Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Dresden, Montag, 3. bis Donnerstag, 6. April 1826

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erhalten London d: 17t Aprill 1826.
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durch No 20.

Meine liebe Männe. Das sind ein paar schwere Tage für die Mukin, denn ich habe gestern wieder keinen Brief bekomen, und um mein Vergnügen voll zu machen, hab ich Den Alex abgewöhnt. Den Tag über ging es recht gut, aber die Nacht hat er schön gebläkt. nun er wird’s ja wohl bald vergeßen. und wenn ich denke wie viel mein Alter jetzt mag zu thun haben mit den letzten Proben pp so ist’s mir ganz recht daß ich auch etwas ausstehen muß. Die ganze Nacht habe ich an Dich gedacht mein leben. Es ist doch ein rechter Trost wenn man jemant in der Nähe weiß der rechten Theil nimt. Das habe ich heute Nacht gefühlt, denn wenn Du uns auch nicht hättest helfen können, so wäre schon Deine Nähe für mich wohlthuend gewesen. Und doch bin ich auch wieder froh, daß Du bey diesen Actus nicht hier bist, denn man beunruhigt sich doch sehr wenn man so einen armen Wurm leiden sieht. Die Marie kömt aus den Thränen nicht heraus, sie sieht recht elend aus. nun es ist noch um ein paar schlime Tage zu thun, die werden auch vergehen. wenn ich nur erst Nachricht von Dir hätte! Von Ahndungen darf ich nicht reden, sonst könnte ich von einer gewißen Angst erzählen die ich seit ein paar Tagen habe — aber damit werde ich nur ausgelacht, und das ist noch das Beste, wenn sie nicht eintreffen. Diese Trennung wird mir doch recht schwer zu überstehen, und daran ist hauptsächlich der unortendliche Posten Gang schult so 10 Tage ohne Nachricht, ist eine Ewigkeit. Sey drum nicht bös mein leben daß dieser Brief so ein vertrißlich Gesicht macht, ich schüttle den Unmuth bald wieder ab, aber ich kann mich der Männe gegenüber nicht verstellen, und schreiben wollte ich doch auch gern damit Du nur weist daß wir alle wohl sind. Max wird gott lob alle Tage kräftiger, Alex wird aber nun ein bißel abnehmen weil er gar nicht Trinken will. Mit meinen Befinden geht es auch ganz gut. ich habe keinen Anfall von Uibelkeit mehr gehabt, auch thut Kopferl nicht mehr weh, und der Schlaf findet sich auch. Der Husten ist schon lange weg, kurz vor der Hand hast Du noch keine Hoffnung mich los zu werden. Rothe hat sich wieder recht erholt, er sieht ortendlich jung aus. Doch klagt er noch über sein altes Leiden in Kreuz[.] | Aber bey diesen furchtbaren Wetter wäre es auch ein Wunder wenn nicht alle alte Uibel rebellisch würden. Wenn man so alle Tage nichts als Regen Hagel und Schnee sieht, wird man würklich ganz melancolisch. Nicht einmal ausfahren kann man und Johan mag wohl manchmal heimlich brumen über das Ausreiten. Nun villeicht bekomen wir noch die schöne Baumblüthe in Hostervitz dafür, vor Ende Aprill will ich nicht hinaus ziehn. auf jeden Fall muß ich erst Nachricht von der Oper haben. Ach warum kann man nicht nur einen Augenblik Allwißend sein, villeicht ist jetzt schon alles überstanden.      Spontini ist nach Berlin zurük gekehrt aber die ZeitungsArtikel von Paris, die Kuhn eingerükt hat, sind eben nicht sehr enthusiastisch. und der hat doch gewiß die besten heraus gesucht*. Ich bin begirig wie die Berliner ihn empfangen werden, doch das kann man schon halbwege machen. Wenn ich Dir rathen dürfte so gäbst Du den Oberon dem Königstäter Theater, Du würdest gewiß viel weniger Aerger dabey haben, Brühl ist ja gar ein schwacher  Mensch, und was Spontini ist brauche ich wohl nicht erst zu sagenT.

