Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 3. Februar 1817 (Nr. 23)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

Mitglied des Ständischen Thea-
ters zu

Prag.

Mein vielgeliebtes MukenVies.

Wie geht es dir? was machst du, bist du brav, heiter, Gesund, nicht schwarzgalligt?* sizzen keine Teufelen aufm Bett? pp pp so hätte ich freilich alle Tage Millionen Fragen zu thun.

Ich lebe sehr zerstreut, und doch eben nicht sehr kurzweilig, das liegt aber wohl mehr an mir als an den Menschen die wirklich von allen Seiten sich bemühen, und wetteifern mich zu unterhalten und Beweise von Achtung zu geben. Aber freilich einen Lichtenstein, Hoffmann, Wollank, Lauska, Harlem pp findet man nicht überall; obwohl es hier Dichter giebt wie Sand am Meer. Vielleicht findet sich dann da doch mit der Zeit irgend einer heraus der mir zusagt. daß ich in meinem Hause auch noch nicht ganz in Ordnung bin, trägt auch viel dazu bei, daß ich mich noch nicht recht bequem fühle. ich habe noch nicht einmal ein Fortepiano*. Werde mich aber heute darnach umsehen. Die eine Kiste habe ich auch noch nicht ausgepakt, und also meinen Schreibtisch nur noch ganz unvollständig, und du weißt was das bei mir sagen will, da er meine eigentliche Werkstatt ist, und der Ort, an dem ich einen großen Theil meines Lebens zubringe.      Selbst daß ich nur vor der Hand in diesem Quartier bleibeT, macht daß ich mich nicht ganz drin festsezzen kann, und ich kenne nur eine Zeit wo mir ganz wohl sein wird, nehmlich die wo ich mich in meine stille Häuslichkeit, in die Arme meiner geliebten Lina werde von allen Geschäften und der Welt flüchten können. –

Es ist doch abscheulich daß ich keine Stunde für mich allein haben kann, und so sehr von Besuchen überlauffen werde. Jezt soll mich aber gewiß Niemand stören.

Heute bei Tisch habe ich deinen lieben Brief vom 29t Jan: und 1t Februar No: 25. erhalten. Ich kann dir nicht helfen lieber Muks, ich muß zanken, sehr zanken, recht ernstlich zanken. Ist das Recht, so ganz muthlos und trübe zu sein, wegen nitznuzzigen Kazbalgereien? du weist daß ich nichts halb thue, und dieses unendlich haße. Warum glaubst du also ich erzähle dir nur halb. Hab ich dir es nicht gleich von Anfang an deutlich genug gemacht, so geschah das in der Zerstreuung und in dem Wirbel in den mich damals der Andrang von so vielerley Geschäften versezte, aber nicht aus einer elenden Schonung, die keine ist, wenn man den Andern sich mit Zweifeln quälen läßt. Wie oft habe ich gesagt daß die schlimmste Gewißheit nicht so arg ist, als dieses schwankende Erwarten und Errathen. Und du kannst glauben daß ich vor dir ein Geheimniß haben könnte, oder nicht geradezu alles sagte wie es ist. Nein Lina, ich bin seit langer Zeit, recht unzufrieden mit dir, und macht mir dieses, nicht aber die hiesige Geschichte, Kummer. Wenn du so fort fährst wirst du es allerdings dahin bringen daß ich dir nichts mehr schreibe, wenn du durch deine Phantasie alles gleich so zu Riesenbildern machst. Statt daß es mir bis jezt Wohlthat war, dir jede Kleinigkeit erzählen zu können, die du aber ganz ruhig hinnehmen sollst, wie ich sie hinnehme, und noch geschwinder in Ordnung bringe als sie entstanden sind. und wenn ich auch bei dir etwas darüber klage, so geschieht dieß nur um mir Luft zu machen bei dem einzigen Wesen, von dem ich weiß daß es an jeder Kleinigkeit die mich betrifft Theil nimmt.       Jungh hätte wohl Recht dich zu verklagen, du thust das aber selbst am besten durch die Stimmung und den Ton der jezt in deinem Briefe herrscht. – Ja ja, du hast ganz recht daß du mich erheitern und erquikken sollst, aber freilich nicht erzwungen, das würde ich gleich erkennen, aber daß du eben diese Ruhe gewinnen sollst, ist was ich so sehnlichst für unser beiderseitiges Wohl wünsche. Klagen wir beide zugleich, so hilft keines des andern Leiden tragen, sondern vergrößert sie, und der wahre Zwek und Erfolg der schönen Liebe und Vereinigung zweyer Seelen wird verfehlt. – Doch nun genug gebrummt, und nun auch dankbar anerkannt wie brav mein Muks übrigens ist, und wofür ich ihm segnend meine Hände auf das liebe Haupt lege und + + + mache mit einem aus dem Herzen kommenden Kuße.       Aber für deine schlechten Zahlen must du Haue kriegen. wieviel hast du eingenommen? 112 ƒ? | sage, Hundert und zwölf Gulden? Das begreiffe ich nicht. Nun der Abschluß wird mir es schon deutlicher machen*. Du armer Hammel entschuldigst dich ordentlich daß du was davon nehmen must. geh dummer Kerl, sei doch nicht so kindisch.

