Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Salzburg
Prag, Mittwoch, 28. Juli 1813
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S: Wohlgebohren
Herrn
berühmten Compositeur
dermalen
zu
in der Leopolds
Krone abzugeben
bey S: Exellenz dem H: Grafen von und
zu Firmian
Lieber alter Hans!
Deine 2 Briefe vom 8t und 17t huj: habe ich richtig erhalten und die Einlagen an Jungh abgegeben der mir versprochen hat dir zu antworten. ich bekomme ihn jezt wenig zu sehen obwohl ich alle 3–4 Tage einmal zu ihm komme, da er sehr beschäftiget ist. Es thut mir sehr leid daß mein durch Passi geschriebener Brief verlohren gieng weil da mancherley drin stand. Von Vogler habe ich kurz hintereinander 2 Briefe erhalten worinn er mir schreibt daß ich ein Honorar für seinen Samori pp bestimmen und auf der Stelle nach Wien schikken sollte. du weißt da߇ das so schnell nicht geht und wie kann ich das Honorar bestimmen. das sind fatale Correspondenzen ich habe ihm heute geschrieben. auch wollte er haben daß ich das was du mir schiktest von seinem Orgel Concert*, in die Prager Zeitung einrükken laßen sollte. ich bin recht froh daß er in München den Vergleich gemacht hat*, und zweifle wie du an dem ganz großen Vorschuß. Es thut mir auch wehe diese Flekken an dem großen Geiste zu wißen. Ueber Beer klagt er fortwährend. ’s ist doch ein nachläßiger Hund, der gar keine Verhältniße ehrt. Mein Orchester Volk beugt sich nach und nach dem eisernen Zepter und kriecht zu KreuzeT. die beyden H: Krals werden wir wohl verliehren, weßhalb ich mir nicht den Kopf abreißen werde. mit deinem Haßlauer wird es wohl nichts sein, denn ziemlich brave Geiger giebt es hier auch noch, und wenn es nicht etwas vorzügliches ist, muß man es nicht kommen laßen. Von meinen Geschäften und Verdruß hast du keine Idee. und du fehlst mir recht um mein Herz manchmal auszuschütten. ich habe so gar keine Seele um mich der ich vertrauen könnte. Es ist zwar ein heilloser Wunsch, aber beynah möchte ich den Ausbruch des Krieges schnell herbeywünschen, weil ich dich dadurch wieder kriege. D moll ist [den] 14t abgereist was mir wirklich recht leid thut, denn man hat wahren Sinn für die Kunst. ich soll dir viel davon schreiben? will es aber aufs mündliche verspahren. was soll man viel von den W:* sagen? mit kleinen Variationen ist es immer das alte Thema und was ich von dieser GrundMelodie denke, weißt du.
Es freut mich daß du arbeitest, was es ist, ist gleichviel | nur immer etwas gethan. die 4 füßige Sonate wollen wir gut miteinander dreschen. du bist ja ein ganzes Luder mit deinen Anspielungen und Verwebungen darinn.*
bey mir ist an kein Arbeiten zu denken. in einigen Tagen wird Passi die Oper vollenden*, und da will ich dann jede Minute haschen um daran zu arbeiten, denn ich habe rechten Drang dazu. Bald fangen nun auch meine Proben an*. daß die Grünbaum in Wien Furore macht* wirst du wohl wißen. den 9t August kommen Sie wieder hieher. M: B: schrieb mir daß Sie sehr wieder mich sey. das dumme Thier, so etwas sich merken zu laßen, wenn ich nicht ein so guter Hammel wäre, könnte ich ihr es gut eintränken. Gestern hat meine ehemalige Hausfräule Hammer Hochzeit gemacht, mit dem H: StallMster des Grafen Czernin*. ich gönne ihm sein Glük lieber als mir. ich lerne böhmisch daß es eine Art hat, und bis du kommst werde ich schon das deutsche verlernt haben.
