Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
München, Mittwoch, 15. Mai 1811
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Liebster Bruder!
Deinen Brief vom 5t habe ich d: 9t erhalten, nebst Einlagen*. und folgen hier wieder welche* die ich an die Behörden abzuliefern bitte. die Iphigenia hätte ich wohl hören mögen, und die Frau Baas hat sich gewiß einmal wieder höllisch los gelaßen*, hatte Sie aber auch wieder Angst? die Gustel Schmalz dauert mich, ich habe immer noch nicht dazu kommen können ihre Schwestern* zu besuchen. Gestern aß ich bey Deroys die euch alle bestens Grüßen. Meine Guittarre Lieder* wirst du jezt erhalten haben, und daraus sehen da߇ ich kein accomp: zum Mädchen gesezt habe. Wie kannst du nur glauben daß ich so ein Esel seyn würde. von Baer höre ich noch immer nichts. da nun sein Oratorium fertig ist hätte er doch wohl Zeit. bis dato hatte ich noch allenfalls Geduld, nun aber fange ich ernstlich an beleidigt zu werden, denn ich weis auch was es heißt viel zu thun zu haben, und doch alle 14 Tage 2 Worte an einen Freund schreiben zu können. das Orator: möchte ich hören, in Berlin bekomme ich es wohl zu sehen. über die Quinten wird er spukken? du hast recht, die Zeitungen sind des Teufels, ich habe dem M: Bl:‡ auch etwas geschikt über Darmstadt pp da haben sie erst nur die Notiz über Reinholds Archiv* aufgenommen, mit der ich mich noch dazu blamirt habe, wie du mir jezt schreibst, da es nicht herauskomt. was macht aber der Mensch für Zeug, und bittet mich so flehentlich darum. Er muß mir jezt schreiben sonst thue ich nichts mehr für ihn. die Musik: Z: ist mir sehr hold, und nimmt was ich ihr schikke[.] du wirst wohl nun schon den Senf über Mannheim gelesen haben. schreibe mir doch was es für Wirkung thut, und ob wohl etwas dagegen kömt. ich finde immer noch Nichts für uns hier. mit dem Herausgeber des Kritischen Anzeigers*, Prof: Speth bin ich etwas genauer bekannt geworden, und habe ihm heute auf sein Verlangen einen Aufsaz über die Cendrillon geliefert. ich werde nächstens ein Referendum* einsenden, für den Verein‡. Für deine Lieder werde ich schon sorgen, auch will ich mit Winter sprechen, ob er nicht eine deiner Meßen* aufführen will, es wäre gut, und gäbe wieder Stoff. Künftige Woche fangen die Proben vom Abu Haßan an*, wenn er gegeben ist werde ich dir ausführlich darüber schreiben. 1 Clar: C: habe ich fertig und das 2t angefangen*. du schimpfst daß ich so lange hier bleibe, aber was soll man den Sommer über anfangen?
Stelle dir vor mein Vater kann noch immer nicht die Idee aufgeben hieher zu reisen*. rede ihm doch ins Gewißen. er behauptet sein Quartier koste ihn Monatlich 12 ƒ, das glaube ich nicht. ich schreibe ihm auch heute wieder. wenn er doch bedenken wollte, daß ihn die Reise so viel kostet daß er ein ½ Jahr davon leben kann. Neues weis ich nichts. den Fröhlich habe ich gefragt ob er mein Quartett rec:* will, und bin nun auf seine Antwort begierig. man muß ihn jezt schon indirect in Bewegung sezzen und‡ um seine Brauchbarkeit und guten Willen zu sehen. Roek gehörig.‡
Grüße mir deine liebe Frau unds Biwele, Houts pp und schreibe bald wieder deinem ewig unveränderlichen BruderM:s‡. M: d: 15t May 1811.
Apparat
Zusammenfassung
vor allem Vereinsangelegenheiten (Zeitungen, Rezensionen) und Kompositionen der Mitglieder betreffend
Incipit
„Deinen Brief vom 5t habe ich d: 9t erhalten, nebst Einlagen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub)
Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: R. 4. MÜNCHEN. | 15 MAI 1811
- am Kopf der Briefseite von Gottfried Weber mit Bleistif: „11 May 16“; außerdem von fremder Hand Zählung als „XIX“
Provenienz
- Stargardt Kat. 630 (1983), Nr. 1005
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Bollert/Lemke 1972, S. 32–33 (unter 16. Mai)
Textkonstitution
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„ß“„s“ überschrieben mit „ß“
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„… Referendum einsenden, für den Verein“Streichung offenbar durch G. Weber
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„und“durchgestrichen
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„… Willen zu sehen. Roek gehörig.“Streichung offenbar durch G. Weber
Einzelstellenerläuterung
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„Iphigenia hätte ich … höllisch los gelaßen“Auguste Weber sang die Titelpartie aus Glucks Iphigenie in Tauris (tragédie in 4 Akten) am 26. April 1811 im Mannheimer Museum; vgl. G. Webers Brief an G. Meyerbeer vom 5. Mai 1811.
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„… dazu kommen können ihre Schwestern“In der Neuen Berliner Musikzeitung, Jg. 4, Nr. 52 (25. Dezember 1850), S. 415 ist lediglich die kurz zuvor verstorbene jüngere Schwester Charlotte Schmalz erwähnt, die „zwar in früherer Zeit auch Sängerin gewesen ist, die Bühne betreten hat, aber nur in untergeordneten Verhältnissen“. Ob die sich 1811 in München aufhielt, ist unbekannt.
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„M: Bl:“Abk. von „Morgenblatt für gebildete Stände“.
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„Referendum“Vgl. Brief vom Juni/Juli 1811 Circular.
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„eine deiner Meßen“Zu Gottfried Webers Messen vgl. Lemke 1968, S. 110–112; zur Aufführung einer Messe Gottfried Webers in München kam es am 9. Februar 1812, vgl. den Bericht im Gesellschaftsblatt für gebildete Stände vom 19. Februar 1812 (vgl. Schriften, dort auch Näheres zur Frage der Autorschaft) sowie die Erwähnung in Alexander von Duschs Bericht in der Zeitung für die elegante Welt vom 17. April 1812.
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„Fröhlich habe ich … mein Quartett rec:“Eine Rezension des Quartetts für Violine, Viola, Violoncello und Klavier B-Dur durch Franz Joseph Fröhlich war bisher nicht zu ermitteln.
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„M:s“Abk. von „Melos“.