Korrespondenz-Nachrichten aus München, 2. Juli 1812

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München, 2 Juny*.

Gestern ist die (in Nr. 158 des Morgenblatts* angezeigte) italiänische Oper, Ottaviano in Sicilia, von der Komposition des Freiherrn von Poissl, zum ersten Male hier aufgeführt worden. Wenn gleich Hr. von Poissl durch einige frühere theatralische Arbeiten*, und noch neuerdings durch eine Messe*, zu sehr angenehmen Hoffnungen berechtigte, so hatBegleiterinn er doch durch diese Oper die gespannte Erwartung bey Weitem übertroffen. Mit dem Zauber der italiänischen Melodie, die sich Hr. von Poissl ganz eigen gemacht, verbindet er diejenige Kraft und Breite der Harmonie, die sich nur durch tiefes Studium des Satzes erwirbt, und die er bey der Behandlung seiner Chöre so glücklich als zweckmäßig anwendet. Seine Instrumentation, gleich reich und wirkungsvoll, ist deßungeachtet nie überladen, eine bescheidene, aber liebenswürdige Begleiteriun des Gesanges. Kurz, Ref. glaubt mit vollem Rechte vom Ottaviano behaupten zu dürfen, daß es ein Werk sey, welches in allen seinen Theilen seinen Schöpfer als Meister dokumentirt.

Die Aufführung übertraf in Hinsicht des Ensemble Alles, was man seit langer Zeit hier gehört hatte. Hr. Brizzi, als Ottaviano, glänzte eben so sehr durch seinen Gesang, wie durch die meisterhafte Deklamation der Recitative und der ästhetischen Haltung, die er in seine schwierige Rolle zu bringen wußte. Mad. Harlas gab die Partie des verbrannten Helden Cinna mit einem Aufwande von Kraft und Anmuth des Gesanges, den man fast üppig nennen könnte. Den gefühlvollsten Vortrag, die schwierigsten Passagen, das Portamento di voce bis in den höchsten Tönen, wußte die Künstlerinn auf eine fast unglaubliche Weise zu vereinigen und mit gleicher Treflichkeit vom Anfange bis zur letzten Note der Oper durchzuführen. – Mad. Wiexelbaum bewies sich durch ihre brave Darstellung der Scribonia werth, neben diesen Heroen des Gesanges mit Ehren zu stehen. Das Orchester spielte seines großen Rufes würdig, die Chöre gingen brav, und die Anordnung der Züge, Kostüme und Dekorationen waren so zweckmäßig, als glänzend. Das dankbare Publikum rief nach der Vorstellung den würdigen Komponisten hervor, und nach ihm alle Solo-Sänger.

Mit der angenehmsten Erwartung sehen wir den zukünftigen Produktionen des Hrn. von Poissl entgegen. Wenn er diese Bahn verfolgt, so wird sein Name gewiß bald neben den würdigsten Meistern seiner Kunst genannt werden.

Seit ein Paar Monaten erregt hier in vielen vornehmen Privat-Cirkeln ein junger Tonkünstler aus Berlin, Hr. Meyer Beer, ein Schüler des großen Vogler, Bewunderung mit seinen Phantasien auf dem Forte-Piano*. Auch ließ er sich in einem Hof-Konzert* zu Nymphenburg hören. Wie man sagt, wird eine große Oper* von seiner Komposition bald auf der hiesigen Bühne erscheinen. – Man erwartet auf derselben angenehme Gäste. Zunächst Eßlair* von Mannheim, die berühmte Sängerinn Dlle. Häser*, und dann den Schauspieler Schwarz* aus Stuttgart, dessen anerkannter Ruf, im vorigen Jahre, durch den ausgezeichneten Beifall, welchen seine Gastdarstellungen in Wien* erhielten, aufs Neue bestätigt und erhöht wurde.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung: Meyerbeers Tagebuch, 2. Juli 1812; bereits von Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 622–623, Anm. 187,2, Meyerbeer zugeschrieben.

Kommentar: Meyerbeer notierte in seinem Tagebuch am 2. Juli 1812, er habe eine Rezension über Poissls Oper gemacht & an Wohlbrück gegeben, der sie mit mehreren andern Notizen begleiten & ans Morgenblatt senden will; vgl. Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 187. Demnach ist davon auszugehen, daß Meyerbeer nur die Poissl betreffenden Abschnitte verfaßte, während der letzte Abschnitt (über Meyerbeer etc.) von Johann Gottfried Wohlbrück hinzugefügt wurde. Wohlbrück scheint den Text an den Redakteur Johann Christian Friedrich Haug geschickt zu haben, da dieser das Honorar für den Artikel erhielt, wie der Vermerk im Redaktionsexemplar (DLA Marbach) erkennen läßt.

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 7, Nr. 167 (13. Juli 1812), Sp. 668

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