Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Sonntag, 30. April bis Dienstag, 2. Mai 1826 (Nr. 24)

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A

Madame

Madame la Baronne de Weber

a

Dresde.

en Saxe.

Der lezte Aprill! adieu, lieber Monat, du bist abgethan, und ein neuer komt, der mich näher zu meinen Lieben bringt. Muß der Mukkin allerhand erzählen, und komme deßhalb zu ihr gekrabbelt. das erste ist daß ich recht betrübt bin noch immer keinen Brief von dir zu haben. Morgen sind es 8 Tage, eine Ewigkeit, doch ist Morgen auch der Tag auf den ich hoffe, und der mir gewiß 2 bringt. d: 28t bekam ich von Mad: Fawcett eine allerliebste Brieftasche für dich zum Geschenk, die Leute sind immer noch so dankbar daß ich in ihrem Benefiz die Ouv: des Freyschützen aufführte*. — hätte ich sie nur eine Stunde früher gehabt, so hätte ich dir sie mit dem Oberon schikken können*, es hätte dir doch Spaß gemacht. Nun mußt du schon Geduld haben bis zum Haupt Transport. H: Loder aus Bath kam an, aß bey uns und ging mit Smart in Oberon. es war entsezzlich kalt, und ich blieb bei meinem Kamin sizzen*, laß, und lag vor 10 Uhr im Nest.      Gestern war denn ein intereßanter Tag. die 1t Vorstellung von meines sogenannten Rivals Oper, Aladin. Mit Mühe waren Pläzze zu bekommen*. einer der Inhaber des Theaters bot mir aber seine Loge an, und machte mir sogar die Visite vorher. wir aßen alle* zu Hause, und fuhren dann in Drurylane. kaum trat ich in die Loge und wurde gesehen, als das ganze Haus aufstand, und mich mit dem größten Enthusiasmus empfing. Dieß, in einem fremden Theater, an diesem Tage, zeigte recht von der Liebe der Nation, und rührte und freute mich sehr.      Die Oper selbst nun, — dauerte erstlich, der 1t Akt 2 ¼ Stunde. und das Ganze von 7 Uhr bis ½ 12 Uhr. Das ist schon genug Menschen und Oper umzubringen. der Beyfall war von Anfang sehr groß, Bishop wurde empfangen wie ich, die Ouverture wiederholt. die erste Romanze des Aladin auch. aber nun wurde der Beyfall immer schwächer; und leider muß ich sagen mit Recht, denn [es] ist ein kleines schwaches Werk, das keinen Anspruch auf den Namen einer Oper verdient. Ein recht hübscher Jäger Chor, gieng kalt vorüber, ja, wie er aus war, pfiffen sie im Parterre den Jäger Chor aus dem Freyschützen. Bishop wurde nicht gerufen, und die Oper hat eigentlich mißfallen. Das Sujet ist auch ganz schlecht behandelt, so viele unnüzze unintereßante Szenen, und alles so lang und breit. — gegeben wurde es mit aller Pracht, aber der Dichter hatte nicht für Abwechslung gesorgt. Miss Stephens war allerliebst als Aladin. Mr: Sinclair scheußlich, und ich dankte Gott, daß ich ihn nicht zum Huon hatte.      So weit mein Bericht über Aladin. erfroren und erstarrt kam ich nach Hause zu meinem guten Kamin und kuschelte bald ins Bett, wo ich auch recht gut schlief.      Heute ist nun wirklich ein fataler Tag für mich. Denke nur es sollte eine Musik Parthie bei Mad: Coutts sein, wo ich natürlich nicht hin kann, weil ich bei dem Herzog eße, und somit kostet mich dieses Dinér 30 Guineen. O! ich möchte mir die Haare ausreißen vor Boßheit. weshalb bin ich hier? als um Geld zu machen, und so muß es mir gehen, das ist jezt mein empfindlichster Flek. vorher war er es nie. es muß aber auch seyn, und dann mit Gottes Hülfe sorgenlos den Rest des Lebens genoßen.       ade. weis nichts mehr, und werde auch eben gestört, 1000 gute Bußen. |

