Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 28. April 1817 (Nr. 43)

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Mein vielgeliebter Mukkes!

Gar nicht kann ich dazu kommen mit Mukkin gehörig zu plaudern, was ich doch alle Tage gar zu gerne ein 4tel Stündchen thun möchte, aber es langt nicht zu, und ich muß mich begnügen dich und dein Andenken immer im Herzen zu tragen, und dann und wann ein bischen mit andern Leuten von dir sprechen zu können, was mir denn recht innig wohl thut. So war ich vorgestern Abends bei Bassi, der einer Heiserkeit wegen zu Hause bleiben muste, wo wir recht viel von dir und meinem und deinem künftigen Hausstande und hiesigem Leben sprachen. Eine Materie in der ich unerschöpflich bin, und die ich mich unaufhörlich beschäftiget, so wie gewiß auch dich nicht weniger. Jezt besonders armer Schneefuß wirst du entsezlich zu pakken, zu schreiben und – zu bezahlen haben.      ja ja, und wenn du fertig bist, so geht es bei mir an.      Ich war vorgestern in dem neuen Quartier, und habe ein Zimmer erbettelt für die Möbel. Auch haben sie mir Hoffnung gemacht daß ich zu Johanni /: Ende Juny :/ schon einziehen könnte, und das ist eine Hauptsache, denn es ist doch sehr viel zu ordnen und machen zu laßen, ehe die Mukken königinn in Ihr Reich einziehen kann.      Öfen, Wände, ausbeßern, Böden wichsen, und 1000 dergl: DingeT.      Der H: Profeßor der es jezt bewohnt scheint auch etwas sehr filzig zu sein, und wird mich jeden Nagel den er stehen läßt, bezahlen machen.      Gestern Abends 8 Uhr sind Grünbaums angekomen. Es war recht sonderbar, ich wurde ganz wehmüthig und still wenn ich mir dachte daß diese Menschen gerade von dir kämen, und du eben so gut als Sie hättest da sein können, ich dachte alle Augenblike du müstest aus der Kammer herausspringen und mir an den Hals. es war aber nitz. mittebracht haben sie mir auch nitz von dir, ich dachte du würdest ihnen vielleicht das neue Teuferl mitgeben, das so schön Nein! sagen kann /: man sieht doch gleich was aus weiblicher Fabrik komt :/ und dir ähnlich sehen soll, – es war aber nitz, und es wird wohl noch nicht fertig sein.      denn du hast jezt mehr nothwendige Sachen zu machen und zu nähen, als so’n Teuferl, oder Spadifankerl.      Sie sind beide recht gesund und grüßen dich bestens. Nun zu meinem Tagebuche.      Das heillose schlechte Winter Wetter, Schnee und tüchtige Kälte, liefert mir viele Patienten, die den Geschäfts Gang erschweren, unser Graf Vizthum hütet auch noch immer das Haus, und der tägliche weite Weg zu ihm nimmt auch viele Zeit weg.