Es ist um 12 Uhr, aber es ist kein Brief gekomen! na, ich will auch meinen guten Männ[e] nicht länger mit der mürischen Weibe plagen. Morgen kome ich villeicht heiterer zu Dir. leb wohl mein leben. Gott erhalte Dich gesund +++.

Den 4t guten Morgen mein guter Muks! muß Dir nur gleich erzählen daß es die Nacht recht gut mit Alex gegangen ist. Er hat gar nicht zu Trinken begehrt und nur sehr wenig geweint. Gott lob! ich hoffe das Sch[l]imste ist überstanden. Ein bißel blaß sieht der arme Bursch aus, aber er ist doch munter. Deine Alte ist heut auch wieder beßern Humors, ob gleich ich in einer Art von Fiber die Stunde erwarte wo der Briefträger komen kann. Was war das heut Nacht wieder für ein Sturm und Wetter! als wenn alle Fenster aufgerißen werden müsten! war bey so einem Wetter ein Brief auf der See, so kanns ihm schlim ergangen sein. Schon seit 10 Tagen ist keine Englische Post gekomen, das ist noch ein Trost für mich. |

Die Fürstenau kam auch gestern Abend noch, mit mir zu klönen, aber sie ist doch noch glüklicher, sie braucht doch nicht für ihres Mannes Gesundheit zu zittern.      Hedenus läst Dich bitten Du mögtest ihm aus England ein Fläschchen aromatischen Eßig mit bringen aber vor Allen soll ich Dir sagen: Du mögtest Dich schonen Er hofft sehr daß bey Euch das Wetter beßer ist, er kann nicht genug klagen über die ungesundheit dieser Witterung.

Eben kam der Briefträger — aber kein Brief von Dir — es sind heute einige englische Briefe gekomen, aber gott weiß wie alt die sind. Nun man muß sich zu beruhigen suchen, alle Angst hilft doch nichts. aber diesen Brief will ich doch heut nicht fort schiken, die Männe könnte sich betrüben, wenn nicht wenigstens das Schluß deßelben Dir wieder meine beruhigung verkündet. Will recht fleisig arbeiten, daß mir die Grillen vergehn. Ausgehen mögte ich lieber, aber da müste man Schwimmen können.

Ade ade! Mein Alter bedaure ein bißel Deine arme Mukin.

Kann doch nun nicht länger warten mit diesen Brief; heute muß er fort, damit die Männe nicht auch etwa Sorgen um uns hat. Ach an Leib, sind wir gesund, aber die Seele befind sich gar nicht wohl. Der dumme Wind! konnte ihn nie recht leiden aber jetzt habe ich einen wahren Haß auf ihn. Heute hat er sich aber gedreht, und bläßt mir villeicht ein Briefel zu.      Alex hat sein Mimmel schon fast ganz vergeßen. Er ißt wie ein Alter, mit mir am Tisch. Die Henickstein hat gestern Abschied genomen. Daß ich Dir 1000 Grüße zu schiken habe, brauche ich wohl gar nitt zu sagen. Der arme Zezi hat gester[n] das Unglük gehabt sein Kind an der bösen Bräune zu verlieren die armen Leute sollen trostlos sein*.      bald 14 Tage bin ich nun ohne Nachricht von Dir! wir sprachen wohl oft davon: bey solchen Gelegenheiten sich nicht zu beunruhigen aber Dein letzter Brief war so trübe, daß ich recht mit Sehnsucht die nächste Post erwartete um was Erfreuliches zu lesen, und grade diese Briefe müßen so lang | unterwegs sein — nun wer weiß wo zu es gut ist! ich will nicht murren. Die Schlimste Zeit habe ich doch nun überstanden[.] Die Partitur habe ich immer noch nicht dem Schlesinger geschikt*, und ich thue es auch nicht bis ich Order von Dir habe. Seine Arangements kann er immer noch zeitig genug machen.      Humel hat hier bey Hoff gespielt*, ist dann nach Leipzig gereist, hat dort Conzert gegeben und kam gestern wieder um morgen hier eins zu geben*. Mit dem Present vom König ist er diesmal nicht so zufrieden (er hat eine Nadel bekomen). Er ist, und bleibt ein Geizhals. Durch dieses Schmuzige Wesen hat er sich aber schon 30 000 Thaler zusamen geschrapt. wie er selbst sagt.

