Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Mittwoch, 22. Oktober 1823 (Nr. 16)

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An die Hochwohlgebohrne

Freyfrau, Carolina von Weber

Dresden.

Den schönsten guten Morgen meine geliebte Weibe. Möge er dir so heiter aufgegangen sein als mir, obwohl ich ein bißel müde bin von dem Dirigiren.      Du hast mir große Freude gemacht durch Deine Briefe, und ich habe 3 zu beantworten. 11. 12 und 13t No: 10 hast du vergeßen, oder ich nicht bekommen. ich glaube aber das erstere da No: 9 vom 10t und 11t* und No: 11t vom 13t ist. ich bin ein paar Tage nicht dazu gekommen mit dir zu plaudern, auch paßirt eigentlich nichts, als daß die Proben täglich fortschreiten, und ein glückiches Gelingen versprechen.      Sonntag d: 19t habe ich den ganzen Tag zu Hause gearbeitet, und erquikt durch Deinen No: 11 beendigte ich die Ouvertüre gänzlich, und somit denn die ganze Oper. da war ich denn sehr froh. d: 20t war Correctur Probe von 10–3 Uhr wo es zum verwundern gut gieng, und ich sah daß ich mich in keinem Effekt verrechnet habe.      Nachtisch gieng ich zu meinem Sattler, der etwas weniges unterdeßen gestorben ist. Mein Wagen wird aber in einigen Tagen fertig seinT.      dann hörte ich die Zauberflöte wo die Sonntag und Forti, ausgezeichnet waren*.

Gestern nun war wieder General Pr: 10–3 Uhr. wo vieles schon ganz glatt gieng. und unter anderm die Grünbaum zum Verwundern ihre lezte Szene spielte, und feurig sang. auch machte ich die Ouverture, die sehr gut gieng, und Effekt zu machen schien; ich glaube auch daß sie nicht schlecht ist, und bin begierig wie sie dir gefallen wird.      Der Enthusiasmus der Sänger und des Orchesters ist noch immer derselbe, und ich verspreche mir günstigen Erfolg. Wenn du diesen Brief bekomst, habe ich es schon überstanden, denn es bleibt bei der Aufführung d: 25t, wenn nicht jemand krank wird. da es schon so gut geht, habe ich mir die Abend Probe verbeten, weil die Sänger längere Ruhe haben, von einem Morgen zum anderen Abend. — Gestern Abend habe ich den Eßex gesehen, metrisch bearbeitet von Collin.      Eine sehr schöne Darstellung.      Die Schröder, H. Anschüz und Mlle. Müller als Rutland vortrefflich*.      Die lezte könnten wir brauchen; ein sehr schönes Talent.      Nun zur Beantwortung deiner Briefe. No: 11. du hast wohl recht daß man es oft wagt mit Gott so ein Spiel zu treiben, wie Burmeister in 777; nimm dir ein Beispiel daran; ich baue immer ruhig auf die Vorsehung. — Nein ich muß von hinten anfangen und mich erst freuen über Max 2 Zähne. Gott sei ewig gedankt, daß seine Krankheit doch ein Resultat hervorbrachte. da du mich versicherst daß der | Bakenzahn schon recht groß ist und die Spitze des Augenzahnes ganz heraus so hoffe ich, daß du dich nicht wieder geirrt wie früher. Was wirst du dich gefreut haben. Nun werden wohl die andern leichter komen, und er erholt sich gewiß schnell, damit ich eine muntere Mäzze finde. — Ich sprach gestern die Schröder, der hat ihre Tochter noch kein Wort geschrieben daß sie in der Hoffnung ist. ich habe dir wohl geschrieben daß ich bei Duport wohne, und habe noch dazu gesagt daß ich recht wohl verpflegt wäre, obwohl die Hausfrau in Baden ist, wo sie bleibt bis nach der Weinlese. Es ist gar ein gutes anmuthiges Frauchen, daß hülft mir aber nichts, da sie nicht hier ist.      Mit anderen Liebschaften ist es auch nichts. Man sieht nicht mit deinen Augen gute Weibe. Es erwärmt sich alles an der Glut der Kohle, aber natürlich, die Kohle laßen sie liegen. Kurz es hat Niemand Lust mich zu verführen, und es ist erschreklich daß ich nicht wenigstens Eine Verzweifeln laßen kann.      Ja ja den Maxen Tag habe ich richtig verfreßen. Der kleinen Roth*, sollt ich wohl auch was mitbringen wenn ich nur wüßte, was?

No: 12. hat mich eigentlich recht geängstiget, weil ich sah wie Du dir die Chezy Geschichte* zu Herzen nimmst, und daß du den andern Tag nicht gleich wie ich hoffte meine No: 13 erhieltest und dadurch beruhigt würdest. auch in deinem lezten erwähnst du nichts davon, und ich trug ihn doch d: 12t 8b selbst auf die Post, wie immer.      das Weib ist wirklich ein Scheusal. sie hat die 50 # nicht genommen, und ich höre von anderen Leuten daß sie einen Prozeß mit mir anfangen will. sie ist wirklich wahnsinnig. über mich kannst du aber ganz ruhig sein, der Marien Brunnen hat mich sehr gestärkt, meine Neffen sind gut. der Ärger hat mir auf Ehre gar nichts geschadet. das wird dir auch der Haupt: Jenztsch sagen, dem ich Morgen ein paar Zeilen an dich mitgebe. Ja ich bin lange Zeit nicht so gesund und stark gewesen; und alle Freude die ich erlebe wiegt diesen Verdruß 1000 fältig auf. Ich laße nun die Sache gehen wie sie will, und werde um kein Haarbreit mehr nachgeben.      Sie weiß eigentlich nicht was sie will, als nur immer Geld, Geld, Geld.      Ich bitte dich nur um Himmels willen, meinetwegen außer Sorge zu sein, ich ärgere mich gewiß nicht mehr mit ihr.