Der Erste May .      Gottlob! was freue ich mich daß du meine No 19 so schnell erhalten hast. Na! nun wirst du doch wohl ruhig seyn.      So eben erhalte ich deine beiden lieben vom 19 und 22, No: 12 und 13, muß heißen 15 und 16. wieder zugleich. ich halte mich auch nur an den lezten. den erstern hat mein armer Muks noch in der Erwartungs Angst geschrieben. wie kannst du glauben, daß ich einen Posttag versäume? kann es denn nicht die Post sein die fehlt? so muß die Fürstenau ihres Mannes Brief von demselben Datum nicht gehabt haben, sonst hättest du schon beßere Details gewußt als meine Briefe immer geben, an Lüttichau hatte ich auch mit derselben Post geschrieben. — das ist ja prächtig wie es mit Alex geht. wie gnädig ist der Himmel, und auch mit deiner Gesundheit. Fett? Nun fett wirst du mich auch nicht finden. mit dieser Hoffnung war es nitz, bin so ein armes mageres Schwefelhölzel. — doch das ist das wenigste, wenn das Ganze nur zusammenhält. — Von dem Buche habe ich nichts gehört, gewiß ist es von Saphir*. ich freue mich recht darauf es im Pillnitzer Grün zu lesen, und zu lachen, denn lachen, ist ein gar zu schönes Ding, und komt gar so selten an mich.

Sein Bericht mein lieber Finanz Minister ist recht gut, und wir werden sehen was zu thun ist wenn wir nach Hause kommen.       die Kellersche Geschichte war mir immer nicht recht, so lieb ich ihn habe, und so sehr ich ihn für einen braven und klugen Mann halte, aber, ich fürchte, ich fürchte die Sache wächst ihm über den Kopf. möge ich Unrecht haben. den Weberschen Privat Rutschberg habe ich nicht die Ehre zu kennen, zu meiner Zeit gieng es nicht so lustig zu, und die Hosen blieben ganz. ich versichere dich aber daß wenn ich dadurch lustig werden könnte ich mein ganzes Leben hindurch zerrißene Hosen tragen würde.

Ich weiß nicht warum, aber es komt mir vor als sey die Freude in deinem Brief nicht ganz ungetrübt. du bist schwach genug dir von der nicht Enthusiastischen Zeitung die schönsten Momente deines Lebens verbittern zu laßen. das ist aber nur eine, und ihrer sind unzählige hier.      Nein, Nein, ich habe nie einen vollständigeren Succeß gehabt. heute ist die 18t Vorstellung in ununterbrochener Reihe. und immer überfüllte Häuser.       Gewiß mein geliebtes Leben reise ich nicht mehr allein, ohne dich und die Frazzen. Geschäftsreisen hoffe ich ohnedieß keine mehr zu machen, aber einmal im Sommer so alle zusammen auf ein paar Wochen, könnte allenfalls vorkommen.       Kartoffeln schmekken gut, meine Alte, ich hoffe aber wir wollen auch den Hering dazu erschwingen.

Danke fürs schöne Kompliment Frau Mukkin, daß ich dein bester Schmuk bin, du kannst mich aber doch nicht als Shawl tragen, und mußt dich noch genauer über die Farben erklären.      Wir haben auch noch arge Kälte, und ich gehe gar nicht von meinem Freunde dem Kamin weg.

Mein armer Danzi*. Gott gebe ihm die ewige Ruhe!! Der Minister Globig? also nicht der Konsistorial Präsident? berichte mir das noch bestimmter.

Lüttichau sehnt sich nach mir? ich habe ihn sehr lieb, aber ich müßte es lügen wenn ich sagte ich hätte eine Sehnsucht nach dem Intendanten, Es graut mir schon wieder vor der Komödianten Geschichte.      O wär ich eine Maus, wie wollt ich mich verstekken pp pp*