Gott lob! Gott lob! Da sind ja noch die beiden Spätlinge No 12 13. ach das ist gut!! meine liebe Männe, was habe ich für Freude darüber! Ich zittere, daß ich kaum die Feder halten kann. Nun heute hätte ich es grade nicht erwartet, hatt mich schon ganz in mein Schiksal ergeben. Du gute gute Männe! könnte ich Dir nur ein Bußel dafür geben. Gleich habe ich auch meinen guten Rothe komen laßen der muß sich mit freuen. Freilich sind die Nachrichten von Deinen Befinden nicht die besten aber Du bist doch nicht krank. Gott wird weiter helfen und Dich beschützen. Könnte ich nur einen Tag bey Dir sein mein Leben, habe eine gar so grose Sehnsucht nach Dir. Doch da der Brief einmal dik wird will ich auch noch Deine Briefe beantworten, und mich hernach noch freun. Wenn Du arme Männe nur nicht mehr zu arbeiten brauchtest! ich habe es gleich gedacht daß Dich das noch recht quälen würde — nun wirst Dus wohl überstanden haben. Das Fürstenau übel dran ist, glaub ich, aber die Idee in die Fremde zu gehen ohne gut franzosich zu können ist auch höchst sonderbar. Ey Ey! Die Männe verdient ja viel Geld. oh! das ist gut. aber sauer verdienst Du es doch, denn solche Gesellschaften | wie bey dem Lord Herford, müßen Dir doch peinlich sein. Doch Du hast die Reise ja gemacht um Geld zu verdienen, und so muß die arme Männe in einen Sauern Apfel beißen.      Die Aufmerksamkeit mit den rasirmeßern ist recht hübsch.      wegen den Zinsen habe ich schon lange an Ballabene geschrieben aber noch keine Antwort erhalten. ich werde nun einmal an Jung schreiben. Hast Du gewust, das die kleine Tochter von Kleinwächters ertrunken ist? Die armen Leute. Das Unglük kömt gar zu gros.      Das auf den Proben Ortnung herscht wird dir wohl thun, aber Du schreibst mir noch nichts ob Du hofst  daß alles gehörig würken wird. Das sie noch einen Oberon geben ist spaßig, aber Dein Stern muß doch ein bischen spuken. In Deinem Nächsten Brief werde ich nun hören wie es ausfiel. So ein großes Englisches Hauß muß prächtig aussehen mögte schon einmal guken — doch das französisch lernen ist wohl gestichelt? Der Muks will wohl bald wieder fort? und die Weibe soll mit? nu meintwegen! ich gehe mit, wohin Du gehst. aber wie kann ich in Hosterwitz lernen? Das Vielerley was man mit Dir | noch vor hat, ist wohl was Gutes? nun verschweige mir nur Alles bis auf die Nachrichten von Deiner Gesundheit. doch wie die Oper ausgefallen möchte ich auch wißen —. Kanst Du das verdiente Geld nicht in der englischen Bank sicher unter bringen? hier weiß man nicht was man damit anfangen soll — nichts ist mehr sicher. Herzlich wünsche ich daß Fürstenau auch Geld verdienen mögte denn Sie scheint sehr ängstlich darum besorgt. Also das Wetter ist bey Euch auch schlecht? Oh weh! ich hoffte schon ihr hättet es beßer.

