Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Hosterwitz, Samstag, 13. und Sonntag, 14. Mai 1826

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

Immer muß ich mit der alten Litaney anfangen: die dumen Posten! heute hatte ich so sicher auf einen Brief gehofft, habe den Johan deßwegen nach der Stadt geschikt, aber es kam nichts —. das Buch vom Oberon aber hat mir die Fürstenau geschikt*, und ich habe die paar Worte die Deine liebe Poot darauf geschrieben herzlich gebußt. Dein Gesichtel ist aber nicht so hübsch als der Münchner Stich*, Du siehst gar so schwarz aus*. Ich muß, zu meiner Ruhe morgen einen Boten auf die Post schiken, denn die drey Feyertage geht leider keine Ordonanz, und wie könnte ich leben wenn ich einen Brief von Dir in Dresden wüste ohne ihn gleich zu haben.      Heute überraschten mich Michael und Wolf Beer die ein paar Tage in Dresden bleiben werden. Sie grüßten Dich herzlich. Die schöne Frau war auch mit, es ist aber doch ein Bild ohne Gnade. Die beiden Beeren hatten von Böttiger auch von dem Honorar für Deine Oper gehört, und waren ganz erstarrt als ich es ihnen bestätigte — gute Männe, gewiß hat Dich der Kembel barbiert — na, villeicht macht ers auf andere weise wieder gut. Ich kenne das auch schon, was die Menschen gleich für Summen nennen, aber Geld regnet es an keinen Ort. Lüttigau hat mir auch heute einen Brief an Dich geschikt, ich gebe ihn aber nach Deiner Order allein auf die Post. An Schlesinger ist bereits gestern die letzte Sendung des Oberon abgegangen für das Geld will Doctor Engelhard so bald als möglich sorgen das er es gut und sicher unter bringt. Die ganze Rothesche Familie war gestern hier, und es gefiel ihnen so gut, daß sie das kleine Logie bey Mauksch wieder gemiethet haben — — — — — . Den 10t ist auch Tafelmusik hier gewesen, wo sich der neue Italienische Baßist Salvatori hören lies*. Wie ich höre hat er gefallen. Meyerbeers Hochzeit ist den 28t May*, und die Mutter Beer geht in kurzen nach Italien um ihre Gesundheit herzustellen. Wolf hat die ihm aufs neue angetragene Stelle als Direct[i]ons Mitglied* ausgeschlagen, was ich ihm auch nicht verdenke. Die Sonntag geht auf Gastrollen nach Paris und bekomt für 12 Rollen 4000 Thaler — In Berlin macht sie noch immer das gröste Glük.

Schlesinger hat an Winkler geschrieben, Lichtenstein habe ihm gesagt: in seinen KlavierAuszug fehle im ersten Act noch No 3*. ich will deßhalb mit Rothe in die Stadt fahren um nach zu sehen. Aber der dume Schlesinger hat auch imer fort was zu quengeln. In der Leipziger Zeitung | soll eine Anzeige mit Deinen Nahmen unterschrieben stehn wo Du die Verleger in Starken Ausdrüken warnst, den Oberon nicht nach zu stechen. Es kömt mir vor als wäre Herr Schlesinger so kek gewesen Deinen Nahmen zu mißbrauchen. Dr. Engelhard will mir das Blatt schiken. — Heute hatten wir kein schön Wetter und sind nur wenig heraus gekomen. bey den Kindern ist das eine rechte Plage, die sind kaum zu erhalten. Du kanst nicht glauben was wir alle für einen gesegneten Appetit haben! besonderst ich! ich eße für 3. Der Schlaf ist auch gut, obgleich ich sehr gegen die Homöobatie sündige und 2mal des Tag’s Kaffe trinke villeich[t] eße ich mich auch nun wieder ein bißel dik, denn die letzte Zeit bin ich sehr mager geworden —.

Hoffendlich wird mir mein Bote morgen einen Brief bringen, und mit dieser Hoffnung will ich in Bettel gehen – es ist schon 9 Uhr. Also gute gute Nacht mein Leben. Gott segne Dich + + +.