Ein großer Stein fällt mir vom Herzen, daß die Mutter sich gutwillig anläßt, Es ist für sie und uns das Beste, und Gott gebe es so friedlich als möglich*. deine Handlungsweise mit dem Ausschlagen solcher Einladungen ist trefflich und löblich. Laße dich durch nichts irre machen, und du wirst immer mehr einsehen lernen, daß man nichts in der Welt zu fürchten hat, wenn man tadellos seinen Weg geht, und dieses sich immer aufs herrlichste belohnt. Fahre ferner so fort braver Muks, aber hüte dich dabei den Stein auf Andere zu werfen, das geht dich nichts an, und darfst du deinem Mäulchen schon etwas verwehren. Auch sind nicht alle Sachen so arg als die Welt sie gerne macht, denke daran, und sei nachsichtsvoll, billig und wohlwollend gegen deine Neben Menschen.      den nächsten Beweiß hast du an der steigenden Liebe und Achtung des Publikums.       Was unsre Angelegenheiten hier betrifft, so wiederhole ich dir, daß du ruhig sein darfst, wenigstens so weit meine Einsicht geht. die ganze Stadt ist entzükt von der Vorstellung des Josephs /: die Gestern wiederholt wurde bei vollen Hause*, :/ und die Achtung und Liebe gegen mich von allen Seiten des Hofes und der Stadt ist so ausgezeichnet als ich sie nur verlangen kann. Also weg mit unnüzzen das Leben verbitternden Quälereyen.

Gestern Abend dachte ich viel nach Prag und an dich, und bin recht begierig wie es aufgenommen worden ist*. du hast gewiß deine Sachen recht schön gemacht. Es freut mich auch dabei von dir zu hören daß sie alle mit Liebe sich der Sache annehmen.       Von Grünbaums habe ich noch immer keine Antwort, und es ist mir doch so viel daran gelegen, und ich habe keine Zeit zu verliehren, auch Sie thäte sehr Unrecht ein so solides Brod zu verscherzen*.      Du irrst dich sehr wenn du glaubst daß ich gequält und chicannirt werde. die Guten fangen schon an mich zu lieben*, und die Bösen haben eine tüchtige Furcht, vor mir, weil sie wohl wißen daß mit mir nicht zu spaßen ist.      Wegen mir sei nur ganz ruhig, und vor allem unterstehe dich nicht mehr meinen Briefen nicht zu glauben.      habe ich dich schon jemals belogen? oder etwas schöner vorgemalt als es war? Ums Himmels willen thue das nicht mehr, sonst würde ich immer denken, was hilfts wenn ich ihr auch das und das schreibe sie glaubts ja doch nicht, sondern folgt nur den Eingebungen ihres schwarzen Dämons. –

Dein Gebet den 30t Abends hat seine Wirkung nicht verfehlt*, wie du jezt schon wißen wirst, und dein Muks Ehre und Freude erlebt.       Du machst mich ja ordentlich neugierig auf die alte Silvana*, so viel Schönes erzählst du mir davon, wenn nur kein hinkender Bote nachkömt, es wäre recht schade für Eure viele Mühe.      Das Gute hat es für mich, daß ich mich recht freuen werde wenn es gut ausfällt, und eben nicht todtschieße wenn es den H: Pragern nicht gefällt.

