Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Prag, Montag, 22. Februar 1813
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Theuerster Freund!
Wenn ich während meines Hierseyns nicht schon früher die Feder ergriff um Ihnen ein Lebens und LiebesZeichen zu geben, so geschah es blos weil ich die gewiße Entscheidung einer Sache abwarten wollte, an der Sie und Ihre theure Gattin gewiß auch den Antheil nehmen, den Sie mir schon so liebevoll bewiesen haben, und der mich immer in der Errinnerung und dem Glauben daran froh macht.
Ihr Wille mich irgendwo fixirt zu wißen, ist schneller und unverhoffter in Erfüllung gegangen als wir es uns wohl beyde träumen ließen, und am allerwenigsten ich, deßen Natur sich unwillkührlich immer mehr der des ewigen Juden zu nähern schien. Mit einem Worte ich habe mich hier als KapellMeister und unumschränkter Direktor der Oper der königl. böhmischen Ständischen Theater zu Prag engagirt.T Wie dieß alles gekommen ist, weiß ich kaum selbst, und ich kann wohl sagen daß mir oft das Ganze noch wie ein Traum vorkommt, wenn ich mir mich denke als so hübsch ruhig sizzend an einem Flekke, und denen hübschen Träumen von Italien, Frankreich pp. nachgukkend wie das Kind einer von der Luft entführten Seifenblase. Doch ist es einmal so, unterschrieben und besiegelt; ich mag mir die Augen ausreiben wie ich will, es wird nicht anderst.
Man hatte schon lange vor meiner Ankunft auf mich gelauert, | und kaum hatte ich das Prager Plaster‡ betreten als man von allen Seiten auf mich einstürmte, mich den Retter ihrer Oper, des alten böhmisch Musikalischen Ruhmes, den längst ersehnten Meßias pp nannte. Zugleich auch solche Bedingniße machte daß es wirklich unklug gewesen wäre sie von sich zu weisen. Ich habe mich auf 3 Jahre von Michaeli an verbindlich gemacht. doch beziehe ich jezt schon meinen Gehalt, der sich gegen 2000 rh:* beläuft. die jezige Oper geht zu Ostern auseinander, und fängt neu organisirt im September wieder an. ich habe die unumschränkteste Gewalt zu thun was ich für gut finde. und einen jährlichen Urlaub von 3 Monaten der aber freylich leider in den Sommer fällt. die Gründe, daß ich hier wirklich bey einer neu zu schaffenden Sache etwas leisten könne, und meinen Ruf dadurch befestigen und erweitern könne, auch schon so bekannt sey, daß ein Stillesizzen von 3 Jahren mich nicht bey der KunstWelt in Vergeßenheit bringen werde, und endlich daß die ZeitUmstände auch eine Reise nach Italien nicht unter die sicherste Speculationen rechnen laßen ppp bestimmte mich vorzüglich, und ich glaube daß Sie mein theurer Freund mit meinem mit Ueberlegung und – aufrichtig sey es bekannt etwas gegen meine Neigung gefaßten Entschluße, zufrieden sein werden. Obschon ich noch nicht in eigentlicher Thätigkeit bin, so lastet doch schon ein Berg von Vorarbeiten auf mir. die Führung der Correspondenz mit den neu zu engagirenden Mitgliedern ppp Auch werde ich diesen Sommer noch mit dem | TheaterUnternehmer Liebich eine Reise nach München, Mannheim pp machen um manches Subject selbst zu sehenT. Zum Componiren wird da nicht sehr viele Zeit übrig bleiben, doch werde ich thun was ich kann. außer 2 neuen Liedern habe ich hier ein Andante und Rondo Ungarese für den Fagottisten Brandt aus München geschrieben der d: 19t Concert gab, über welches Gänsbacher eine Beurtheilung einschikken wird*. Man hat mir gesagt das etwas über die Hymne pp in der Musik Z: stünde*, ich habe es aber noch nicht zu sehen bekommen können. d: 6t März gebe ich mein Concert worin ich sie wieder aufführen werdeT.
Was sagen Sie zu Spohrs Engagement in Wien? So wie ich ihn kenne ist er garnicht zu diesem Posten gemacht.
Doppelt liegt es mir jezt am Herzen ein gutes Opernsujet zu erhalten, ist denn noch von keiner Seite eine Hoffnung dazu vorhanden? Seconda hat endlich wegen meiner Opern an mich geschrieben, und nach dem Preiß gefragt, da er doch selbst ihn früher bestimmt hatte. Miller will die Silvana zu seinem Benefice geben. item mir ist es alles recht.
Bald sehen Sie der schönen Zeit entgegen nach
Ihrem friedlichen Konnewitz
zu ziehen, ich denke daran und an Sie so oft die Sonne etwas
wärmer wie gewöhnlich niederblikt. Es gehört mit zu meinem Troste das Prag
keine Ewigkeit von Leipzig entfernt ist,
und daß mir die Hoffnung bleibt Sie von Zeit zu Zeit
zu umarmen, und mich in Ihren lieben Häuslichen Kreise so mit hinzusezzen als ob ich
dazu gehörte. Ich rechne darauf daß Sie Ihrer verehrungswürdigen Hausfrau meiner lieben
Freundin alles Erdenklich von mir sagen, und sobald es Ihre Geschäfte zulaßen auch ein
paar Zeilen schreiben Ihrem Sie unveränderlich
herzlich liebenden Freund
Weber.
Prag d: 22t Februar 1813.
Apparat
Zusammenfassung
über sein Prager Engagement auf 3 Jahre und die dortige Aufnahme; erwähnt Vorarbeiten für die Organisation der neuen Oper, neue Kompositionen (u.a. Konzert mit Brandt, über das Gänsbacher schreiben werde); sucht ein Opernsujet; erkundigt sich nach Rochlitz Meinung zu Spohrs Engagement in Wien; plant mit Liebich eine Theaterreise; erwähnt Rezension der Hymne in der AmZ und Secondas Bestellung seiner Opern
Incipit
„Wenn ich während meines Hierseyns nicht schon“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Prag (CZ), Památník národního písemníctví (Literaturarchiv des Denkmals des Nationalschrifttums) (CZ-Ps)
Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
Provenienz
- Stargardt Kat. 271 (1927), 434
- Stargardt Kat. 264 (1926), 645
- Sotheby 23.-26.6.1924, 757
- Sotheby 26.-28.3.1923, 258
- Maggs Brs. Kat. 454 (1924), 2230
Dazugehörige Textwiedergaben
-
tV: Stargardt Kat. 264 (1926), S. ?
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„Plaster“sic!
Einzelstellenerläuterung
-
„2000 rh:“Vgl. auch Brief Webers an die Berliner Freunde, zweites Bulletin vom 20. Januar 1813 [2000 Thaler] und Brief Webers an Weber vom 26. Januar 1813 [3000 ƒ].
-
„… Gänsbacher eine Beurtheilung einschikken wird“Vgl. AmZ, Jg. 15, Nr. 10 (10. März 1813), Sp. 176–178; die Beurteilung ist nicht namentlich gezeichnet.