Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Dienstag, 23. und Mittwoch, 24. September 1823 (Nr. 4)

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Schönen guten Morgen, Frau Mukkin. Gott gebe daß ihr eben so gut geschlafen habt wie ich. Nachdem ich Gestern meine No. 3 auf die Post spedirt hatte, gieng ich ins Theater wo der Barbiere di Seviglia* vortrefflich gegeben wurde. Der Lärm war ungeheuer, aber verdient.      dann aß ich mit Schwarz zu Nacht*, und las mit Ruhe und Lust im Bette noch einmal deinen lieben Brief durch.      Wie lebhaft kann ich mir alles denken was du mir beschreibst, und wie weich wird mir ums Herz wenn ich so die Mäzze Ater! Ater! rufen höre. ich hoffe doch daß er mich wieder erkennen wird.      Meine liebe gute Lina, ich habe nicht nöthig dich auf etwas Unangenehmes vorzubereiten, denn es geht mir gut, man kann sich keinen beßern Empfang wünschen, und ich denke auch das Ende soll dem Anfange entsprechen.      Sei nur guten Muths auch fernerhin wie du mir sagst daß Du brav seist, das ist die größte Beruhigung und Freude für mich.      Wenn ich nur erst meine Hauptbesuche überstanden habe, in dem großen Wien ist alles so weitläufig, und ich komme nirgends so schnell wieder weg.      deßhalb ist es recht gut daß meine Proben nicht sogleich anfangen, auch liegt mir die Ouverture noch in den Gliedern. Mir zu Gefallen hat die Administration die Abreise der Fodor um 2 Tage verzögert, und ich werde morgen die Semiramis hören, wo Sie und Lablache im Serieusen eben so groß sein sollen, als Gestern im Komischen*. Benedikt hat sich recht gut benommen. hier ist er nun ganz trunken und meint Berlin sei doch kaum ein Dorf gegen Wien. Von allen Leuten werde ich ausgezankt daß du nicht mitgekommen bist. Mußt schon einmal mit mir herrutschen und Dich fetiren laßen. Nun Madam Hasenfuß, daß Sie sich in Hosterwitz fürchtet, ist begreiflich, aber in der Stadt!!!      Mein Kupferstich hängt auch hier schon in allen Kunsthandlungen in goldenen Rahmen*. Vielmal habe ich meines guten Maxi Geschreibsel geküßt. Gott segne den lieben Jungen.

Mache Dir nur einen schönen Rott, und spare nicht zuviel. laß dir nichts abgehen.      hörst du.      hab mir auch schon einen Hut gekauft und einen Stok, wo sich Max keinen Schaden thun kann, wenn er mit ihm spielt.      laß dich nur um Gottes willen nicht von Böttger ängstigen, denn sein Korrespondent, Griesinger ist so entsezlich für alles Italienische eingenommen, daß er gar nicht glaubt man könne einen Deutschen singen hören. und wahrlich das Publikum ist sehr gerecht. Sie haben Gestern neben diesen Heroen die Unger in einem ganz unbedeutenden Ariettchen tüchtig applaudirt*. ich bin ganz guten Muths.      Nun für jezt genug, denn ich habe noch viel zu thun.      daß noch kein Brief von Cerini komt, Erkundige dich doch. hörst du, sie müßen ja schon in Dresden sein wenn du diesen Brief bekommst.

Ade, ade, ade derweile.

d: 24t Morgens.

Was man in Wien doch alles fürs Geld haben kann, da habe ich so eben ein Bad auf meinem Zimmer genommen, dann Kaffenet, und jezt komme ich zur Mukkin, und frage ob sie auch eben so gut geschlafen habe wie ich, und ob Maxi brav ist?      Seit Gestern ist ein Hundewetter mit Regnen, was mir sehr fatal ist bei meinem Visiten schneiden. Noch haben die Fiaker nichts | von mir verdient, heute werde ich ihnen aber schon ein paar Gulden zuwenden müßen.      habe Gestern viele Leute aufgesucht. unter andern auch Vogel gesprochen, der dich grüßt*. Der Mann hat eine süße Freundlichkeit die mich abstößt.      Die Grünbaum grüßt auch bestens. ich habe mit ihr wegen der Eglantine gesprochen wo sie sich wirklich lächerlich nahm.      So proponirte sie mir unter andern ich sollte der Oper einen andern Titel geben.      ich mußte herzlich lachen und fragte sie ob das nicht eine ächt ital: Prima Donnen Idee wäre. Ja meinte Sie, es wäre des Auslandes willen, das glauben müße sie sei auf 2t Parthien reduzirt.      ich erklärte ihr darauf ganz freundschaftlich Sie möchte das Buch lesen, und sich dann entscheiden. Könne sie es nicht mit wahrer Lust thun, so solle sie es lieber bleiben laßen.      ich werde schon eine finden, und die Bondra, die sonst die Vestalin pp sang, ist eine sehr brave Schauspielerin, versteht zu singen und sieht gut aus, wenn gleich die Stimme der ersten Frische entbehrt. Um das alles ordentlich beurtheilen zu können ist es recht gut daß Riottes Oper voraus geht, die auf den 3t 8b bestimmt ist.