Gesund bin ich Gottlob auch recht sehr, und fehlt mir nitz als Muks und die Million – du weist schon. – Mit deinen dummen einfältigen Ahndungen wirst du mich einmal recht wild machen, wenn noch eine einzige von diesen Talkereyen eingetroffen wäre, so wollte ich nichts sagen, aber so, da sie sich immer als Dunst und Nebel bewiesen haben so ist es unverzeihlich, quält sich das dumme Vies ab, und hezt sich und jammert und fürchtet, und ich eße unterdeßen vielleicht guten Muths eine Kartoffel oder trinke ein Glas Wein. bist ein rechter Oz, und kömmst ganz wieder auf die alten Sprünge. |

Das ist ja eine alte, abgemachte Sache, daß du d: 1t Aprill aufsagst, und zu Ende deines Kontraktes bestimmt von Prag und dem Theater abgehest, und ist es mir nie einen Augenblik anderst eingefallen, als dich um diese Zeit im Triumph heimzuholen. du wirst sehen, wenn mein König mich einmal kennt, er jagt mich nicht wieder fort. – und sollte er mich auch nicht behalten wollen, so erfahre ich es ja zeitig genug und Gott wird schon für ein ander Stükchen Brod sorgen, und vor der Hand, würden wir auch nicht verhungern, drum laß uns sparen, denn mit Geld ist alles zu machen, und braucht man es nicht, so ist schnell eingekauft.

Ich schikke dir hier den Zardischen Wechsel* indem ich glaube daß es gut sein wird das Geld zu erheben nebst Intereßen also 530 f W: W: und es in Gut Geld umgesezt auch zu Ballabene zu thun, damit alles beisammen ist. ich habe ihn auf meinen guten Dr: gerirt, weil es dir vielleicht nicht recht gewesen wäre das Geld selbst zu erheben, was Jungh gerne gütigst besorgen wird. Grüße Ihn 1000 mal von mir und bezeige meine innigste Freude über die Beßerung der guten Fanny, und seinen lieben Brief den ich gewiß nächsten Posttag beantworte.

Heute hat ich zu viel mit dir zu zanken, und die Post geht. auch an meine gute Mama Qualowsky alles Erdenkliche.

Nun Geschwind noch erzählen. d: 31t Mittag Bassi mein Gast, im Engel. dann Visiten. Abends SingAkademie*, dann Casino Ball.

d: 1t Febr: Mit Besuchen überlaufen. dann 12 Uhr Verpflichtung mehrer Orchester Mitglieder*. Mittag bey S: Exellenz dem 1t Marschall v: Raknitz. ins Theater Morlachis Oper*. dann umgezogen, Große Gesellschaft beim Östreichischen Gesandten. bis 12 Uhr, gespielt*, accomp: pp d: 2t Besuche. um 11 Uhr in die Kirche. Mittag bey H: Tietz. Abends Joseph. dann zu Schmidl und [von ihm v]erführen laßen auf die Redoute, die elend war, und wo ich [mich ent]sezlich langweilte. aber ich wollte nicht gerne den Sonder[ling] machen.      Heute früh Konzert Probe. Mittag im Engel. Abend Konzert* im Theater zwischen den AktenT.      Morgen gebe ich ein großes Dinér an meine dirigirenden Collegen und die Regisseurs im Engel. wird Geld kosten, aber Aufsehen machen, spreche ich mit Hippeltanz*.      es muß sein.      

Und nun gute Nacht geliebtes Leben, sei brav, heiter und froh, und kränke deinen armen Muks nicht durch deinen trüben Sinn, du hast es wahrhaftig nicht Ursache.      Gott erhalte dich Gesund. grüße die Mutter aufs beste. und alle Bekannte. ich buße dich Millionenmal behalte mich lieb so wie dich dein ewig treuer dich über alles liebender Carl. + + +.

Millionen Grüße von Schmidls und Bassi, Burmeister Hellwig pp.