Ich kann mir denken daß der Jahrmarkt die gnädige Frau in den Fingern prikelt, und ihr Herz nach Leinwand schreit pp | Wenn ich zurükkomme giebt es ja auch noch Jahrmärkte, und ich will dir dann einmal was Versprechen. —

Deinen gestrigen Brief erhielt ich mit anderen, von Griesinger. Hast du nichts von Brühl gehört, man sagt hier allgemein, er hätte seine Entlaßung genommen*. das thäte mir sehr leid. ich glaube es aber nicht. hat er das Verhältniß so lange ertragen, so kann er’s auch ferner.

Ich weiß nicht ob ich dir schon geschrieben habe daß ich den Klavierauszug S: M: dem Kaiser dediciren will. das ist nun sehr betrübt daß er erst d: 30t 8b zurükkomt*, und wird mich ein paar Tage länger aufhalten als ich wollte. aber ich kann es doch nicht im Stiche laßen, muß etwas für meinen Aufenthalt einnehmen. es geht viel Geld darauf, weil ich nicht Zeit habe Einladungen anzunehmen, und man sich überhaupt nicht lumpig benehmen kann. bald hoffe ich [dir aber] das Antworten verbieten zu können. O [schöner] Gedanke. da kommt eben die gedrukte Anz[eige] am Theater zettel. schnipps raus, - da hast [du] sie. Gott gebe seinen Seegen. ich bin voll guten Muths.

Nun aber ade. Gott erhalte Euch gesund. ich umarme Euch mit innigster treuster Liebe und Zärtlichkeit + + +, behaltet lieb      Euren Euch über alles liebenden Carl.
[Kußsymbol]

Alles Erdenkliche an Roth, die Fräuleins pp. Eben komt Apitz: und grüßt bestens.

Apparat

Zusammenfassung

hat am 19. die Ouvertüre vollendet; äußert sich sehr zufrieden mit den Proben; über die Vorstellung des Essex; über Caroline von Webers Brief; sie solle sich die Chézy-Geschichte nicht zu Herzen nehmen; Chézy habe das Geld abgelehnt und wolle einen Prozess anstrengen; erkundigt sich nach Gerücht von Brühls Entlassungsgesuch; will den Klavierauszug der Euryanthe dem Kaiser widmen

Incipit

Den schönsten guten Morgen meine geliebte Weibe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 171

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.), Bl. 2 leicht beschädigt
    • Siegelrest, Textverlust durch Siegelloch
    • PSt: WIEN
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 50–53

Textkonstitution

  • „dir aber“ergänzt von den Hg.

Einzelstellenerläuterung

  • „… 10 t und 11 t“Laut vorhergehendem Brief war Caroline von Webers Schreiben vom 9./10. Oktober 1823.
  • „… und Forti , ausgezeichnet waren“Vorstellung in der Hofoper (Kärntnertortheater); H. Sontag sang die Pamina, Forti den Papageno.
  • „… . Müller als Rutland vortrefflich“Vorstellung im Burgtheater, S. Schröder gab die Königin Elisabeth, H. Anschütz die Titelfigur.
  • „… richtig verfreßen. Der kleinen Roth“In den Jahren 1824/25 tauchen in Webers Tagebuch mehrfach Notizen zu einem Kind aus dem Bekanntenkreis namens „Jenny“ auf, jeweils in Zusammenhang mit Geschenken. Die Erwähnung einer „Jenni Roth“ in einem Brief Caroline von Webers vom Mai 1842 könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich dabei um eine Tochter von Johann Traugott Roth(e) und dessen Frau Julie Henriette, geb. Ludwig, handelte. Die dürfte ebenso mit der hier genannten „kleinen Roth“ identisch sein.
  • „… Du dir die Chezy Geschichte“Auseinandersetzungen um das Honorar für das Euryanthe-Libretto, vgl. die Briefe vom 10./11. und 12. Oktober 1823 sowie ThemenkommentarT.
  • „… er hätte seine Entlaßung genommen“Zu Brühls Situation vgl. Weberiana 21, S. 7ff. Aufgrund der Auseinandersetzungen mit Spontini erbat Brühl mehrfach seine Entlassung bzw. Versetzung: am 13. Februar 1822, 6. September 1823 sowie 15. April 1824, allerdings nahm der preußische König erst ein erneutes Rücktrittsgesuch im Jahr 1828 an.
  • „… 30 t 8 b zurükkomt“Kaiser Franz kam nach seinem Treffen mit Zar Alexander in Czernowitz und den nachfolgenden Aufenthalten in Lemberg und Hollitsch am 29. Oktober 1823 mit Ehefrau und Erzherzog Franz Karl wieder in Wien an; vgl. Wiener Zeitung, 1823, Nr. 251 (30. Oktober), S. 1013.

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