Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, Juli-August 1815 (Teil 1/5)
Correspondenz-Nachrichten.
Prag. Wir sahen hier die Wette, Oper in einem Akt, Musik vom Kapellmeister Weber in Berlin. Das Publikum fand diese Oper äußerst langweilig, und es blieb bey der ersten Vorstellung.
Wir können mit vollem Rechte den Tod Körmers‡ betrauern, denn in seinem Trauerspiele: Rosamunda zeigte Er uns, welche Fortschritte Er in der dramatischen Dichtkunst hätte machen können. Er hatte sich darin schon ganz zur technischen Plan-Ordnung eines Trauerspiels empor geschwungen, und hätte in diesem Fache sehr viel Großes geleistet. Die Sprache ist reich und blühend. Bey der hiesigen Aufführung zeichneten sich besonders Mad. Sonntag als Rosamunda, Herr Bayer als König Heinrich, und Herr Wilhelmi als Armand aus.
Obgleich die Musik der Oper: Die Alpenhirten, komponirt von Neukomm‡, sehr originell ist, so wollte sie doch dem Publikum nicht gefallen. Die Aufführung war gelungen, besonders müssen wir Herrn Löwe nennen, der in der Rolle des Niklas ein reiches komisches Talent zeigte.
In Elisene Oper von Rößler, trat Demois. Kainz als Olfriede auf, und berechtigte zu den schönsten Erwartungen für die Zukunft. Ihre Stimme ist außerordentlich rein und fest, sie dürfte wohl bald neben Mad. Grünbaum glänzen, ein Wagestück, das seit langer Zeit her, keiner für hier | engagirten Sängerinn gelang. In ihrem Alter, (sie zählte kaum noch 16 Jahre) kann sie jetzt schon, bey jeder großen Bühne, als erste Sängerinn gelten.
Im Don Ranudo de Colibrados war das Publikum sehr zahlreich versammelt, um nach mehreren Jahren wieder die geniale Kunstschöpfung des Herrn Liebich in der Hauptrolle zu bewundern. Herr Liebich ist über alles Lob erhaben, man sehe Ihn, sonst wird schwerlich von uns ein Begriff von der Vollendung seines Spiels gegeben werden können. Wir müßten Bogen damit anfüllen. Es wäre sehr zu wünschen, daß ein mit der dramatischen Kunst vertrauter Mann, so wie Bötticher, eine Abhandlung über dieses großen Künstlers Rollen schriebe, zum Nutzen und Frommen der übrigen Jünger. Mad. Junghanns als seine Frau, spielte sehr brav, nur hätten wir gewünscht, daß sie die falsche Nase bey dieser Rolle weg gelassen hätte. Behelfe dieser Art sind kleinlich, und zerstören mehr die Täuschung, als daß sie dazu mitwirken.
Das Ballet: Das übelgehüthete Mädchen ward zum Vortheil der Mad. Horschelt gegeben. Mad. Horschelt hat schon früher und auch jetzt bewiesen, daß sie ein Ballet recht niedlich in die Scene zu setzen wisse. Demoiselle Frühmann als übelgehüthetes Mädchen, führte ihre Rolle recht artig aus, eben so Demoiselle Horschelt d. ä. als junger Bauer. Herr Supper, der längere Zeit vom Theater abwesend war, zeigte: daß er ein sehr braver pantomimischer Komiker sey, und gab den Peter mit vieler Umsicht und Gewandtheit. Das Ganze gefiel.
Ubaldo von Kotzebue, ward hier zum Vortheil, der hier anwesenden Schauspielerinn vom Großherzogl. Theater zu Darmstadt Mad. Sonntag gegeben. Die Hauptrolle ward von Hrn. Seewald sehr schön durch geführt, Mad. Sonntag gab die Herzoginn mit vieler Wahrheit. Herr Löwe spielte den Grafen Serravale mit Feuer und Anstand, ¦ eben so behauptete Herr Wilhelmi als Graf Altamonte seinen alten Ruhm. Demoiselle Böhler als Blanka, war wieder ganz liebenswürdig und grazios. Diese junge Künstlerinn macht Riesenschritte auf dem Pfade der Kunst.
Johann Vasmer zum Vortheil des Herrn Seewald, wollte nicht allgemein ansprechen, und wird dieß wohl auch nirgends als in Bremen, wo örtliche Beziehungen noch bestehen. Ueberhaupt war aber die Aufführung nicht sehr gelungen zu nennen, es herrschte im letzte Akt eine ziemlich chaotische Verwirrung. Herr Seewald als Vasmer, spielte sehr brav, eben so Herr Wilhelmi als Minden.
Im Othello gab Herr Bayer den Helden des Stückes zur Bewunderung aller Zuschauer. Aber auch hier, bey der zweyten Vorstellung, war der fünfte Akt ganz in Unordnung, und wir können nur auf mangelhafte Proben schließen. Herr Wilhelmi gab den Jago mit so vieler Einsicht und einem so durchaus gründlichem Studium, daß Er in seinem Fache gewiß jetzt Einer der ersten Künstler Deutschlands ist.
Die Verlobungsfeyer (der Brauttanz), von Clauren, gefiel hier recht sehr, was, in Hinsicht der Aufführung, ganz allein, das über allen Ausdruck schöne Spiel des Herrn Liebich als Baron Besser bewirkte. Das Lustspiel ist sehr brav, und es wäre zu wünschen: daß uns der Verfasser bald wieder mit einem ähnlichen beschenkte.
Die vornehmen Gastwirthe wurden hier wieder z. Erstenmal nach dem Tode des unvergeßlichen Mohrhardt aufgeführt. Herr Rosenfeld von Pesth spielte darin den Marquis Ravanne, doch konnte er seinen Vorgänger nicht erreichen, nachdem ihm ganz die Höhe der Stimme Mohrhardts, die ganz für die französische Musik geschaffen war, und sein freyes lebendiges Spiel abgeht.
(Die Fortsetzung folgt.)
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Charlene Jakob
Überlieferung
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Textzeuge: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 8, Nr. 61 (27. Juli 1815), S. 243–244