Eben kam auch Böttiger, der hat in den Englischen Blättern* gelesen daß Dein Rival Oberon, nicht gefallen habe. nun, auch gut! Böttiger nimt warmen Antheil, und versichert mich daß der junge Hoff sich lebhaft für Dich intreßiert[.]

Doch muß ich nun auch wohl aufhören Damit mein Brief kein Paquet wird. Gott segne Dich ferner mein Theurer Theurer Carl! ich drüke Dich an mein Herz, und gebe Dir 1000 Bußen. Max und Lex küßen die Hand, und Rothe und Böttiger grüßen herzlich. Leb wohl leb wohl +++ ewig Deine treue Lina

Apparat

Zusammenfassung

Spontini hat in Paris keine besonderen Kritiken bekommen, wird in Berlin zurück erwartet, sie empfiehlt Weber, den Oberon an das Königsstädtische Theater zu geben, da Brühl ein schwacher Mensch sei, und über Spontini brauche sie nichts zu sagen; Klage über das Wetter, Privates über Kinder und sich selbst; 14 Tage keine Post von ihm, aber am 6. April beantwortet sie seine Briefe Nr. 12 und 13, und reflektiert seinen Bericht von dem anderen „Oberon“ im Drury-Lane Theatre und den Abend bei Lord Hertford, wo er Klavier spielen musste

Incipit

Das sind ein paar schwere Tage für die Mukin

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Caroline von Weber 12

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. u. 1/2 Bl. (6 b. S. o. Adr.)
    • mit Empfangs- u. Beantwortungsvermerk Webers

Textkonstitution

  • 11„10“ durchgestrichen und ersetzt mit „11
  • „hab ich“über der Zeile hinzugefügt
  • i„s“ überschrieben mit „i
  • S„s“ überschrieben mit „S
  • „… kann man schon halbwege machen“dreifach unterstrichen
  • E„e“ überschrieben mit „E
  • N„n“ überschrieben mit „N
  • „das“sic!
  • O„o“ überschrieben mit „O
  • „… ach das ist gut !!“dreifach unterstrichen
  • H„h“ überschrieben mit „H
  • S„s“ überschrieben mit „S

Einzelstellenerläuterung

  • „… gewiß die besten heraus gesucht“Dagegen heißt es in der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitung (Jg. 3. Nr. 13 vom 29. März 1826, S. 104) zu den ersten sechs Aufführungen der 3. Fassung von Spontinis Olimpie zwischen dem 27. Februar und Mitte März 1826 unter Leitung des Komponisten in Paris, Spontini habe „den vollständigsten Sieg davon getragen“ und alle Pariser Journale seien „voll des Lobes über diese klassische Musik“.
  • „… armen Leute sollen trostlos sein“Anton Zezi verstarb am 2. April 1826 mit 7 Monaten und 8 Tagen „an Zahnen“ und wurde am 5. April begraben; vgl. Carl Heinrich Gerzabeck, Verzeichniß derjenigen katholischen Personen, welche in diesem abgewichenen 1826sten Jahre allhier in Gott selig verstorben … sind, Dresden [1826].
  • „Die Partitur habe … dem Schlesinger geschikt“Es geht um die Partitur vom Oberon; vgl. auch Brief von Caroline von Weber an ihren Mann vom 31. März/1. April 1826.
  • „… hat hier bey Hoff gespielt“Zum Hofkonzert am 27. März 1826 vgl. den Kommentar zum Brief vom 25./26. März 1826.
  • „… morgen hier eins zu geben“In Leipzig konzertierte Hummel am 1. April 1826 im Gewandhaus; seine Musikalische Akademie im Dresdner Hôtel de Pologne fand am 7. April 1826 statt.
  • „… hat in den Englischen Blättern“Vgl. The Times vom 28. März 1826 und The Theatrical Observer; and Daily Bills of the Play am 28. März 1826 (Nr. 1344).

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