Nachdem ich Gestern Abend im Kärnther Thor die Bondra gehört hatte*, im Geheimniß, mit ganz anderer Musik, wo der Hasenhut den Bedienten machte*, gieng ich ins Burgtheater um die Schröder zu sprechen*, und dann mit Schwarz in eine Gesellschaft mehrerer Künstler und Dichter*.      Die Aufnahme die ich überall finde ist wirklich erfreulich. Es giebt eine gewiße Art der Achtung die sich nicht beschreiben läßt und die die wahre ist. Wenn dann diese von den ersten Personen bis zu dem Theater bedienten und Leuten herab sich in gleicher Weise äußert, dann kann man glauben daß sie allgemein, und auf etwas begründet ist.

Heute Mittag eße ich bei Schwarz, und Nachtische habe ich eine Conferenz wegen Costume und Dekorationen.

Es ist mir immer als müßte ich heute noch ein Brieferl von der Weibe kriegen.      Mit meiner Gesundheit geht es sehr gut, alle Leute verwundern sich über mein gutes Aussehen. Appetit und Schlaf ist da.

     Nun habe ich der Mukkin meine Morgen Visite gemacht, nun gehts an die andern. Gott segne Euch!

Nachmittags.

Vergebens habe ich auf ein Brieferl gehofft, du faule Weibe, ist das auch recht? Neues weiß ich dir nichts mehr zu schreiben, als daß wir heute Mittag bei Schwarz deine Gesundheit getrunken haben, ich jetzt mit Stubenrauch die Dekorationen und Kostüme geordnet habe, und nun in die Semiramis gehe*.

     Des Himmels vollsten Segen über Euch Ihr Lieben. + + + für dich und + + + Maxi. grüße Roth und die Fräuleins bestens, auch die Rosel und Mine. Ewig dein
treuer Brumbär
Carl.

Apparat

Zusammenfassung

sie solle nicht glauben, er täusche sie über seine Situation in Wien; die Euryanthe-Ouvertüre liege ihm „noch in den Gliedern“; hat noch Gelegenheit Fodor und Lablache zu hören; Privates; sie solle sich durch Böttiger nicht einschüchtern lassen, da Griesinger für die Italiener eingenommen sei; (am 24.:) hat mit Grünbaum wegen Eglantine diskutiert; über Theaterbesuche und Visiten

Incipit

Schönen guten Morgen, Frau Mukkin. Gott gebe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 163

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • urspr. 1 DBl., Bl. 2 bis auf 2,5 cm Rand mit Siegelspur abgeschnitten

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 15–18

    Einzelstellenerläuterung

    • „… wo der Barbiere di Seviglia“Zur Besetzung vgl. Tagebuch.
    • „… ich mit Schwarz zu Nacht“Laut Tagebuch im Erzherzog Carl.
    • „… sollen, als Gestern im Komischen“Im Barbiere hatten die beiden Rosina bzw. Figaro gesungen, in Semiramide gaben sie die Titelpartie bzw. den Assur.
    • „… allen Kunsthandlungen in goldenen Rahmen“Weber-Porträt von Schwerdgeburth nach einer Zeichnung von Vogel.
    • „… ganz unbedeutenden Ariettchen tüchtig applaudirt“Caroline Unger sang die Elisa (eigentlich Berta); gemeint ist deren Arie in Szene II/6 „Il vecchiotto cera moglie“.
    • „… Vogel gesprochen, der dich grüßt“Caroline von Weber war vermutlich 1808/09 unter Direktor Wilhelm Vogel am Theater in Karlsruhe tätig.
    • „… Thor die Bondra gehört hatte“Anna Bondra sang die Cäcilie. Weber besuchte offenbar nicht die komplette Vorstellung, da er anschließend, wie er auch im Tagebuch notierte, „ins Burg Theater“ ging.
    • „… der Hasenhut den Bedienten machte“A. Hasenhut hab den Thomas; außerdem wirkten u. a. A. Röckel (Rath Frank), F. Mehlig (Lieutenant Waller) und Barbara Teimer (Sophie) mit.
    • „… um die Schröder zu sprechen“Sophie Schröder spielte an diesem Abend im Burgtheater die Elvire in der Schuld.
    • „… Gesellschaft mehrerer Künstler und Dichter“Das Treffen (laut Tagebuch in einem „Bierhause“) könnte möglicherweise mit dem Mitgliederstamm der LudlamshöhleT in Verbindung stehen, auch wenn Weber die „[Wieder-]Eröffnung der Ludlam“ ausdrücklich erst am 27. September im Tagebuch festhielt.
    • „… nun in die Semiramis gehe“Vorstellung in der Hofoper (Kärntnertortheater).

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