Carl Maria von Weber an Giacomo Meyerbeer in Darmstadt
Ravensburg, Montag, 12. August 1811

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S: Wohlgebohren

Herrn Meyer Beer

zu

Darmstadt.

Lieber Bruder!

Ich kann aus dir gar nicht klug werden. Seit den ersten 14 Tagen meiner Abreise von Darmstadt habe ich keinen ordentlichen Brief beynah mehr von dir zu sehen bekomen. allem sezt aber dein lezter die Krone auf, den ein so confuses Ding ohne Anfang und Ende ist mir noch nicht vorgekommen. Erstlich ist er von Mergentheim aus vom 6t July datirt; und von Darmstadt aus erst abgeschikt worden, wo du ohnfehlbar meinen ausführlichen Brief vom 3t July vorfinden mustest und nun wahrscheinlich in der Herzensangst um doch nur etwas Futter mir vorzuwerfen, diesen Brief fortschiktest, den ich erst den 21t July erhielt und nicht eher beantwortete weil ich immer hoffte von dir noch eine Antwort auf meinen Brief vom 3t zu erhalten. Aus dem ○ das ich d. 1t August erhielt* sah ich nun wohl daß du Gott sey Dank noch lebst, aber auch weiter nichts. Nicht einmal über Samori* hast du ausführliche Notiz geschikt um die ich doch so sehr bat. Mein Abu Haßan muß nun in Frankf: gegeben seyn*, auch davon keine Sylbe. Und was mich vor allem intereßirt von deinem Leben, Treiben, und Plänen, gar nichts. wie kommst du denn schon wieder nach Mergenth: daß Sie jubelten wie Sie dich spielen hörten dank ihnen der Teufel. — daß Mangold die Violine nicht anbringen kann* hätte er wohl früher sagen können. ich weis vor der Hand nichts damit anzufangen, er soll nur so gut seyn sie noch aufzuheben. — Einen Brief von Wisbaden habe ich bekommen, aber — man bietet mir nur 1000 ƒ an, und da für gehe ich nicht in das Nest, wenn es die 1600 ƒ gewesen wären wie mir Gottfried schrieb, so wäre es meine Pflicht gewesen hinzugehen, aber dafür kann ichs nicht thunT. | du meinst Gottf: sollte dahin gehen?* um diesen Preiß ist es auch für ihn nichts. denn bedenke nur daß er seine ganze jezige Carriere und so manchen Vortheil müste fahren laßen, das wird durch 1000 ƒ nicht ballancirt.      Ich schreibe also die ganze Geschichte ab, und sezze meine Reisen fort. Vor der Hand sizze ich hier in Ravensburg auf der Würtembergischen Gränze, und ennuyire mich zu Tode, da ich wegen meinem Paße Unahnnehmlichkeiten habe und ein paar Tage hier warten muß*.      von Papa Vogler höre ich auch nichts ich habe ihm 2 mal geschrieben*, einmal zu seinem Namens GeburtsTage und zum 2t mal d: 10t July. mein Aufenthalt in München war seit d: 3t wo ich dir schrieb nicht mehr besonders Merkwürdig, als daß ich viele langweilige Visiten zu schneiden hatte., und mit Danzi, Baron Poisl, und Bärmann 4 höchst vergnügte Tage am Stahremberger See, 7 Stunden von München verlebte*.      von Gänsbacher habe ich endlich einen Brief erhalten von Franzensbrunn bey Eger, er hat Fremde gesprochen die dein Orat: in Berlin gehört haben, und ganz entzükt davon waren.      Mit seiner kleinen Oper geht es immer noch langsam, Sie soll nun künftigen Winter dran kommen. er hat ein Requiem geschrieben welches er für seine beste Arbeit hält*.      er macht noch eine Excursion auf den böhmischen Gütern*, und komt erst d: 20t August wieder nach Hause. Er ist übrigens zufrieden und glüklich und grüßt dir herzlich. d: 9t huj: bin ich von München abgereißt, nachdem ich mich wirklich schwer von manchem guten Menschen trennte. so wie ich überhaupt nicht genug die Liebe und Achtung des Orchesters rühmen kann, die es mir bezeigte. 2 Tage vor meiner Abreise machte ich noch dem König und der Königin meine Aufwartung* und wurde sehr gnädig empfangen. d: 7t blies Bärmann eines von meinen Concerten* im Hof Concert zu Ludwigsb Nymphenburg, das sehr gefiel. | Niemand war in München gegen mich, als — Winter, der ist aber schon so bekannt, daß es eine Ehre ist, wenn er über einen schimpft. übrigens war er immer mir ins Gesicht sehr collegialisch und artig.

