Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 19. bis Freitag, 21. Februar 1817 (Nr. 28)

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Mein geliebtes gutes Leben.

Ich kann nicht anderst, und habe zu gar nichts Lust, ehe ich nicht mit dir ein wenig geplaudert hab und mich erkundigt habe wie es dir geht. Es ist eigentlich eine Art von Aberglauben und Selbsttäuschung, indem man sich beruhigter fühlt wenn man auch nur auf dem Papier mit dem geliebten Gegenstande gesprochen hat, und wohl uns daß dieses geheimnißvolle Gefühl der Schöpfer uns schenkte ohne welches ein liebendes Herz in der Trennung vor Sehnsucht vergehen müste.       Wenn ich so mit meinem Mukkenkönig pabse, so sehe ich ihn ganz lebendig vor mir stehen, und da ich jede Miene weis die er bei Lesung jeder Zeile machen wird so bilde ich mir schon ein die Antwort zu haben.       Ach, ich warte jezt gar zu schmerzlich auf Antwort wegen deiner Gesundheit meine theure Lina, Gott gebe wie ich hoffe daß du gänzlich wieder hergestellt bist, sonst gehe ich hier durch und laufe zu dir.       Aber du wirst schon nicht so unartig sein und krank bleiben, ich hab es ja streng verboten! Wenn aber das Wetter so unendlich elend bey euch wie bei uns ist, so nimmt es mich nicht Wunder wenn es Kranke die Hüll und die Füll giebt. auch hier klagen alle. Husten und Schnupfen ist das wenigste.       Die unnatürliche Wärme der ewige Regen und Sturm bringt das. Gestern früh war GeneralProbe vom Hausgesinde, dann kaufte ich das Zeug 15 Ellen, wo ich lange sehr verlegen mit der Farbenwahl war, nun mögest du nur zufrieden sein, es ist Luisenblau. Die dunklen blau und braun waren nicht hübsch und das grün zu hell. ich hörte daß der Oester: Gesandte nach Wien reißte*, lief also gleich nach Hause zog mich an, traf ihn nicht zu Hause, suchte ihn beim Bayerschen, auf, um ihm wo möglich das Zeug aufzuhängen, es war aber nitz. ich gebe also jezt überall Comission und du wirst es doch hoffentlich bald bekomen.       Das Hausgesinde hat abermals Malheur gehabt. erstlich war die kleine Zukker so heiser daß sie kein lautes Wort sprechen geschweige denn singen konnte, sie muste also blos das Maul bewegen und Mlle: Schubert sang hinter der Kouliße, das war Faschingsmäßig genug, aber traurig. gelacht ist zwar unmenschlich geworden, aber am Ende wurde die Geschichte doch matt, und mißfiel, glaube ich*.        H: Geyer hat auch bei weitem nicht Laune genug dazu, und ein sicherer H: v: Muks hat ihn ganz anderst gespielt*.        Dann gieng ich noch ein bischen zu dem kranken Schmidl der heute wieder speiberln muß, und um 10 Uhr im Bett, denn ich bin auch etwas marode von dem dummen Wetter.       Jezt habe ich dir einen schönen guten Morgen gesagt, und muß mich anziehen zur Fanchons Probe. wird auch eine traurige Vorstellung werden. ist kein Mensch dabei der singen kann*. Nun, meinetwegen ich kann die Sänger nicht herhexen.       Guten Appetit Muks, hast dich doch nicht gestern wieder verdorben mit den Faschings Krapfen? einen von dir gebattenen möchte ich wohl freßen.       Nun Gott behüt dich und sei mir hübsch gesund + + +. hörst du? versprich mirs heilig. 100000000000 Bußen.

Da sizze ich seit einer Stunde um den Aufsaz über die Fanchon zu schreiben, und dann mit dir zu plaudern, und es geht nicht, mein Geist ist zu sehr mit dir beschäftigt und ich muß ihm nur den Willen thun, erst mit dir zu sprechen, dann zu arbeiten, muß es also heute umgekehrt machen und die Erholung voraus schikken.

