Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Hagensdorf
Berlin, Dienstag, 14. Juli 1812

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S. Wohlgebohren

Herrn Johann Gänsbacher

berühmten Compositeur

zu

Hagensdorf im

Saatzer Kreise

in Böhmen

bey S: Exellenz

dem Herrn

Grafen von Firmian.

Geliebter Bruder!

Sey nicht böse daß ich dir so lange nicht geantwortet habe, aber das Einstudiren meiner Oper fraß mir jeden Augenblik Zeit, und ich wollte ihn doch auch gerne dir gleich den Erfolg melden, der so glänzend war, als man es nur verlangen kann*, und wo ich einen Triumph über KabaleT pp feierte wie es nur immer möglich ist. d: 10t war sie zum erstenmale, und heute wird sie wiederhohlt. ich dirigirte selbst, und außer dem Aplaudiren der Musik, erscholl nach jedem Akte ein lautes Bravo Weber. Sie gieng aber auch vortrefflich und Sänger und Orchester wetteiferten mit einander. Nun zu Beantwortung deiner Briefe, den vom 12t Juny erhielt ich d: 18t und den vom 2t July d: 9t. ad 1. das Verzeichniß deiner Comp: habe ich Schnabel gegeben*, er ist über Leipzig Dresden pp nach Breslau zurük gereißt und wird sich da mit seinen Vorgesezten über den Ankauf besprechen und mir dann schreiben was er wünscht. aber lieber Br: wie ist es möglich daß du den wichtigsten Punkt meines Briefes wegen Berner übersehen und mir nichts darüber schreiben konntest. nach den andern eingegangnen Stimmen ist er unser und heißt Ernst*. er wird sehr auch für deine Comp: in Breslau sorgen. Es [ist] ein trefflicher Mensch und herrlicher Künstler. dein liebevolles Zutrauen hat mich innig gerührt. ja bey Gott du hast dich nicht in mir geirrt, und mit Freuden wird die Brust auch des Freundes Leiden tragen die selbst schon in so manchem Kampfe ausdauerte. –  von Liebich und der Victorine habe ich Briefe erhalten, und bin nun entschloßen, August und Sept: in Gotha zuzubringen und im 8br nach Prag zu gehn. wie freue ich mich auf das Glük dich zu umarmen, und ein paar Monate mit dir verleben zu können. Wie wäre es wenn du mich von München aus in Gotha abholtest? was wird sich Bärmann freuen wenn er dich in München sieht. Vogler und Beer werden wohl noch 3–4 Monate da bleiben. Beer hat schon ein paar mal vor der Königin gespielt und seine Oper kömmt gewiß zur Aufführung*. Gott sey Dank, alles Vereinte blüht kräftig und herrlich und läßt reiche Früchte hoffen. — Deine Anzeige vom Requiem werde ich besorgen. 1mo in die hiesige Zeitung, Elegante: pp wie werde ich dir denn nun Nachricht geben können, wenn du auf der Reise bist? du kannst deine Briefe immer hieher adressiren, denn sollte ich auch schon abgereißt sein, so bekomme ich sie doch richtig. Schreibe mir ja umgehend wieder, wie lange du in Salzburg bleibst, und überhaupt so genau als möglich deinen Reiseplan. auch ob ich in München etwas für dich thun kann. doch ist da Bärmann und Vogler, da hast du alles was du brauchst. Wenn du im Salzburgischen Gelegenheit finden solltest meinen alten Freund Susann, Aktuar in Teisendorf zu sprechen, so thue es ja und schreibe mir dann wie du ihn gefunden. vielleicht ist er tauglich*, du wirst dich erinnern daß ich dir von seinen Briefen zu lesen gab. spätestens Anfangs August verlaße ich Berlin, um in Gotha recht ruhig arbeiten zu können. ich habe von Rochliz Text zu einer schönen Cantate erhalten die ich comp: werde, und die in Leipzig zu Neujahr zum erstenmale gegeben werden soll.

nun muß ich schließen, empfiehl mich deinem lieben Hause aufs Beste, und vergiß nicht deinen dir ewig treusten Bruder [Unterschrift abgeschnitten] Berlin d: 14t July 1812.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über Aufführung der Silvana in Berlin; teilt mit, dass er ein Verzeichnis von Gänsbachers Kompositionen an Schnabel weitergegeben habe; betrifft Aufnahme Berners in den Harmonischen Verein; Reisepläne: Gotha, Prag

Incipit

Sey nicht böse, daß ich dir so lange nicht geantwortet habe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 20

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • am linken Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändiger Brief von C. Maria v. Weber
    • auf Adr.-Seite nachträgliche Postvermerke von fremder Hand: „Hagensdorf“ gestrichen, darunter ergänzt: „Salzburg“, auch das gestrichen und daneben ergänzt: „Retour Prag | dahin abgereist.“, schließlich nachgetragen: „Innsbruk

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl 1867, S. 217–219 (Nr. 20)

Textkonstitution

  • „ihn“durchgestrichen
  • „… und wo ich einen Triumph“das versehentlich geschriebene „h“ nach „T“ gestrichen
  • „es“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… man es nur verlangen kann“Zur Berliner Erstaufführung der Silvana am 10. Juli 1812 vgl. die Aufführungsberichte.
  • „… Comp: habe ich Schnabel gegeben“Das Verzeichnis hatte Weber im Brief vom 23. Mai 1812 erbeten.
  • „… er unser und heißt Ernst“Bundesname im Harmonischen VereinT.
  • „… Oper kömmt gewiß zur Aufführung“Vgl. auch G. Meyerbeers Bericht im Morgenblatt für gebildete Stände vom 13. Juli 1812 inklusive Kommentar.
  • „… gefunden. vielleicht ist er tauglich“Susan wurde kein Mitglied des Harmonischen Vereins.

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