Der Bote ist zurük — aber ohne Brief! — oh weh! wo mag der Brief wieder liegen geblieben sein? morgen früh fahre ich gleich in die Stadt zu hören ob die Fürstenau Nachricht hat. Du glaubst nicht wie peinlich daß ist wenn 8 Tage ohne Nachricht vergehen — Gott gebe nur, daß Du gesund bist. Du hattest grade das 7meilen weite Dinée* vor, wenn Du Dich nur da nicht erkältet hast. bey uns ist heute auch eine Kälte daß wir in beiden Stuben haben heizen müßen. Der gute Rothe hat sich den ganzen Tag mit den Kindern beschäftigt, und den Max lesen gelehrt. Ich habe Dir wohl schon geschrieben daß ich die kleine Zaahlhaas bey mir habe? Die erleichtert mir sehr die Unterhaltung für Max. Das Mädchen führt sich bis jetzt recht gut auf. Allex hat heute wieder zwey neue Worte gelernt, er kann ganz deutlich Rothe sagen, und Haase. Rothe hat immer eine Menge gute Sachen für die kleinen Lekermäuler, das merken sie, da ging der Alex heut an seine Thür und rief: Rothe! wir freuten uns alle recht über diese neuen Fortschritte des lieben kleinen Kerls: Uiberhaupt ist er so posierlich wie ein kleiner Hanswurst. Alles macht er nach, und wenns nicht geht, lacht er sich selbst aus. Du glaubst nicht wie kräftig | er ist! heute stieg er ganz allein, erst auf sein Stühlchen, und von da auf den kleinen Tisch – gewiß wirst Du Freude an ihm haben wenn Gott ihn gesund erhält. Max verträgt sich aber schlecht mit ihm, da ist lauter Hader und Zank. Der Vater wird da manchmal Frieden stifften müßen. Alle sind wir schon recht schwarz geworden, trotz dem, daß ich immer einen Huth auf habe färbe ich mich doch am meisten. Gerne hätte ich diesmal meine Haut geschont, um der Männe nicht gar so häßlich vorzukomen, aber es geht nicht! und Du must schon mit einen Mulatten Weibchen verliebt nehmen.

Morgen will ich auch der Lüttigau meinen Abschiedsbesuch machen denn sie geht bald nach Ulber[s]dorf*. Wie wirst Du wohl Deine Feyertage zubringen? Hoffendlich auch auf den Lande, wenn nehmlich das Wetter beßer ist als bey uns. Von den Hof-Menschen habe ich noch keinen gesehen, ich sehne mich auch just nicht danach. bis jetzt halten sich Felsners und die Leute sehr entfernt wir wollen sehen wie es in der Folge sein wird. Rothe hat nicht Ruhe gelaßen, ich habe müßen an das Lusthaus* wachsleinwandene Roulo machen laßen, damit Du zulaßen kanst wo der Wind her kömt. Der Gute! ist so ängstlich für Dich besorgt, daß ich mich manchmal beschämt fühle. Vor Deinen Bilde* prangen die schönsten Blumen, es sieht aus wie ein Altar; und nun zerbricht er sich schon den Kopf wie er Dich empfangen soll. – ja das ist gewiß ein treuer Freund. Wenn er nur nicht noch immer so voll Complimente wäre! Das ist sein einziger Fehler. Es thut mir recht leid daß ich diesen Brief fort schiken muß ehe ich einen von dir bekomen habe, es ist Dir gewiß auch ein peinliches Gefühl wenn so ein Unzufriedener Brief kömt. Aber ich will Dich keinen Postag warten laßen es geht so manchmal langsam genug. Zu schreiben weiß ich nun auch weiter nichts mehr. hier auf dem Lande werde ich bald nur einen Gesundheits Zettel zu schreiben haben, Villeicht erfahre ich morgen in der Stadt viel Neues. Das Liebste wäre mir freilich ein Brief von Dir, aber morgen ist keine Aussicht dazu.

So gebe ich Dir denn im Geiste 1000 gute Bußen, und drüke Dich mit inniger une[n]tlicher Liebe an mein Herz. Gott segne Dich mein Leben. + + + ewig
Deine Treue Lina.

