Julius Benedict an Carl Friedrich Peters in Leipzig
Dresden, Samstag, 5. Juni 1824

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Nach langer Zeit wage ich es wieder, Sie mit einem Schreiben zu belästigen, und Ihnen meine Wünsche und Pläne mitzutheilen, welche, um es gerade heraus zu sagen, mir ohne lange Umschweife zu machen, hautpsächlich darin bestehen, daß Sie einige meiner Compositionen verlegen, und dadurch in der Welt bekannt machen mögen. Sie waren so gütig, mir während meiner Anwesenheit in Leipzig* zu versprechen, von Zeit zu Zeit einiges von mir zu nehmen, und ich würde Sie nicht an dieß Versprechen erinnern, wenn ich nicht befürchtete, daß Sie bei ihren vielfachen Beschäftigungen, meine obscure Person, und was Sie mir zu sagen die Güte hatten leichtlich vergessen könnten. Ich nehme mir daher die Freiheit, Ihnen hier das Verzeichniß meiner neueren Compositionen zu geben, und Sie zu bitten, wenn Sie anders wollen und können — und ich weiß ja, daß Sie können, wenn Sie nur wollen, Einiges davon zu behalten:

                                                  1) Sonate pour le Pianoforte seul (D dur und D moll)*
                                                  2) Sonate pour le Pianoforte e Violon (A dur)
                                                  3) Quatuor pour deux Violons, Alto et Violoncelle (c moll)*
                                                  4) Concerto - noch nicht ganz fertig (E dur)
                                                  5) Zweites Rondino für Pianoforte (Es dur)
                                                  6) Première Ouverture (D dur)
                                                  7) Deuxième Ouverture (c moll und C dur)
                                                  8) 3 italienische Canzonetten
                                                  9) deutsche Lieder 1tes Heft
                                                  10) Allemannische Lieder von Hebel und Göthe
                                                  11.) Rondeau brillant à quatre mains — noch nicht ganz fertig (F moll und F dur) |

Zugleich habe ich noch eine Bitte auf dem Herzen, deren Erfüllung ich von Ihrer, mir so oft schon bewiesenen Freundschaft und Güte hoffe. Zu lange schon habe ich meine Aeltern auf die unverzeihlichste Art geplündert; ich bin entschlossen, mich nun ohne Unterstützung, durch eigene Kraft in der Welt durchzuschlagen. — Ich weiß, daß Sie oft Arrangements von Opern, Potpourri’s und dgl: veranstalten. Geben Sie mir, wenn sich die Gelegenheit findet, Arbeit, recht viel Arbeit — Lassen Sie mich Klavierauszüge, und was Sie immer wünschen veranstalten — Sie sollen über Langsamkeit und Unpünktlichkeit gewiß nicht zu klagen haben —. Mit dem kleinsten Honorar werde ich zufrieden sein. Ich glaube, daß Sie mir Ungeübtheit in diesem Fache nicht werden vorwerfen können, wenn Sie wissen, daß der vollständige Klavierauszug der Preziosa und der des ganzen dritten Acts der Euryanthe von mir ist.

Daß Jessonda so allgemeine Theilnahme erregt, hat mich der Kunst, Spohrs und Ihretwegen sehr erfreut. Hier wird sie — der vielen verreißten Sänger wegen erst im Herbste in Scene gesetzt werden können, und dann gewiß des glücklichsten Erfolgs nicht ermangeln. Weber grüßt Sie herzlich. Ende dieses Monats geht er nach Quedlinburg, wo er am 2ten Juli das große Musikfest dirigirtT, dann geht er nach Marienbad, wo er bis Mitte Augusts verweilen wird. Schlesinger bekommt — früher eingegangenen Verpflichtungen nach — von Weber noch Solfeggien für eine Singstimme, und dann eine Suite Etudes für Pfte. dann ist er aber ganz frei. Er hat mir noch in diesen Tagen gesagt, daß er in diesem Sommer durchaus nichts Bedeutendes anfange, und nur einige Galanterie-Sachen, Rondeaux etc: für seine Freunde Peters und Steiner componiren werde. Ich glaube, daß, frischten Sie Ihr Andenken durch ein | Paar Zeilen bei ihm an, dieß die beste Würkung machen und ihn auch zur Arbeit treiben dürfte — doch haben Sie dieß durchaus nicht nöthig, da er Sie auch ohne Erinnerung recht gern und lieb hat und warhaft achtet, daß er mit Schlesinger nie, und auf keine Weise neue Verpflichtungen eingehen wird, darauf können Sie sich verlaßen —

Einer baldigen günstigen Antwort entgegensehend verbleibe ich
Ihr ganz ergebener Freund
Julius Benedict
mp

Apparat

Zusammenfassung

bespricht den Verlag seiner neuen Compositionen; erbietet sich zum Arrangement von Opern etc., erwähnt, dass er den Klavierauszug von Preciosa u. des 3. Akts der Euryanthe erstellt habe; übermittelt Grüße Webers u. berichtet über dessen Pläne; Weber wolle keine neuen Verträge mehr mit Schlesinger eingehen

Incipit

Nach langer Zeit wage ich es wieder, Sie mit

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

Textkonstitution

  • „nur“über der Zeile hinzugefügt
  • „an“unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • „… während meiner Anwesenheit in Leipzig“Benedict hatte 1823 zwei Konzertauftritte in Leipzig: am 23. März und 6. Dezember; vgl. Weberiana 19 (2009), S. 143 und 145.
  • „… dur und D moll )“Vermutlich die 1824/25 bei Steiner in Wien verlegte (VN: 4647), Pauline von Württemberg gewidmete Klaviersonate Nr. 4.
  • „… Violoncelle ( c moll )“Möglicherweise eine Frühfassung des 1875 bei Schlesinger Berlin publizierten (VN: 6857), Joseph Joachim gewidmeten Quartetts in c-Moll op. 87.

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