Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden
Wien, Mittwoch, 31. Oktober 1827

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Verehrtester Freund,

Wie ein Deus ex machina kam mir der Münzgraveur Krüger in die Hände, um Ihnen das dike Paket von Hammer schiken zu können.     Für Flügel ist bis jezt noch nichts gekommen.

Was Geh. R. Miltiz über die französische Behandlung des Texts von der „weißen Frau“ sagt, hat mir gefallen. Aber wenn er über Boieldieu spöttelt, daß er eine Auction in Musik gesezt habe, so verfällt er ganz in den nüchternen esprit, den er den Franzosen vorwirft. Keineswegs hätten Mozart, und wohl selbst unser Weber (eine Gradation a minori ad majus, über die man außerhalb Dresden lächelt) vor dieser Aufgabe zurükgeschaudert. Es handelt sich in dieser Auktion nicht darum, einige abgnüzte Kleidungsstüke an Mann zu bringen, sondern um den Wendepunkt der ganzen Fabel, um die Entlarvung eines Usurpators, um die Wiedereinsezung des rechtmäßigen Erben in sein Eigenthum, um die Vereinigung der beiden Liebenden. Aller Erwartungen sind gespannt, alle Affekte in Bewegung! Soll das eine völlig unmusicalische Aufgabe seyn? Nicht die trokenen Zahlen Zwei – Drei – fünfmahlhund. Tausend Thlr. sezt der Componist in Noten, sondern die Empfindungen, die beim Aussprechen dieser Zahlen sich den Gemüthern aufdringen, die Furcht und Hoffnung, womit sie erfüllt werden, und diese | Aufgabe hat Boieldieu mit genialer Kraft gelöst. – Daß aber Mozart, wenn ihm sein Text Zahlen bietet, davor nicht zurückschaudere, hat er in seinem Don Juan in der Arie bewiesen, wo Leporello die Schönen aufzählt, deren Gunst sein Herr in allen Ländern genossen hat, nämlich: 640 in Wälschland, 230 in Deutschland, 90 im Türkischen Reich u. 100 in Frankreich; aber in Spanien 1003. Diese tausend und drei! läßt er wie Boieldieu seine 500000. Thlr. dreimahl wiederholen, und meines Wissens ist es noch Niemand in den Sinn gekommen, ihn deßhalb zu tadeln. – Es freut mich, daß H. Babnigg sich zu einem großen Sänger gebildet hat; in Wien, wo er vor etwa 10 Jahren sang, war er noch ein kleines Licht. Die Meinung, daß nur Italiäner singen können, will ich nicht vertheidigen, aber unbedingt getraue ich mir zu behaupten, daß, gülte es einen Wettstreit zwischen den besten deutschen und den besten italienischen Kehlen, der Sieg der Italiener nicht einen Augenblik zweifelhaft seyn könnte. Non omnia possumus omnes! Hinter den Bergen giebt es auch Leute, und eine deutsche Catalani, Fodor pp, ein deutscher Lablache, Rubini müssen erst noch geboren werden.

Die Hochzeit des Fst. Metternich ist wegen einer Unpäßlichkeit seiner Schwester, der Prinzeßin v. Würtemberg*, um 8 Tage verschoben worden.

Leben Sie wohl
Ihr
Gr.

Apparat

Zusammenfassung

Hauptthema des Briefes ist die bespöttelte komponierte Auktion mit Zahlen von Boieldieu in seiner Weißen Dame, die G. mit dem Beispiel Mozarts mit der Leporello-Arie zu entkräften sucht. Am Schluß des Briefes singt er abermals ein Loblied auf die italienischen Sänger.

Incipit

Wie ein Deus ex machina kam mir der Münzgraveur Krüger in die Hände

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frieder Sondermann; Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. h 37:4, Bd. 65, Nr. 24

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S.)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Schwester, der Prinzeßin v. Würtemberg“Kunigunde (Walburga) von Metternich (1771–1855), seit 23. Februar 1817 verheiratet mit Ferdinand (Friedrich August) von Württemberg (1763–1834), genannt Pauline von Württemberg.

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