Friedrich Wilhelm Jähns an Marie Lipsius in Leipzig
Berlin, Dienstag, 9. Mai 1871

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Hochverehrtes Fräulein.

Herzlichsten Dank für Ihren lieben ausführlichen Brief, der mich recht in die Mitte Ihrer interessanten Bestrebungen versetzt hat. Aber thun Sie auch nicht zu viel! Ich kenne es nur zu wohl, wie aufreibend es ist, bei einem die ganze Seele erfüllenden Gedanken sich theilen zu müssen, es ist eine Qual, der sich der Mann öfter durch Unmuth entzieht, wo das Weib körperlicher leidet. – Wie gern hülfe ich Ihnen in Ihren Spontini-Fragen! Doch kann ich wenigsterns aus Dorn’s eignem Munde mittheilen (den ich gestern aufsuchte) daß er nicht der Verfasser ist von „Spontini in Deutschland" (1830).*) *)Wo ist das Schriftchen „Spontini in Deutschland" erschienen; wenn vielleicht hier, dann hoffe ich es Ihnen zu schaffen. Diese Arbeit ist falscherweise in Becker’s musikal. Verzeichniß pp als von Dorn herrührend genannt. – Eduard Devrients Mittheilungen über Spontini kennen Sie, nicht wahr? Sie stehen in der Gartenlaube, ich glaube | im vorigen Jahrgang.* Sie sind sehr interessant obwohl unerbittlich scharf, leider aber wahr! – In meinem Weber ist auch mehrfach von ihm die Rede, doch nur gleichsam ihn streifend, um auf die trüben Verhältnißse, die er hier hervorrief (wodurch er auch Weber auf das Bitterste durch die letzte[n] Jahre seines Lebens kränkte) nicht weiter polemisch einzugehen; denn darüber ließe sich eine umfangreiche Brochüre schreiben, und zu ausgeführter Polemik war kein Platz. Vielleicht interessirt es Sie dennoch, das Wenige, was mein Buch giebt unter „Spontini" nachzulesen. Es muß heut oder morgen in der Weststraße ankommen. Daß es dort so traurig steht, betrübt mich auf das Allerschmerzlichste. Ich wußte diese Verhältniße schon durch Herrn Braun, den ich gebeten, mir einige Fragen über das Fest zu beantworten, welches der selige Herr am 14. Dez. gab u. dem ich beizuwohnen die große Freude hatte. – Hoffentlich | kann die theure Frau nun recht bald zurück in ihre schöne bequeme Häuslichkeit. Wie innig wünsche ich ihre baldige gänzliche Genesung!! Wenn Sie sie sehen, sagen Sie ihr alles erdenkliche Liebe von mir. – – –

Noch fällt mir ein, daß die „Neue Berliner Musikzeitung" von G. Bock im Jahrgang 1855 im Januar u. Februar eine Reihe interessanter Mittheilungen von Seiten Rellstab’s enthält über „Ältere Musikzustände Berlins, die in Bezug auf Spontinis Berliner Thätigkeit wohl mnanches für Sie Interessante haben dürften. * Herr Alfred Dörffel wird diese Zeitung bestimmt haben; er ist Custos an Ihrer Stadtbibliotzherk u. ein sehr untzerrichteter ausgezeichneter Forscher und zugleich gefällig und liebenswürdig, was nicht alle Gelehrten sind. – Auch in Max v. Webers „Lebensbild" seines Vaters werden Sie im 22sten Abschnitt Band II pag. 293 Spontini zum letztenmale | in diesem Werke vorgeführt finden, eingehender noch in den folgenden Abschnitten bis zum 25sten incl. Diese Quelle dürfen Sie nicht unbeachtet lassen; sie ist besonders wichtig, weil sie authentische Belege bringt. – Daß Ihnen mein Lied zugesagt hat mich herzlich gefreut. Im Sommer darf ich also auf die Freude hoffen mit Ihnen einiges von mir zusammen zu spielen; schon im Voraus herzlichsten Dank dafür. Mit den Componisten sind deren eigne Sachen etwas undankbar zu spielen, sie sind immer unzufrieden, und ist der Mitspielende nicht eine Art Engel, so fühlt er sich gewöhnlich auch unbefriedigt dabei. Nun, Damen haben ja das Vorrecht die letzteren zu sein, und darum hoffe ich, daß Sie es, mein theures Fräulein, vielleicht dennoch mit mir aushalten. –

Doch nun Ade! Empfehlen Sie mich verehrungsvoll Ihrer Frau Mutter, wie unsrer theuren Freundin, sobald Sie sie sehen! In innigster Verehrung
Ihr F. W. Jähns

Heut habe ich zu mir großen Freude einen köstlichen Brief von Weber (NB Autograph) zum Geschenk erhalten; ich bin ganz glücklich darüber! Verzeihung meiner häßlichen Schrift; ich wollte schleunigst antworten u. hatte große Eil.

Apparat

Zusammenfassung

Hauptthema des Briefes ist Spontini, er weist sie auf Literatur hin, von der er glaubt, dass sie in der Leipziger Stadtbibliothek vorhanden sein müsse, empfiehlt besonders Publikationen von Eduard Devrient und Ludwig Rellstab und teilt mit, dass Heinrich Dorn nicht der Verfasser der genannten Publikation über Spontini sei, obwohl als Autor ausgewiesen, er habe es ihm persönlich bestätigt.

Incipit

Herzlichsten Dank für Ihren lieben ausführlichen Brief, der mich recht in die Mitte Ihrer interessanten Bestrebungen versetzt hat.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Stadtgeschichtliches Museum, Bibliothek (D-LEsm)
    Signatur: A/809/2010

    Quellenbeschreibung

    • 2 Bl. (4 b. S.)

Textkonstitution

  • „ihn“über der Zeile hinzugefügt
  • „“über der Zeile hinzugefügt
  • „darüber“über der Zeile hinzugefügt
  • „unter „Spontini"“über der Zeile hinzugefügt
  • „folgenden“über der Zeile hinzugefügt
  • „haben“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… ich glaube im vorigen Jahrgang.“Eduard Devrient, Berliner Erinnerungen. 1. Spontini, in: Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblaktt, Jg. 1870, Nr. 17, S. 264–266; Nr. 19, S. 302–304 u. Nr. 21, S. 326–328.
  • „… für Sie Interessante haben dürften.“Die Artikelserie von Ludwig Rellstab in der Neuen Berliner Musikzeitung beginnt im Dezember 1854 und endet Ende Juli 1855, sie behandelt die Jahre 1820–1830 und enthält Erinnerungen an Künstler, Musiker und bedeutende Opernaufführungen; über die Freischütz-Premiere und Euryanthe-Erstaufführung und über die Tätigkeit von Spontini wird ausführlich berichtet.
  • mirrecte „meiner“.

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