Carl Maria von Weber an Franz Danzi in Stuttgart
Berlin, Dienstag, 14. Juli 1812
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Absolute Chronologie
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- 1812-07-14: an Gänsbacher
- 1812-07-12: von Weber
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- 1812-08-30: an unbekannt
- 1812-08-12: von Friedrich IV.
Korrespondenzstelle
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- 1812-05-23: an Danzi
- 1812-06-03: von Danzi
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- 1816-03-16: an Danzi
- 1815-09-05: von Danzi
Mein lieber alter Freund!
Sie werden recht böse sein, daß ich Ihnen auf Ihren lieben Brief vom 3ten Juni den ich am 14ten richtig erhielt, nicht eher geantwortet habe, aber wenn ich Ihnen sage daß ich mit dem Einstudiren meiner Silvana beschäftigt war, und noch ein paar neue Arien dazu schreiben mußte, weil mir die alten nicht mehr gefielen, so werden Sie mich gewiß entschuldigen. ich ergreiffe den ersten freyen Augenblick um Ihnen mein lieber gewiß Antheil nehmender Freund die glänzende Aufnahme meiner Silvana zu melden*. Den 10ten war sie zum erstenmal, und wurde trotz aller 1000000000 Kabalen und VerläumdungenT mit einstimmigem Beyfall aufgenommen. nach jedem Akte erscholl ein lautes Bravo, Weber. ich dirigirte sie selbst, und sie ging vortrefflich, ich habe sie nun zum ersten male wahrhaft so gehört wie ich sie mir dachte, und einige kleine Abänderungen sind ihr sehr zum Vortheile aus geschlagen. Heute ist sie wieder. daß Sie so fleißig sind, freut mich unendlich. Sie zahlen der Welt den Tribut den Sie ihr durch Ihr herrliches Talent dazu verpflichtet schuldig sind. Freund Gern hat schon wegen Eugenie‡ etc.* mit Iffland gesprochen, und legt hier selbst ein paar Zeilen bey, woraus sie auch sehen werden, wie sehr er sich auf den Abraham freut. Der Münchner Rez. der M. Z. ist, erstlich ein Rindvieh und übrigens ein Esel, zum Glück kann man nur lachen über solches Zeug*. Herrn Schnabel habe ich das Verzeichniß Ihrer Kirchen Comp. zugestellt*, habe aber die Preise um ein geringes erhöht, da die Ihrigen gar zu niedrig waren. er ist über Leipzig etc. nach Breslau zurückgereiset, und wird sich da wegen dem Ankauf mit seinen Vorgesetzten besprechen und dann mir Bescheid schreiben. Sie schreiben mir von Neuigkeiten die mich überraschen werden, die für mich Neueste ist, daß ich erfahren habe, daß Sie den Würtenbergischen Dienst verlaßen werden. Wohin sie aber gehen weiß ich noch nicht, und da ich Sie noch in Stuttgart hoffe, so lasse ich diesen Brief noch dahin abgehen. von Hiemer höre ich nichts. ich brauche ein neues Sujet so sehr nothwendig, da ich eine Oper für das Prager Theater zu schreiben habe*. Ende dieses Monats verlaße ich Berlin, und gehe auf 2 Monate nach Gotha zum Herzoge, der sehr gütig gegen mich ist und wo ich viele Muße zum Arbeiten haben werde. ich bitte Sie daher mir umgehend zu schreiben, damit mich Ihr Brief hier noch trifft. Von Bärmann habe ich erfahren das Gretula in München ist, wie manchmal denke ich an vergangenen Sommer und unsere Stahremberger Reise zurück*. nun, wer weiß wo uns das Schicksal wieder einmal zusammen führt, und doppelte Hoffnung winkt mir ja wenn Sie Ihren jetzigen Standpunkt verlassen.
Alles Herzliche an Ihre liebe Schwester und Kinder. Ewig Ihr treuester Freund C. M. v. Weber. Berlin den 14ten July 1812.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über Aufführung der Silvana in Berlin, für die er einige neue Arien komponiert habe; teilt mit, dass er ein Verzeichnis der Kirchenkompositionen Danzis an Schnabel gegeben habe; erwähnt Plan zu einer neuen Oper
Incipit
„Sie werden recht böse seyn, daß ich Ihnen auf Ihren lieben Brief“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung in 2 Textzeugen
-
1. Textzeuge: Verbleib unbekannt
Provenienz
- Henrici Kat. 123 (29. Sept. 1927, Heyer III), Nr. 428
- Henrici Kat. 3 (17. Sept. 1910), Nr. 471
- Schulz, Otto August: AV 27 (1902), Nr. 850
- List & Franke, 1. März 1897, Nr. 1900
Dazugehörige Textwiedergaben
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MMW I, S. 356–357 (unvollst.)
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Anonym, Aus Carl Maria von Weber's Briefen, in: Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler, Jg. 12, Nr. 43 (22. Oktober 1864), S. 337 (unvollst.)
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2. Textzeuge: Ludwig Nohl, Musiker-Briefe, 2. verm. Ausgabe, Leipzig 1873, S. LXVIIf.
Themenkommentare
Textkonstitution
Textwiedergabe nach dem vollständigen Abdruck bei Nohl.
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„Eugenie“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„… Carlsruhe“Die doppelte Ortsangabe in der Nohl-Edition gibt vermutlich eine postalische Korrektur wieder: Weber hatte den Brief nach Stuttgart adressiert (s. Brieftext), das Schreiben war Danzi dann aber nach Karlsruhe nachgesendet worden, d. h. in der Adresse wurde „Stuttgart“ vermutlich gestrichen und statt dessen „Carlsruhe“ ergänzt.
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„… hat schon wegen Eugenie etc.“Danzis Einakter Eugen und Camilla oder Der Gartenschlüssel (Text: F. C. Hiemer) hatte am 15. März 1812 seine Uraufführung in Stuttgart erlebt. In Berlin kam das Singspiel allerdings erst am 20. Februar und 17. Mai 1816 zur Aufführung.
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„… nur lachen über solches Zeug“Bezogen auf den Münchner Konzertbericht in der AmZ, Jg. 14, Nr. 19 (6. Mai 1812), Sp. 312–318 (speziell Sp. 315f.), in dem eine „Concertante für zwey Fagotte von Hrn. Danzi“ als „zu seinen schwächsten“ Werken gehörend und als musikalisch einfallslos charakterisiert wird.
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„… und unsere Stahremberger Reise zurück“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 11./12. und 15. bis 18. Juli 1811.