d: 25t war ich also Mittag beim 1t Minister wie ich dir schon schrieb. Er und Sie waren sehr artig. nach Tische mußt ich etwas spielen*, und nun wurden sie erst warm, so daß ich glaube sie gut für mich gestimmt zu haben. Weil ich einmal die Füße an hatte, so gieng ich von da zum Preuß: Minister in Gesellschaft.      d: 26t schikte ich die Musik von Yngurd ab nach Berlin. hatte Lection*, und Quartett und Lese Probe von Joh: v: Paris. Mittag im Engel.      Nachtische zum Grafen, zum alten kranken Schmiedl, ins Quartier. pp H: Tenorist Klengel aus München kam an, der in Leipzig engagiert ist, und will auch Gastrolliren*. Abends ging ich zu Baßi. und Weixelb: sangen | im Tancred bei sehr leerem Hause ihre lezte Gastrolle. die schnelle Krankheit deines Verehrers des alten Burmeisters machte daß Hellwig den Dr: Cajus in Ostade schnell lernen muste. Gestern d: 27t früh fingen wir also an zu studieren. um 10 Uhr. war Pr: von Joh: v: Paris. dann GeneralP: von Ostade. Mittag im Engel. Nachtische zum Grafen, Böttger, und Weixelb: wo ich einen Vermittler zwischen Baßi und ihnen abgeben mußte. das ist ein recht miserables klatschiges argwöhnisches Volk, die uns hier toll machen würden. wir haben ihnen aber auch gute Dinge gesagt. Baßi in voller Wuth, und ich in voller Ruhe. dann ins Theater. Der Schawl, wo Mad. Hartwig deine Rolle spielte*. Mir war es eine wahre Freude zuzusehen, denn ich sah nicht Sie, sondern nur dich in Gedanken, alle deine Geberden, Ausdruk pp stand lebendig vor mir, und ich dachte gerührt der schönen Berliner Zeit, die wir wohl so eigentlich unsre süße Braut Zeit nennen können.      Darauf Ostade. gieng recht gut*. am Ende deßelben brachte mir Ferdinand die Nachricht von Grünbaums Ankunft, und ich eilte hin.      Da brachte Sie mir einen Buß mit von dir das war alles, und wuste auch übrigens nicht sehr viel zu erzählen. von der Drs: Geschichte wollte ich nicht fragen, und übrigens weis ich ja auch daß ihr euch nicht sehr viel seht, besonders du in deinen jezigen AmtsGeschäften und Grünbaums während der ReiseAnstalten.      Nun aber, wird gleich ein Brief von Muks gegangen kommen. und ich will also unterdeßen sagen, und einige Dienstsachen vornehmenT.

adieu, Muks, gieb mir einen Buß?      ah, schmett gut! gelte? Nun! – Geduld!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Du gar herzliebes gutes Leben, wie viel Freude hast du mir durch deinen guten frohen Brief No: 46, gemacht. Gott sei gelobt und gepriesen daß du wieder so heiter und froh bist. Es hat mich ganz erhoben und gestärkt.      Den ganzen Morgen bin ich wieder so überlaufen worden, daß ich endlich vor Ungeduld beinah vergangen bin, und selbst deinen Brief nur in 3 Absäzzen lesen konnte, alle übrige Arbeit, aber nur wider heute Nacht machen muß, denn es ist schon Mittag und ich muß mich schnell anziehen. Möchte so gerne recht lang und breit mit dir sprechen, denn an Stühlen mich breit hinzusezzen fehlt es mir nicht, aber an Zeit, die leider nothwendiger als ein Stuhl ist.      Bin recht froh daß du mit Drs: wieder auf dem alten Fuß bist, sei nicht steif gegen Sie, aber wache über dir, dann kann dir auch Niemand zu Nahe treten.      Du siehst der alte Präzeptor muß immer irgend ein Sprüchelchen oder Regelchen bei der Hand haben. Nun sie komen vom Herzen und gehn zu demselben.      mach mich nur nicht stolz mit deinem Lob. aber warum nicht? auf die Zufriedenheit und das Vertrauen meiner geliebten Lina zu mir, darf ich schon stolz sein, denn es ist ja mein einziger Wunsch, Freude, und Streben. |

Die gute Aufnahme des Tancred habe ich Gestern Abend schon von Grünbaums erfahren*. Was du mir aber von ihr schreibst, ängstigt mich etwas für die arme Frau.      Sie hat mir auch sehr viel Gutes von der Waldmüller gesagt, und ich werde mir deine Bemerkung hinters Ohr schreiben. Im Tancred ist wirklich viel herrliche ErfindungsGabe und Lieblichkeit. Ist aber gröstentheils Modepuz, und wird auch so vergehn, da durchaus alle innere Wahrheit fehlt, und die Korrek[t]heit und Vollendung die allein die Erzeugniße des Genies zum wahren Kunstwerke stempelt.

Ausgaben? — ach! schweigen wir davon — —

Wie kann ich denn dem Bomsel den Paß besorgen*, wenn ich nicht genau weis wanns komt? sprich doch gleich darüber, und schreibe mir was nöthig ist, so besorge ich es.

