Carl Graf von Brühl an Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein in Berlin
Berlin, Sonntag, 18. März 1827

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Ew: Durchlaucht haben mir unterm 10ten d: M. das anliegend wieder zurückgehende Schreiben des Königsstädter Theater-Actien-Vereins vom 8ten d: M: zuzufertigen geneigt, und finde ich mich verpflichtet, dasselbe Punkt für Punkt durchzugehen, und nach Möglichkeit zu beantworten.

Wenn jene Direktion äußert, daß der verewigte Kapell-Meister C: Maria v Weber den Text der Oper „Oberon“ als vollkommen im Genre der der Königsstädter Bühne erlaubten komischen Oper betrachtet habe, so ist hierauf in der That nichts zu erwiedern, als daß dem p v Weber die Concession nicht so genau bekannt seyn konnte, um hier als gültiger Richter aufzutreten.

Abgesehen davon, daß es schwer ist, gegenwärtig nach dem Tode des Componisten noch genau zu wissen, welche Ansichten er, streng genommen, in dieser Hinsicht hatte und haben konnte.

Wenn in dem erwähnten Schreiben der p Direction aber gesagt ist, der Componist habe die Oper ganz bestimmt dem Königsstädter Theater zugesichert, so muß ich dem officiell widersprechen, da ich weit entfernt bin, dem verewigten Componisten, den ich personlich stets geachtet, eine dergleichen Doppelzüngigkeit zuzuschreiben. Ich habe mit demselben mehrfach über diesen Gegenstand gesprochen, habe ihn aufgefordert, mir seine Partitur für das Königliche | Theater allein zu überlassen, um so viel mehr er wohl wissen konnte, daß es kein Concurrenz-Stück werden durfte, und er hat mir den Besitz derselben unbedingt zugesagt, wie dies auch aus einem Schreiben des Professors Lichtenstein vom 13ten July v: J: – welches ich in Abschrift hier ganz gehorsamst beifüge – des Mehreren hervorgeht. Das einzige mögliche und wahrscheinlichste ist, daß Herr p v: Weber der Königsstädter Theater-Direction die Partitur seiner Oper in dem Falle zugesichert habe, als etwa die Königliche Theater Direction auf deren Ankauf nicht eingehen sollte. Was jene Direction darüber äußert, daß mir ihre Unterhandlungen mit den Commissarien der v: Weberschen Familie officiell bekannt geworden, kann und will ich nicht in Abrede stellen, und sind Ew: Durchlaucht hiervon gleichfalls des Näheren unterrichtet. Da es mir nicht erlaubt war, den v: Weberschen Commissarien ein ihnen genügendes Anerbiethen zu machen, so stand ihnen aus diesem Grund auch völlig frei, mit der Königsstädter Theater-Direction zu unterhandeln, so wie es ebenfalls jener Direction nicht zu verargen war, sich den Besitz eines Werkes zu versichern, von dem sie hoffen konnten, während des Sommers ihre sinkende Kasse reichlich zu unterstützen.

Wenn die Königsstädter Theater Direction anführt, daß sie ein gegründetes Recht auf die Oper „Oberon“ habe, weil dieselbe nie auf das Repertoir der Königlichen Theater aufgeschrieben worden, so ist hierbei dreierlei zu bemerken:

Erstens: daß es gegen meinen Grundsatz ist, neue | Stücke auf das Repertoir zu bringen, ehe ich im Besitz derselben bin, zumal bei einem Werke, wo von so bedeutendem Honorar die Rede ist; daß es:

Zweitens: auch aus dem Grunde nicht mit aufgenommen worden, weil dies oft bei Stücken, wo es in Zweifel steht, ob sie, ihrem Genre nach, der Königsstädter Bühne als zugehörig angesehen werden können, oder nicht, – gewöhnlich nicht geschieht. Und

Drittens: weil ich vermeiden wollte, daß, im Falle ein Zweifel über den Genre entstehen und der Besitz dem Königlichen Theater streitig gemacht werden dürfte, nicht etwa die verfassungsmäßige Verfallzeit eintreten und die Aufführung der Oper verzögern möchte.

Daß diese Angelegenheit, wie die Königsstädter Direction behauptet, erst von der Zeit an mit großer Wichtigkeit behandelt worden sey, als man erfahren habe, daß sie die Partitur angekauft, und in diesem Verfahren eine Art von Gehässigkeit finden will, bedarf wohl von meiner Seite keine Widerlegung, weil Ew: Durchlaucht hinlänglich unterrichtet sind, wie sehr ich diese Oper für den Besitz des Königlichen Theaters gewünscht, und wie ich mich darum bemüht habe;

Was jene Direction über den Genre dieser Oper sagt, so fühle ich mich leider gezwungen, hier meine Befürchtungen unverhohlen auszusprechen.

Denn allerdings ist in dem gegenwärtigen Textbuche noch eine komische Person mehr, als in der | früheren Wranitzkischen Oper, nämlich der Elfe Puck; und der Titel einer romantisch komischen Feen-Oper kann ihr wohl durchaus nicht streitig gemacht werden. Wenn dieselbe in italienischer Sprache übersetzt werden sollte, so würde ihr niemand den Titel „opera buffa“ streitig machen.

Daß man jenem Theater nicht allein die Aufführung des älteren „Oberon“ gestattet, sondern auch Das Rosenhütchen von Blum Aschenbrödel, Rothkäppchen pp sind allerdings bedeutende Stütz-Punkte für die Gegen-Partei, und geben ihr starke Waffen in die Hände! – die einzigen zum Besten der Königl: Bühne festzuhaltenden Haupt-Punkte sind lediglich in der durch mich provocirten Deklaration des verewigten Fürsten StaatsKanzlers über die Cerfsche Concession enthalten.

Denn der Buchstabe der Concession selbst dürfte wohl den von Seiten der Königlichen Behörden ernannten schiedsrichterlichen Commission schwerlich Waffen genug darbiethen, um diesen bedeutenden Kampf durchzuführen.(gezeichnet) Brühl.Berlin den 18ten März 1827.

Apparat

Zusammenfassung

Stellungnahme zum Schreiben der Direktion des Königsstädtischen Theaters vom 8. März; widerspricht der Aussage, dass Weber den Oberon dem Königsstädtischen Theater zugesagt habe; Weber habe Brühl den Oberon fest zugesagt, wie auch der [im Original] in Abschrift beigelegte [hier aber nicht vorhandene] Brief Lichtensteins vom 13. Juli 1826 beweise; hat Zweifel wegen der Genre-Zugehörigkeit des Werks

Incipit

Ew: Durchlaucht haben mir unterm 10ten d: M. das anliegend wieder zurückgehende Schreiben

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. theor. 1018, Bl. 39f.

    Quellenbeschreibung

    • Kopisten-Abschrift für Brühls Acta Privata zum Oberon

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Teilveröffentlichung: Joachim Veit, Wranitzky contra Weber (S. 1446f.)

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