Apparat

Zusammenfassung

über die Probleme seiner Eingewöhnung in Dresden und private Unstimmigkeiten; berichtet über den Erfolg des Joseph in Dresden und Aufführung der Silvana in Prag; betr. Engagement Therese Grünbaums; mahnt Caroline Brandts Kündigung ihres Engagements am 1. April an; schickt Wechsel mit Anweisung, das Geld zu Ballabene zu geben; gibt sein Tagebuch 31. Januar bis 3. Februar wieder, erwähnt gesellschaftliche und dienstliche Verpflichtungen; will am 4. Februar ein Diner für einige Kollegen geben

Incipit

Wie geht es dir? was machst du, bist du brav

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 2, Nr. 3

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelloch
    • auf der Adressenseite am unteren Rand von F. W. Jähns in Tinte: „Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.“

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Textkonstitution

  • noch„sich“ überschrieben mit „noch
  • „von ihm v“ergänzt von den Hg.
  • „mich ent“ergänzt von den Hg.
  • „ling“ergänzt von den Hg.

Einzelstellenerläuterung

  • „… brav, heiter, Gesund, nicht schwarzgalligt?“An schwarzer Galle leiden, melancholisch sein.
  • „… noch nicht einmal ein Fortepiano“Vgl. dazu die Tagebucheinträge vom 14. (Bestellung) und 17. Februar (Bezahlung) sowie 10. März 1817 (Lieferung).
  • „Aber für deine … schon deutlicher machen“Die Zahlen betreffen offensichtlich Caroline Brandts Benefiz in Prag.
  • „Ein großer Stein … friedlich als möglich“Die Bemerkung bezieht sich auf den Plan, die Mutter Christiane Sophia Henrietta Brandt nach der Eheschließung bei Carolines Bruder Louis unterzubringen und ihr einen Unterhalt zu zahlen.
  • „… wiederholt wurde bei vollen Hause“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 12. Februar 1817.
  • „… wie es aufgenommen worden ist“Am 2. Februar 1817 hatte am Prager Ständetheater die Silvana mit Caroline Brandt in der Titelpartie Premiere; vgl. u. a. die Presseberichte im Gesellschafter vom 26. Februar und im Sammler vom 8. April 1817.
  • „Von Grünbaums habe … Brod zu verscherzen“Webers Bemühungen, die Prager Sopranistin Therese Grünbaum, geb. Müller, und ihren Ehemann, den Tenor Johann Christoph Grünbaum, für Dresden zu gewinnen, blieben vergeblich.
  • „… schon an mich zu lieben“Auch der Dresdner Korrespondenzbericht vom 28. Februar 1817 in der Allgemeinen Zeitung bestätigt, dass Weber „bald ein Liebling des Publikums geworden“ sei.
  • „Dein Gebet den … Wirkung nicht verfehlt“Bezieht sich auf die erste Aufführung des Joseph.
  • „… neugierig auf die alte Silvana“Prag war nach Frankfurt/Main (UA 16. September 1810), Berlin (EA der überarbeiteten Version 10. Juli 1812), Weimar (EA 17. Februar 1814) und Dresden (EA 19. Juni 1816; dieselbe Truppe gab das Werk ab 13. November 1816 auch in Leipzig) der fünfte Ort, an dem die Oper einstudiert wurde.
  • „Zardischen Wechsel“Weber hatte laut Tagebuch am 27. Februar 1815 500 f von Caroline Brandt bei Zarda auf seinen Namen angelegt; vgl. auch den Eintrag vom 1. März 1816.
  • „… . dann Visiten. Abends SingAkademie“Zu den aufgeführten Werken vgl. das Tagebuch.
  • „… Uhr Verpflichtung mehrer Orchester Mitglieder“Vgl. dazu auch den Kommentar im Tagebuch.
  • „… . ins Theater Morlachis Oper“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 10. Februar 1817.
  • „… . bis 12 Uhr, gespielt“Laut Tagebuch die Grande Polonaise Es-Dur.
  • „… im Engel . Abend Konzert“Auftritt des Flötisten C. Keller aus Stuttgart und des Posaunisten F. Belcke aus Berlin.
  • „ Hippeltanz“Hippeldanz ist eine Figur in: Das Epigramm von August von Kotzebue, jedoch kommt das Zitat nicht darin vor, aber in Kotzebues Armuth und Edelsinn; vgl. August von Kotzebue, Theater, Bd. 5, Wien, Leipzig 1840, S. 11 (I. Akt, 3. Szene: Fabian Stöpsel: Wird viel Geld kosten. Peter Plum: wird aber Aufsehen machen.).

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