Du bist wirklich ein äußerst sehr fleißiger Hamster. hätte dich sehen mögen die Matrazzen stopfen.      habe recht gelacht, über deine Äußerungen von Gabeln und Magen, sei ruhig, ich kaufe nur das Nothwendigste, und mit denen warte ich ab bis zulezt, weil man oft unter der Hand etwas ordentliches bekömt. den Faust werde ich in der Folge nehmen, für diesen Augenblik geht es nicht an*. auch wollen wir ihn selbst abschreiben laßen, da ich eine Kopisten Kanzley habe. was soll er denn kosten? Yngurd ist 2 mal gegeben, und hat gefallen, ohne eben eine große Sensation zu machen*. das brauchst du aber nicht zu sagen sonst verkaufe ich meine Musik dazu nicht.

Ich glaube wie du daß sich die Grünb: in Berlin beßer gefallen wird als hier — wie Gott will, ich rede nicht zu, aber ich weiß was beßer ist.      H: Schabber kann ich nicht brauchen, und hilft deine Recomendatio gar nichts.       Sterne! Sterne, Sonnen!

Den Auftrag vom Dr: wegen Buchhändler Compagnie verstehe ich nicht recht. Grüße ihn bestens, und sage ich wollte mich gerne erkundigen wenn ich nur erst recht wüste was die Sache sein soll.

Die arme Marie Bomb bedaure ich unendlich, mehr noch ihre Familie.      Nur zu, Herr Notenschreiber, wenn er was lernt, kann er sich was verdienen, 1 Groschen und 1 Bußel für 1 Bogen, aber für jeden Bott! must du 1 Gr: und 2 Bußen geben. dabey hoffe ich noch schöne Kapitalien und Bußen zu erwerben.

Küß unterthänigst die Füß für die schönen Sachen die du meinem Kopf sagst, eine Spanne tiefer sizt doch’s beste. Wollte Gott ich hätte so viel äußere Vorzüge daß du auch in dieser Hinsicht Stoff zur Freude an deinem Muks hättest. halte dich nur an Kopf und Herz, dann paßirtes noch, wenigstens werden sie ewig treu die deinigen sein.

     

Nun muß ich aber schließen, so gerne ich noch pabsen möchte. Gott segne + + + und erhalte dich so froh und gesund, bleib brav, so wie dein dich über alles unendlich herzlichst liebender Carl, den du froh und glüklich
machst.
Millionen Bußen

Alles Schöne an die Mutter und die Drs.
Colraten

Apparat

Zusammenfassung

betr. Wohnungsangelegenheit; Tagebuch 25.-27. April; habe die Musik zu Yngurd nach Berlin abgeschickt; Antwort auf ihren Brief Nr. 46 (Persönliches)

Incipit

Gar nicht kann ich dazu kommen mit Mukkin gehörig

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 91

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 379–382 (unvollständig)

Textkonstitution

  • „ich“durchgestrichen
  • „in“über der Zeile hinzugefügt
  • „Colraten“unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • „… Tische mußt ich etwas spielen“Weber spielte seine Variationen in F-Dur; vgl. Tagebuch.
  • „… nach Berlin . hatte Lection“Webers Italienisch-Unterricht (17. Februar bis 5. September 1817).
  • „… ist, und will auch Gastrolliren“Klengel gastierte erst im April 1819 am Dresdner Hoftheater.
  • „… Mad. Hartwig deine Rolle spielte“Caroline Brandt hatte die Wilhelmine gespielt.
  • „… Ostade . gieng recht gut“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 7. Mai 1817.
  • „… Abend schon von Grünbaums erfahren“Zur Prager Erstaufführung der Oper am 22. April 1817 mit K. Waldmüller in der Titelpartie vgl. den Bericht im Sammler, Jg. 9, Nr. 58 (15. Mai 1817), S. 232.
  • „… dem Bomsel den Paß besorgen“Gemeint ist ein Frachtbrief für den Transport von Webers Hausrat von Prag nach Dresden; ein solcher wurde Weber am 1. Mai 1817 in Dresden ausgestellt. Um den Versand kümmerten sich in Prag August Pomsel und Caroline Brandt.
  • „… Augenblik geht es nicht an“Am Dresdner Hoftheater war Klingemanns Faust im Repertoire, daher kam Spohrs Oper wohl nicht infrage; sie erlebte ihre dortiger Erstaufführung erst am 20. Februar 1831.
  • „… eine große Sensation zu machen“Zu den ersten beiden Dresdner Aufführungen am 14. und 20. April 1817 vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 18. bis 24. April 1817.

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