Apparat

Zusammenfassung

hat Oberon-Textbuch von Frau Fürstenau bekommen, das Bild von ihm darauf gefällt ihr nicht, den Münchner Stich findet sie besser; hat Besuch von Michael und Wolf Beer gehabt, an Schlesinger ist letzte Sendung Oberon abgegangen; Dr. Engelhardt will sich um Honorar kümmern, Meyerbeers Hochzeit wird am 28. Mai sein, Mutter Beer wird nach Italien zur Kur gehen; in der Leipziger Zeitung soll eine von W. unterzeichnete Nachdruck-Warnung an die Verleger, Oberon betreffend, stehen; sie hat Schlesinger als Urheber in Verdacht

Incipit

Immer muß ich mit der alten Litaney anfangen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Caroline von Weber 25

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt.: a) DRESDEN | 16. Mai 26 b) F P O | MY - 26 | 1826
    • Siegelspur u. -loch

Textkonstitution

  • 23„19“ durchgestrichen und ersetzt mit „23
  • May 1826.“in der Zeile hinzugefügt
  • B„P“ überschrieben mit „B
  • „t“gelöscht
  • „den“sic!
  • M„m“ überschrieben mit „M
  • N„n“ überschrieben mit „N

Einzelstellenerläuterung

  • „das Buch vom … die Fürstenau geschikt“Im Brief vom 28. April 1826 hatte Weber angekündigt, das gedruckte englische Libretto des Oberon in der 3. Auflage für Caroline von Weber nach Dresden mitzugeben, während er die erste Auflage an Böttiger geschickt habe. Die erste Auflage war zwischen dem 10. und 12. April 1826 bei Hunt und Clarke in London erschienen.
  • „… hübsch als der Münchner Stich“Gemeint ist die Porträt-Lithographie von Ferdinand Piloty nach dem Weber-Gemälde von Ferdinand Schimon, die seit Mitte 1824 von der Münchner Officin von Josef Anton Selb vertrieben wurde.
  • „… siehst gar so schwarz aus“Dem gedruckten Oberon-Libretto war als Frontispiz ein Porträtstich Webers, ausgeführt von Thomas Landseer, beigefügt.
  • „… Italienische Baßist Salvatori hören lies“Im Pillnitzer Hoftagebuch (Dresden, Sächsisches Staatsarchiv, Bestand 10006 Obehofmarschallamt, O 05, Nr. 59, Bl. 5v/6r) heißt es zur Mittagstafel anlässlich des Geburtstags der Königin: „bey dieser Tafel ward von der Königl. Capelle musicalisch aufgewartet, wobey sich eine gewisse Blahetka, Clavierspielerinn aus Wien mit seltener Fertigkeit und aus dem Kopfe auf dem pianoforte, sowie nachhero zwey Gebrüder Haase, Cammermusici auf den Waldhorn hören ließen. Ausserdem sangen noch, die deutsche Schauspielerinn Veltheim und der Acteur vom italienischen Theater Pesadori mit vieler Befriedigung“; C. Salvatori ist dort nicht genannt.
  • „Meyerbeers Hochzeit ist … 28 t May“Die Hochzeit fand am 25. Mai statt.
  • „… als Direct i ons Mitglied“Direktion des Königsstädtischen Theaters in Berlin.
  • „Schlesinger hat an … noch No 3“Weber wollte die Nr. 3 (Rezias Vision) ursprünglich nicht in den (sowohl englischen als auch deutschen) Klavierauszug aufnehmen. Auf Drängen der Verlage lieferte er sie jedoch nach; vgl. Brief von Weber an Schlesinger vom 2. Mai 1826 und Brief von Caroline an ihren Mann vom 18. Mai 1826.
  • „… das 7 meilen weite Dinée“Zur Einladung Webers zum Dinée beim Herzog von Clarence am 30. April 1826 vgl. das Tagebuch sowie seinen Brief vom 28. April 1826.
  • „… bald nach Ulber s dorf“Das Rittergut Oberulbersdorf gehörte seit 1659, Unterulbersdorf seit 1693 der Familie von Lüttichau und war von Wolf Adolph August von Lüttichau und seiner Frau Ida ab 1820 neu ausgebaut worden.
  • „… habe müßen an das Lusthaus“Gemeint ist offenbar der kleine Pavillon im Garten des Felsner’schen Hauses in Hosterwitz, den Weber im Tagebuch erstmalig 1822 erwähnt.
  • „… beschämt fühle. Vor Deinen Bilde“Vermutlich das von Caroline von Weber besonders geschätzte Gemälde von F. Schimon.

    XML

    Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
    so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.