So wie ich hier wegkann, gehe ich nach Constanz und d: 18t nach Schaffhausen zu dem großen MusikFeste*. dahin bitte ich dich also, mir Post restant zu schreiben.      Unserm Theuren Lehrer empfiehl mich aufs innigste, und bitte Ihn mich bald mit ein paar Zeilen seiner Hand zu beglükken.

an H. Profeßor, deinen Bruder, das ganze Haus. Hoffmann, Mangold pp alles Schöne, und an dir Lieber Bruder die Bitte nicht zu vergeßen Deinen treuen W:

Apparat

Zusammenfassung

beklagt sich über langes Schweigen Meyerbeers; Angebot aus Wiesbaden sei zu gering; sitze wegen Passschwierigkeiten in Ravensburg fest; über Münchener Aufenthalt und Gänsbacher; weitere Pläne

Incipit

Ich kann aus Dir gar nicht klug werden

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: N. Mus. Nachl. 97, A/49

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest u. -loch
    • PSt: H2KONSTANZ
    • diverse Unterstreichungen mit Rötel von fremder Hand

    Provenienz

    • Sotheby 21./22. Mai 1987, Nr. 455?

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 119–121

Textkonstitution

  • „Namens“durchgestrichen
  • „Ludwigsb“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „das ich d. … t August erhielt“Vgl. Tagebuch 1. August 1811.
  • „über Samori“Zur Aufführung von Georg Joseph Voglers Oper Samori in Darmstadt vgl. Brief an Gottfried Weber vom 30. Januar 1811.
  • „Abu Haßan muß … Frankf: gegeben seyn“In Frankfurt wurde Abu Hassan erst am 19. August erstmals aufgeführt, vgl. Brief an Gottfried Weber vom 10. März 1811.
  • „Mangold die Violine nicht anbringen kann“Am 11. Februar hatte Weber laut Tagebuch Georg Mangold eine Violine und Bratsche verkauft, vgl. dazu auch Brief an Giacomo Meyerbeer vom 17. Mai 1811.
  • „du meinst Gottf: sollte dahin gehen?“Vgl. dazu die Anmerkung zu Brief an Gottfried Weber vom 8. Juli 1811.
  • „wegen meinem Paße … hier warten muß“Weber war bei seiner Ausweisung aus Stuttgart untersagt worden, jemals wieder württembergisches Gebiet zu betreten. Bei seiner Durchreise in die Schweiz war er in Ravensburg von dem Oberamtsverweser Romig erkannt worden, der ihn vom 11. bis 15. August in Gewahrsam nahm, bis der Freisetzungsbefehl aus Stuttgart kam (vgl. Tagebuch)T.
  • „ihm 2 mal geschrieben“Im Tagebuch ist der erste genannte Brief zu Voglers Geburtstag am 15. Juni nicht verzeichnet; vor dem 10. Juli ist lediglich am 8. April ein Brief an Vogler eingetragen.
  • „mit Danzi , … von München verlebte“Zu Webers Aufenthalt am Starnberger See mit Franz Danzi, Johann Nepomuk von Poissl und Heinrich Baermann vgl. Tagebuch 15. bis 18. Juli 1811.
  • „ein Requiem geschrieben … beste Arbeit hält“Johann Gänsbacher, Requiem op. 15, gedruckt 1812 bei Haas in Prag, vgl. dazu Denkwürdigkeiten, S. 41–42 und Gottfried Webers Bemerkungen in einem Bericht über Aufführungen in Mannheim 1813, in: AmZ, Jg. 16, Nr. 10 (9. März 1814), Sp. 165–167.
  • „… Excursion auf den böhmischen Gütern“Damit sind vermutlich die beiden Orte Brunnersdorf und Hagensdorf gemeint, wo sich Güter des Grafen Firmian befanden.
  • „dem König und … Königin meine Aufwartung“Zu Webers Audienz bei König Maximilian I. und Königin Karoline Friederike Wilhelmine von Bayern vgl. Tagebuch 6. August 1811.
  • „eines von meinen Concerten“Heinrich Baermann spielte Webers Konzert Nr. 1 f-Moll für Klarinette und Orchester, vgl. Tagebuch 7. August 1811.
  • „dem großen MusikFeste“Das Musikfest der Schweizerischen Musikgesellschaft fand vom 21. bis 23. August 1811 in Schaffhausen statt, vgl. Brief an Gottfried Weber vom 19. Juli 1811 und vom 30. August 1811 .

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