Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Dienstag, 11. Juni 1816 (Folge 1, Nr. 2)

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Meine theure geliebte Lina.

Glüklich und gesund bin gottlob hier angekommen, und wenn ich nur wenigstens alle Tage eine Stunde bey dir sein könnte, hätte ich alle Ursache heiter und froh zu sein, das mir jezt gar nicht recht gelingen will, worüber ich vielerley Sticheleien hören muß, und gerne anhöre.      Vor allem muß ich dir noch meine Dresdner Fata erzählen. Nachdem ich d: 7t meinen Brief voll Verdruß und Klagen, an dich abgeschikt hatte, kam um 11 Uhr ein Bote von Schmidl zu mir /: der schon den Tag vorher hätte es thun sollen :/ um mir zu sagen daß ich entweder noch einen Tag in Dresden bleiben oder nach Pillnitz kommen möchte weil H: Schmidl Aufträge für mich hätte. ich nahm also gleich einen Wagen und fuhr um 12 Uhr nach Pillnitz. Schmidl empfing mich sehr freundlich führte mich zum OberststallMeister Vizthum, welcher mir im Namen S: Majestät des Königs von Sachsen eine außerordentlich schöne goldene Dose übergabT, mit welcher ich mich sogleich wieder nach Dresden verfügte, und nichts bedauerte, als daß ich dir nicht gleich diese erfreuliche Nachricht geben konnte.      ich war nun über meinen verzögerten Aufenthalt nicht mehr böse, und der Saz hatte sich abermals bestätigt, daß ich immer alles mit entsezlichen Umständen und Schwierigkeiten erlangen muß. um 7 Uhr Abends saß ich im Wagen und nun giengs es durch die Sandwüsten fort den ganzen Samstag d: 8t die 2t Nacht auch durch wobey ich sehr fror und immer Regen hatte, und Sonntag d: 9t früh um 7 Uhr kam ich endlich hier an, und wurde mit der herzlichsten Liebe und Sorgfalt empfangen, ein schönes Zimmer, Pianoforte, herrliche Aussicht, gute Pflege, alles, – nur mein Muks fehlt, und beßeres Wetter. Denselben Tag speiste eben die Milder, Seidlers, und Hummels hier, leztere sind heute abgereißt*, so wie haben hier 2 volle Concerte gegeben* und grüßen dich herzlichst, haben auch deine Gesundheit getrunken.      die gute Kysting grüßt auch bestens, und kann es nicht erwarten dich hier zu sehen, wo sie darauf rechnet daß du bey ihr wohnst*.      von allen Seiten ist der Empfang wirklich erfreulich, und wenn nicht meine Kantate mir so entsezlich viel zu schaffen machte, so würde ich mich recht wohl befinden.

Meine Gesundheit ist über alle Erwartung gut, die Reise war doch unangenehm und mein Magerl führt sich so brav auf, daß ich gar nicht über ihn klagen darf.      Meine Kantate ist nun auf d: 18t festgeseztT.      lieber Mukkel wie confus und umständlich ist der hiesige Geschäftsgang. doch darüber mündlich. im Theater bin ich noch nicht gewesen, weil ich so viele Laufereyen und Besorgungen habe, wobey es mir freylich auch beschwerlich ist daß ich im Thiergarten wohne*. die guten Beers haben eine Reise blos wegen mir verschoben, und reisen den Tag nach meiner Kantate ab.      Heute muß ich nun die großen Visiten schlachten, zum König, Kronprinz, Prinzeßin Wilhelm pp. Abends ist Oedip, der Triumph Fischers und der Milder*. dann Gesellschaft beym Staatsrath Jordan, die andern armen Jordans habe ich noch nicht gesehen.      Die gute Koch hatte eine Freude!!      Ich sehne mich unendlich nach einem Briefe von dir mein geliebtes Leben, um zu erfahren ob Du gesund heiter und froh bist. Sey brav lieber Muks, hörst Du? daß ich Freude an dir erlebe und auch ruhig sein kann. nun muß ich schließen um mich anzuziehen. Nachtische noch ein paar Worte vor Abgang der Post. ich küße Dich  10000000000000mal /: wird Dir aber nicht schmetten, habe gar aufgesprungene Lipperln :/ |

Denselben. Nachtische.

Nur noch ein paar Worte mein guter Muks. Puks, Kruks, Kuks pp halb todt von Visiten bin ich. von 10–3 Uhr herumgefahren. das meiste ist ziemlich besorgt. die Solostimmen in der Kantate singen, die Milder, Eunike, und Fischer. Der Schauspieler Weidner von Frankfurt ist hier*. ich traf ihn Gestern im Kanzley Zimmer und merkte daß Er es wäre, sagte ihm daß ich mich freue seine Bekanntschaft zu machen nachdem ich so viel rühmliches von ihm gehört hätte. Er nahm das so hin, und frug nach meinem Namen. als er den hörte, kann ich dir nicht genug sagen wie seltsam freudig erschrokken er war, und mit welcher Freude er sich mir näherte.

Den König habe ich nicht getroffen. Heute Abend ist Oedip und nachher Gesellschaft beym Geh: Staatsrath Jordan.      jezt gleich sezze ich mich wieder in den Wagen um Besuche zu schneiden.      die Prinzeßin Wilhelm war besonders artig. der Kronprinz auch.      Mad: Beer hat mir wunderschönen Pique zu 4 Westen und Halstücher geschenkt*. die guten Leute thun alles mögliche mir Freude zu machen.      Der Wagen ist da, ich muß schließen.

Gott erhalte Dich gesund und froh, denke heiter an Deinen guten Carl und vergiß nicht daß nur dein Frohsinn ihn glüklich macht. ich küße Dich Millionenmal Dein ewig treuer
Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Reisebericht 7.-9. Juni; berichtet über gesellschaftl. Unternehmungen in Berlin; betr. Aufführung der Sieges-Kantate

Incipit

Glüklich und gesund bin gottlob hier angekommen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 63

    Quellenbeschreibung

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 223–226

Textkonstitution

  • „so wie “durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… hier, leztere sind heute abgereißt“Im Juli 1816 war J. N. Hummel wieder in Wien; vgl. AmZ, Jg. 18, Nr. 35 (28. August 1816), Sp. 602.
  • „… hier 2 volle Concerte gegeben“Hummel gab in Berlin am 30. Mai und 7. Juni Konzerte; vgl. AmZ, Jg. 18, Nr. 25 (19. Juni 1816), Sp. 424f. und Nr. 29 (17. Juli 1816), Sp. 497.
  • „… daß du bey ihr wohnst“Das Ehepaar Kisting hatte Weber laut Tagebuch am 10. Juni 1816 aufgesucht.
  • „… daß ich im Thiergarten wohne“In der Beer’schen Villa.
  • „… Triumph Fischers und der Milder“J. Fischer sang die Titelpartie, A. Milder die Antigone.
  • „… Weidner von Frankfurt ist hier“Julius Weidner gastierte in Berlin vom 5. bis 23. Juni als Wallenstein in Wallensteins Tod, Baron Hochau in der Radikalkur, Hettmann in Graf Benjowsky, König Philipp im Don Carlos, Nachbar Veit im Vetter aus Bremen, Inspektor im Lustspiel Die Ehescheuen von J. Franul von Weißenthurn, Klippfisch in der Brandschatzung und als Oberförster in den Jägern; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1816, S. 227–230.
  • „… 4 Westen und Halstücher geschenkt“Im Tagebuch sind diese Geschenke erst am 12. Juni 1816 festgehalten.

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