So eben sehe ich wie verkehrt ich den Brief geschrieben habe*, mußt du nicht glauben dein Mann sei ein verdrehter Zwikkel geworden? das weiß Gott wie das zugegangen ist. Nun, die Mukkin mag suchen und die Männe auslachen. |

der Sonntag Abend d: 30t Aprill bei dem Herzog von Clarence war recht angenehm. um 5 Uhr holte mich der Wagen ab, ich fuhr durch die schönste Gegend bei heiterm Sonnenschein, das Grün der englischen Wiesen, und die Kultur überhaupt ist herrlich, und so kam ich gegen 7 Uhr zu S: K: Hoheit. Gegen ½ 8 Uhr ging es zu Tische, wo besonders die Früchte bewunderungswürdig waren. denke, wir hatten frische Feigen, Weintrauben, Er[d]beeren und Kirschen. leider konnte ich die Herrlichkeiten alle nicht genießen, denn seit ich mich mit dem dummen Schnupfen herumplage, habe ich gar keinen Appetit, oder nur einen sogenannten falschen, so daß ich eigentlich blos von Spargel lebe. Nun, das ist auch so übel nicht, und der Mensch verhungert so geschwind nicht.      Nach Tische mußte ich dann spielen, lieber Gott, viel, gar viel. und um 11 Uhr fuhr ich ab, so daß ich doch um 1 Uhr in meinem Neste lag, und gut schlief.

[2. Mai 1826] Gestern waren einige Gäste bei uns zu Tische*, und Abends Philharmonisches Concert, wo Fürstenau blies, und die Overture des Oberon gut gegeben wurde*.       Heute muß ich im Gasthause eßen, denn ich bin nicht eingeladen und Smart ißt aus. dann will ich in Oberon gehen. und jezt Puntum. Ich umarme in Gedanken innigst meine kleine Weibe, küße meine Buben, grüße herzlichst meine Freunde, und freundlichst meine Dienstleute. Gott segne Euch + + +. Ewig in treuster Liebe Euer alter Vater
Carl.

[im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen.

Editorial

Summary

detaillierter Bericht über Misserfolg von Bishop’s Aladdin – im Gegensatz zum Erfolg der Weber’schen Werke in London; Zukunftspläne für das Privatleben; Gesundheitliches

Incipit

Der lezte Aprill! adieu, lieber Monat

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 231

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegel und -loch
    • Weber hat beim Ende der ersten Seite den ganzen Doppelbogen umgedreht, so daß die Fortsetzung vom nächsten Tage auf dem Kopf steht
    • PSt: Rundst.: F 26 | 6 1
    • Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • ED: MMW II, S. 693 (Auszug); Reise-Briefe, S. 179–184

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • eine“Ewig” overwritten with “eine

Commentary

  • “… die Ouv: des Freyschützen aufführte”Konzert am 18. März 1826 im Covent Garden Theatre, Konzertgeber Fawcett; vgl. Anzeige in The Times Nr. 12918 (18. März 1826), S. 2.
  • “… mit dem Oberon schikken können”Weber hatte im Brief vom 28. April 1826 angekündigt, ihr mit dem Kaufmann Kelz (oder Kell?) ein Textbuch des Oberon zukommen zu lassen.
  • “… blieb bei meinem Kamin sizzen”Laut vorhergehendem Brief hatte er eigentlich die abendliche Aufführung seiner Oper besuchen wollen.
  • “… Mühe waren Pläzze zu bekommen”Vgl. dazu Webers Brief an H. Bishop.
  • “… Visite vorher. wir aßen alle”Neben Weber und Smart laut Tagebuch auch A. B. Fürstenau und J. D. Loder.
  • 15 und 16recte “17 und 18”.
  • “… gewiß ist es von Saphir”Caroline von Weber hatte ihren Mann gefragt, ob er von dem kürzlich erschienenen Buch Henriette, oder die schöne Sängerin gehört habe; Autor ist nicht Saphir, sondern Ludwig Rellstab unter dem Pseudonym Freimund Zuschauer; vgl. auch ihren Brief vom 19.-20. April.
  • “… Mein armer Danzi”Webers Jugendfreund Franz Danzi war am 13. April 1826 in Karlsruhe gestorben.
  • “… ich mich verstekken pp pp”Zitat aus Mozarts Zauberflöte (Papageno im I. Akt).
  • “… ich den Brief geschrieben habe”Vgl. die Quellenbeschreibung.
  • “… Gäste bei uns zu Tische”Laut Tagebuch J. D. Loder, ein gewisser Kramer (evtl. J. B. Cramer oder dessen jüngerer Bruder F. Cramer), T. Attwood und A. B. Fürstenau.
  • “… des Oberon gut gegeben wurde”Vgl. Tagebuch vom 1. Mai 1826.

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