Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mainz
Dresden, Freitag, 2. Mai 1817

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Lieber Bruder. Deine Briefe vom 28. März und 20. April habe ich richtig erhalten. Den 22. März reiste ich von hier ab, um meine gute Karoline in Prag zu überraschen, welches mir auch aufs vollständigste gelang. Den 28. dirigierte ich die 8. Vorstellung von ‚Silvana‘ bei brechend vollem Hause und wurde mit unbeschreiblichem Jubel empfangen*. Auch ging alles ganz vortrefflich und machte mir viele Freude. Den 1. April reiste ich zurück, hieher, um die notwendigsten Anordnungen zu treffen, und den 4. ging’s schon wieder fort nach Leipzig, wo ich im großen Konzert spielte und ‚im Kampf um Sieg‘ aufführte*; das gelang und ging mit Erfolg. Den 9. war ich schon wieder hier zur italienischen Oper ‚Adelina‘, in der Herr und Madame Weixelbaum debütierten, die seitdem mehrere Gastrollen mit Beifall gaben. Den 22. gab ich zum ersten Male Mehul’sHelene‘, gefiel sehr, und morgen ist ‚Johann von Paris‘ zum 1. Mal*. Zu Müllner’s Trauerspiel ‚Yngurd‘ habe ich einige Musik geschrieben. Das Publikum interessiert sich sehr für die deutsche Oper, die immer voll ist, sowie die italienische desto leerer. Von Deinen empfohlenen Subjekten wird wohl vielleicht Jul. Miller dran kommen. Deinen Oboist kann ich nicht brauchen; wir sind vollzählig, und bei der ersten Vakanz tritt der treffliche Thurner ein.

Du bist ein entsetzlich dummer Kerl, kannst nicht einmal lesen, und ich schreibe doch so eine schöne flüchtige Hand*. Meyerbeer’s Adresse ist Ferma in posta a Venezia, d. h. post restante in Venedig. Verstehst Du’s nun?

Wenn ich einmal einen guten Gedanken habe, so will ich ihn auf Dein Stammbuchblatt schreiben*.

Also Alexander Dusch heuratet? Gott gebe seinen Segen. Wen denn?*

Du bist ja sehr fleißig gewesen, Herr Bruder, hast ein großes Werk geschrieben*; hab’s mir schon bestellt und will’s gehörig beschnuffeln. Gnade Dir Gott, wenn Du mir was nicht recht gemacht hast. Im Ernste, ich freue mich sehr darauf: ist einmal Zeit, daß ein philosophisch und logisch denkender Kopf in den musikalischen Wirrwar eingreift und sichtet die Spreu von dem Weizen.

Sei doch so gut und schicke mir wohl eingepackt alle meine Sachen, die Du mir so lange treulich bewahrt hast*; ich möchte doch endlich einmal wieder alles beisammen haben. Sobald als sogleich, lieber Bruder, und berechne mir die allenfalsigen Auslagen. Du glaubst, daß ich jetzt nicht an Reisen denken kann. In diesem Jahr freilich nicht, aber für das künftige hege ich noch immer große Hoffnung Dich zu sehen, wenn es mir irgend möglich ist.

Deine liebe Gustel grüß’ mir recht aus Herzens Grund. Die Kinder müssen recht herangewachsen sein.

Gott behüte Dich und die Deinigen gesund und zufrieden, und behaltet lieb Euern alten treuen Freund und Bruder Weber.

Apparat

Zusammenfassung

Abriss seiner Tätigkeit seit Ende März: Reise nach Prag, Konzert in Leipzig, Opernaufführungen in Dresden; betr. Verpflichtung von Gottfried Weber empfohlener Musiker in Dresden; bezieht sich auf dessen „Theorie der Tonsetzkunst“, die er gespannt erwarte; bittet um Zusendung seiner bei Gottfried Weber aufbewahrten Sachen

Incipit

Deine Briefe vom 28. März und 20. April habe ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wilhelm Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem Nachlass, in: SIMG, Jg. 10 (1908/1909), S. 501–502

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Bollert/Lemke 1972, S. 80

    Einzelstellenerläuterung

    • „… wurde mit unbeschreiblichem Jubel empfangen“Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 339–341) fand am 28. März erst die sechste Vorstellung statt (vorhergehende Aufführungen am 2., 7. und 21 Februar sowie 5. und 19. März 1817; möglicherweise waren in die Zählung ursprünglich angekündigte, aber nicht stattgefundene Vorstellungen eingeflossen).
    • „… Kampf um Sieg ‘ aufführte“Am 8. April 1817T.
    • „… Paris ‘ zum 1. Mal“Vgl. dazu auch die Kommentare im Tagebuch an den genannten Tagen.
    • „… so eine schöne flüchtige Hand“Vgl. den vorhergehenden Brief Webers an G. Weber vom 6. März 1817.
    • „… ihn auf Dein Stammbuchblatt schreiben“Offenbar hatte Gottfried Weber einem seiner genannten Briefe ein leeres Blatt aus seinem Stammbuch beigelegt, auf dem C. M. von Weber einen Eintrag hinzufügen sollte. Ein solches Albumblatt ist bislang nicht bekannt geworden.
    • „… gebe seinen Segen. Wen denn?“Heirat Duschs mit mit seiner langjährigen Verlobten Nanette von Weiler am 27. Mai 1817.
    • „… hast ein großes Werk geschrieben“Gottfried Weber veröffentlichte ab 1817 seinen „Versuch einer geordneten Theorie der Tonsezkunst zum Selbstunterricht“.
    • „… so lange treulich bewahrt hast“Zu den Musikalien, Büchern und Familienbildern vgl. u. a. die als Briefbeilagen überlieferten ListenT.

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