Seit dem 8t wohne ich in meinem neuen Quartiere und ich glaube daß du dir recht gefallen wirst in meinem niedlichen Stübchen, wo es recht heimlich darin istT. Auf den Untersberg* hätte ich wohl mit Kraxeln mögen, er ist ein alter Freund von mir, so wie alle Berge um Salzburg. Meine Canzonetten werden auch dieser Tage fertig und nun geht es an die 6 neuen Lieder. auch wird Haas wahrscheinlich den Klavier Auszug von Hassan stechen.
Nun habe ich genug zusammen geschmiert, und muß schließen. alle Be|kannten
grüßen dich bestens. Heute eße ich bey Kleinwächters im Garten, wo deiner gewiß auch
gedacht wird. Liebichs ziehen heute ins Redouten Haus. Neues
weiß ich nichts mehr, als daß du eine Menge hübsche Madeln hier finden wirst beym
Ballet, und daß der Dichter Tieck
hier ist, dem ich manche belehrende schöne Stunden verdanke*. ich sang ihm sein Lied
vor, du weißt? das verfluchte, und es gefiel ihm außer ordentlich. vielleicht macht er mir auch
eine Oper.
Empfehle mich aufs herzlichste deiner verehrten Casa,
und schreibe bald wieder deinem treusten Bruder.
Vale et me amas.
dein bis in den Tod
treuster Bruder Weber
Prag d: 28t July 1813.
Apparat
Zusammenfassung
über Vogler, Meyerbeer, Prager Ensemblemitglieder und Engagements; sonstige Prager Neuigkeiten
Incipit
„Deine 2 Briefe vom 8t und 17t huj: habe ich richtig“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
Signatur: Weber an Gänsbacher 29Quellenbeschreibung
- 1 DBl.? (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
- von Gänsbacher auf der Adressenseite rechts oben notiert (Tinte): Briefe von C M: v Weber | Gottfried Weber und MayerBeer | Vom Jahr 1810 - 1813.
- am rechten unteren Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändig von C. M. von Weber.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Nohl 1867, S. 228–230
-
Worbs 1982, S. 52–54
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„daß“„das“ überschrieben mit „daß“
Einzelstellenerläuterung
-
„… München den Vergleich gemacht hat“Bezogen auf das gescheiterte Orgel-Umbauprojekt in der St. Michaelskirche in München; vgl. Karl Emil von Schafhäutl, Abt Georg Joseph Vogler. Sein Leben, Charakter und musikalisches System. Seine Werke, seine Schule, Bildnisse &c., Augsburg 1888, S. 66–70.
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„… man viel von den W:“Vermutlich gemeint: Weibern.
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„… deinen Anspielungen und Verwebungen darinn.“Gemeint ist wohl Gänsbachers Grand Divertissement für Klavier zu vier Händen in E-Dur aus dem Jahr 1811, gedruckt bei Schlesinger in Berlin (VN: 494), in dem u. a. im I. Satz (Adagio) Gänsbachers Metastasio-Vertonung „L’amerò sarò costante“ Nr. 1 aus den „Sechs Liedern mit Begleitung des Piano-Forté oder der Guitarre“ (op. 9 der Gesangsstücke, erschienen bei André in Offenbach, VN: 3004) aufgegriffen wird. Zu den Liedern hatte Weber für den Erstdruck 1810 die deutsche Textunterlegung besorgt.
-
„… nun auch meine Proben an“Vgl. die Tagebuchnotiz zur ersten regulären Opernprobe am 12. August 1813; bereits zuvor sind einzelne Proben vermerkt (vgl. u. a. 2. August 1813).
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„… H: StallMster des Grafen Czernin“Wohl eher Wolfgang Maria Graf Czernin von Chudenitz (1766–1813) als dessen Bruder Johann Rudolph.
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„… manche belehrende schöne Stunden verdanke“Vgl. u. a. die Tagebuchnotizen vom 20. Juni sowie 4., 5., 13., 17. und 23. Juli 1813.