Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertor-Theater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 7. März 1822 und diverse Konzertberichte vom März 1822

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NACHRICHTEN.

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Wien, Uebersicht des Monats März. Kärnthnerthortheater. Ein wahres Nationalfest fand am 7ten statt, als Hr. Kapellmeister von Weber zum erstenmale seinen Freyschützen dirigirte. Das jedesmalige Erscheinen des herrlichen Meisters war ein Signal zum allgemeinen Jubel; viermal wurde er auf die Scene gerufen. Gedichte* flogen herab, und ein Lorbeerkranz auf die Bühne. Diese Vorstellung war zur Benefice der Dem. Schröder, das Haus überfüllt, der Enthusiasmus beyspiellos, und das Ganze ging unter einer solchen präcisen, scharf markirten, und dennoch ganz geräuschlosen Anführung vortrefflich zusammen. Der liebenswürdige Künstler hat uns bereits wieder verlassen; kommenden Herbst erwarten wir einen zweyten Besuch, und eine neue Oper zum köstlichsten Geschenke.

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Concerte. Am 3ten: Gesellschafts-Concert im grossen Redoutensaale. 1. Sinfonie von Mozart (C dur); 2. Der Geist der Liebe, Gedicht von Matthison, in Musik gesetzt auf vier Männerstimmen von Franz Schubert; 3. Mayseders drittes Violinconcert; 4. Beethovens Ouverture zum Egmont; 5. Finale aus der Oper: Silvana, von Carl Maria von Weber. Diese Composition, auf dramatische Handlung berechnet, war für den Concertsaal ein Missgriff. –

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– Am 10ten im landständischen Saale, Hr. Professor Böhm: 1. Jubel-Ouverture von C. M. v. Weber. Eine glänzende Composition, deren Ausführung wegen mehrerer dem blasenden Orchester zugetheilten Passagen in der schwierigen Tonart E dur und H dur, nur nach wiederholten strengen Proben vollkommen gelingen kann; 2. Violin-Concert, gesetzt und vorgetragen vom Concertgeber; 3. Arie von Rossini, gesungen von Mad. Grünbaum; 4. Pianoforte-Rondo, componirt und ausgeführt von Hrn. Worzischek; 5. Schwertlied von C. M. von Weber; 6. Spohr’s herrliches Doppel-Concert, gespielt von Hrn. Helmesberger und dem Concertgeber, der auch heute durch Eleganz, Correktheit, Reinheit und Ausdruck seines Meisterspiels, wie immer, entzückte. – Am 14ten im kleinen Redoutensaale Hr. Kapellmeister von Weber: 1. Jubelouverture; ging diessmal ungemein präciser zusammen; der Schluss, wo das Thema des Volksliedes in der Harmonie liegt, wollte Ref. noch immer nicht recht klar werden; 2. Concertstück für das Pianoforte, (Adagio affettuoso – Allegro passionato – Marcia – Rondo giojoso) mit voller Orchesterbegleitung; eine edle, tief gefühlte Composition, deren düsteres Colorit den Eindruck im allgemeinen schwächt; nur das Marsch-Tempo mit einem crescendo, à la dernière mode, äusserte seine magnetische Kraft; 3. Arie aus Don Juan, gesungen von Mad. Grünbaum; 4. Schlummerlied, für vier Männerstimmen, gesungen von den Herren Jäger, Rosner, Forti und Seipelt; die Zwischenspiele auf dem Pianoforte nach jeder Strophe thaten der rührenden Melodie Eintrag; 5. Polonaise für die Hoboe, componirt und vorgetragen von Hrn. Professor Sellner; 6. Freye Fantasie und Rondo, auf dem Pianoforte. Man vergötterte den Concertgeber als Tonsetzer des allbeliebten Freyschützen, man fand sich zahlreich ein, applaudirte und meinte am Ende, es wäre klüger gewesen, auf den Ruhm als ausübender Virtuose zu verzichten. Hr. von Weber ist ein denkender, wahrhaft solider Klavierspieler, welcher sich freylich nicht um den modernen halsbrecherischen Firlefanz kümmert, und dem ein ausdrucksvoller Gesang als höchstes Princip gilt. Nun zählt Wien aber eine Legion sogenannter Hexenmeister, die die Kunst, Sand in die Augen zu streuen, ex asse verstehen; zu dieser Fahne hat freylich unser Meister nicht geschworen, und musste somit durch die leidige Vergleichungssucht natürlich verlieren. Indess war die freye Fantasie in der That eine etwas gar zu leichte Waare, und eigentlich nichts mehr und nichts weniger als ein ausgesponnenes Präludium zum nachfolgenden Rondo. Ein interessantes Thema, tüchtig nach den Gesetzen des Contrapunktes ausgearbeitet und durchfugirt, würde wenigstens die Hoffnungen der zahlreich versammelten Kunstkenner nicht getäuscht haben. –

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– Am 24sten ebendaselbst: [landständischer Saal] Hr. Siebert, bey seinem Abgange von hiesiger Bühne: […] 6. Das erste Finale aus dem Freyschützen, vorgetragen von ebendemselben; […] 11. Grosse Scene der Agathe, aus der Oper: Der Freyschütz, gesungen von Clara Siebert;

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– An demselben Tage fand im kaiserlich königlichen grossen Redoutensaale um die Mittagsstunde das vierte und letzte Gesellschafts-Concert statt, worin nebst Beethovens Sinfonie in C moll, C. M. v. Webers Jubelcantate gegeben wurde, deren Ausführung theilweise nicht befriedigte, indem z. B. der Sopran gewaltig detonirte, und die Chöre nur zu oft schwankten. Demungeachtet konnte man in der Composition manche ausgezeichnet schöne und sehr effektvolle Stellen erkennen, worunter ein vortrefflich gearbeitetes Quartett und die überaus reizende Tenorarie, von Hrn. Titze* ganz unverbesserlich gesungen, die günstigste Aufnahme fanden. –

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Apparat

Zusammenfassung

Korrespondenznachrichten aus Wien: Konzert-Übersicht vom März 1822

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Mo, Ran

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 24, Nr. 19 (8. Mai 1822), Sp. 303–310

    Einzelstellenerläuterung

    • „… auf die Scene gerufen. Gedichte“Zu den Gedichten vgl. den Kommentar zu Webers Brief vom 7. bis 9. März 1822 an seine Frau.
    • „… reizende Tenorarie, von Hrn. Titze“Ludwig Titze (1797–1850), Universitäts-Pedell, ab 1832 Sänger der Wiener Hofmusikkapelle.

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