Johann Wenzel Kalliwoda an Richard Pohl
Donaueschingen, Montag, 15. August 1853

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Hochgeehrtester Herr!

Ihr werthes Schreiben v. 7. Juli, nebst Webers Sopran Arie* ist mir vor einiger Zeit zugeschickt worden. Daß ich erst heute zur Beantwortung desselben komme, wollen Sie gefälligst damit entschuldigen, indem ich zuvor noch mit meinem Freunden dem Hr: Böhme über Manches Rücksprache nehmen mußte, und mir erst heute seine Antwort zugekomen ist. - - - Ihr Urtheil über Webers Fest Cantate stimmt ganz mit meinen Ansichten überein. Auch bin ich mit dem Titel Erntefest vollkommen einverstanden*. Was die Abkürzungen der allzulangen Recitative betrifft, so bin ich der Ansicht, daß Sie dieses schon des Textes wegen am besten selbst machen könnten. Sollte auch duch diese Kürzungen die Melodie und Harmoniefolge nicht immer genau auf einander passen, so ist dieses leicht mit einigen anderen Akkorden abgeändert ohne daß Webers Composition Schaden dadurch erleidet.

Bezüglich der Arie muß ich sehr bedauern daß Sie sich so viel Mühe gegeben haben eine ganz großartige Theater Scene daraus zu schaffen. Da Sie selbst musikalisch sind, so werden Sie mir wohl zu gestehen daß sich wohl keine Sängerin finden wird, welche 2 Arien hintereinander im Conzerte vortragen soll. Nach der Anlage Ihres Textes müßte ich nicht nur eine Einleitung, sondern auch Recitative, Chor und eine | Cavatine ganz neu komponiren, den die vorhandenen Schlußtakte von Webers Cavatine sind so gewöhnlicher Art, wie sie wohl 100mal in ganz alten Rossinischen Opern vorgekommen sind. Uiberhaupt ist mir Webers Name viel zu heilig, als daß ich Pfuscher es wagen sollte unter seinen Namen eine ganze Arie zu schreiben. Deshalb ist auch Hr: Böhm darauf eingegangen von dieser Arie nur das zu bringen was vollständig, und nach meinem Dafürhalten für eine Conzert Arie auch hinlänglich lang genug ist. Zudem braucht ja der Text einer Conzert Arie auch keine entschiedene Handlung auszudrücken. Was übrigens die kleine Ouverture oder vielmehr eine Einleitung zur Cantate anbelangt, so konnte ich mir diese Täuschung eher noch erlauben, weil ich doch noch zwei freilich unbedeutende Motive aus dieser heraus gefunden und an einander gereiht habe*. Weber hat natürlich selbst das Beste aus der Cantate zu seiner schon lange bekannten Ouverture benutzt.

In der Voraussetzung, daß es Ihnen vielleicht angenehm sein könnte, nicht wieder denselben Weg auf Ihrer Rückreise einzuschlagen, so erlaube ich mir Ihnen vorzuschlagen über hier zu reisen, wo wir dann in einem halben Stündchen die Cantate sowohl als auch die Arie ins Reine bringen könnten und dadurch das weitläufige hin u herschreiben ersparen würden. Hr: Böhme ist auch ganz dieser Ansicht. Zudem ist diese Tour nicht ganz uninteressant, denn das Höllenthal bei Freiburg wodurch Sie herauf nach D - müssen ist sehr romantisch, dann ist der Weg von hier aus durch das schöne Höhgau an den Bodensee ebenfalls sehr reizend, und von Friedrichshafen können Sie dann per Eisenbahn über Nürnberg den Weg nach Leipzig machen.

In der Hoffnung daß Sie geehrter [Herr] auf diesen meinen Vorschlag eingehen werden, empfiehlt sich unterdessen ganz hochachtungsvoll Ihr ergebensterJ: W: Kalliwoda

Sie haben wohl die Partitur der Cantate bei sich?

Apparat

Zusammenfassung

Es geht in diesem Brief um Webers Festkantate (L'Accoglienca) und die fälschlich Weber zugeschriebene Palmiden-Arie von Meyerbeer, zu der Kalliwoda etwas hinzukomponieren sollte

Incipit

Ihr werthes Schreiben vom 7. Juli

Überlieferung

Textkonstitution

  • „eine“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Juli, nebst Webers Sopran Arie“Die vom Verlagshaus Peters aus dem Nachlass des Komponisten erworbene Sopranarie erwies sich als Komposition Meyerbeers (Aria der Palmide „D’una madre disperata“ aus Il Crociato in Egitto). Alle diesbezüglichen Bearbeitungs- und Publikationspläne wurden nach Entdecken dieses Sachverhalts aufgegeben.
  • „… dem Titel Erntefest vollkommen einverstanden“Die Pläne des Verlages Peters, Webers Festmusik mit einem neuen Text von Pohl als Erntekantate zu publizieren, wurden nicht umgesetzt.
  • „… und an einander gereiht habe“Kalliwoda schrieb eine Ouvertüre zur Erntekantate, die von Peters fälschlich als „Nachgelassenes Werk“ Webers (Nr. 12) publiziert wurde (vgl. JV Anh. 107).

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