern Proben von Talent und Studium, für die Zukunft gewiß recht vieles Gutes hoffen läßt.

Die Darstellung war fleißig und meist gelungen. Sgra. Sandrini spielte die Dido mit Würde und Innigkeit und trug besonders die große Arie des ersten Aktes mit anerkannter Fertigkeit vor. Sgr. Tibaldi theilte freilich die Ungunst, die auf dem ganzen Charakter des Aeneas in dieser Oper liegt, zeigte aber großen Fleiß. Für Sgr. Zezi war die Parthie des kräftig-wilden Jarbas ganz geeignet, und sein schöner Baß entfaltete sich in vielen Stellen vortrefflich. Mit Vergnügen endlich bemerkte man in der jungen, bescheidenen Sängerin Sgra. Miller ansprechenden Wohllaut und angenehme Kraft der Stimme, verbunden mit einem, in guter Schule gebildeten Vortrage. Mit Vergnügen wird stets das Publikum sie auf diesem Wege fortschreiten sehen, wie es ihr dieß auch schon jetzt durch lauten Beifall zu erkennen gab. Die sehr schwierigen Chöre gingen trefflich und das Orchester bewährte unter unsers Weber’s Leitung seinen Ruhm.

Am 1. Febr. und 2ten wiederholt: Rosamunde. Trauersp. in 5 Akten von Th. Körner. (L. Tieck.)

Am 3. Febr. Menschenhaß und Reue. Schauspiel in 5 Akten von A. v. Kotzebue. Mit Vergnügen sah man bei dem trefflichen Spiel der Mad. Schirmer als Eulalia und Hrn. Hellwigs als Meinau dieses Schauspiel wieder, das wenigsten in den Stellen, wo es die Empfindungen eines bereuenden, wie eines vergebenden Gemüths schildert, nie veraltet, und heute wieder die süßen Thränen der Wehmuth entlockte, wie es bei seinem ersten Erscheinen gethan hatte.

Am 5. Febr. Das Gut Sternberg. Lustsp. in 4 Aufz. von Frau v. Weissenthurn.

Th. Hell.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Dubke, Esther

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 8, Nr. 37 (12. Februar 1824), S. 148

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