Bin Gestern nach der Fanchons Probe wieder herumgelaufen nach einer Gelegenheit, und endlich siehe da fand sich die beste, und ich hoffe daß du mit diesem Brief zugleich durch deinen alten Kutscher das Zeug erhalten haben wirst, und wünsche nur daß es zu deiner Zufriedenheit sei. ich war recht froh wie es fort war, und wäre lieber selbst mit dem Kutscher gesegelt.       Abends dann hatte ich Conferenz, dann den Dichter TheeT, dießmal beim Reg: Rath Geißler, wo ich auch spielen und singen muste bis 10 Uhr*, und dann noch zu Hellwigs gehen, danen ich es schon einigemal | hatte abschlagen müßen, und die darauf bestanden hatten, ich müße kommen es sei so spät es wolle. da dauerte es bis 1 Uhr. dann müde in Bett, und heute früh auf, und gearbeitet den ganzen Tag bis Abends wo ich eine Menge Briefe und deinen No: 30 erhielt, ins Theater gieng um Mlle: Lindner als Toni zu sehen*, und nun hier hotte und mit Muks plaudern will.       Ich hätte wohl Ursache ein bischen mit Muks zu zanken, und wenn ich mich gleich nach Empfang deines Briefes hingesezt hätte, wärs vielleicht doch ein bischen geschehen da du mich aber schon einmal darauf aufmerksam gemacht hattest, so wartete ich ein bischen.       Mußt mirs nicht zu leide thun alter Hammel und einen so, ich weis nicht wie – Ton haben, besonders die EifersuchtsGeschichten muß er nicht vorbringen er dummer Kerl, hats nicht Ursach, und thut mir alles dergleichen weh, je mehr ich dich seit dem Berliner Aufenthalt davon geheilt glaubte. – Nun, Puntum ich bin schon still.       Auch mögen wohl meine Briefe nicht lauter magre Kühe sein, und 2 Seiten von meiner engen Pfote leicht 4 von dir ausmachen, wenn du denn de einmal so meßen willst. die Zeit zum Schreiben findet sich schon auch, wenn gleich es in Dienstgeschäften ein ander Ding ist, als wenn man mit freywilligen Arbeiten noch so sehr überhäuft ist.       Must nicht so über mich klagen, lieber Muks es – , .       Ueber deine Gesundheit bin ich durch diesen Brief auch nichts weniger als beruhigt, zumal da ich weiß wie sehr Verdruß auf dich wirkt. Hast dich wie ein ganzer Kerl bei dem elenden Betragen der Liebich benommen, und kann ich nichts thun als dich bestens darüber loben. Auf jeden Fall bestehe von nun an noch fester darauf daß dir deine Gage immer nach dem Cours bezahlt wird. haben ist beßer als hätt ich. Sie kann ja am Ende das Benefiçe nehmen.       thut sie das nicht stets aufs ordentlichste so gehe ab, ohne Umstände, und komme zum Muks, du sollst dir nichts thun laßen.       Aber ich sehe mit Freuden daß du fest und klug handelst. Es ist ganz eigen daß du noch am Ende deiner alleinstehenden Lebensweise noch alles bittere der Geschäftswelt in der wir Männer ewig leben müßen, empfinden sollst.       Wenn es deiner Gesundheit nur nicht schadete wäre dieses gar nicht übel, denn es erprobt die eigene Kraft und Selbstständigkeit.       du hast Unrecht mit der Ablieferung des Geldes zu warten bis alles beisammen ist, da gehen ja immer Intreßen verlohren. Auch hättest du am besten bey Ballab: verwechselt, als vielleicht jezt beim Juden.

Armer armer Muks, du dauerst mich recht wenn ich mir dich denke so unter Advokaten Händeln. Ja wohl ist Jungh dein Schuz und Rath ohne diesen hätte ich dich auch nicht da allein gelaßen, und endlich nach jahrelangem Wiederwillen gelang es doch die Mamsell in das Haus zu bringen, wo sie ein Unrecht einsah, in Berlin das 2t und doch – – .       Aber sage mir wie du manchmal bist. eben preißt du Junghs Anhänglichkeit und Freundschaft, und in der nächsten Zeile versprachst du dir in Leipzig einen recht vergnügten Sommer, wo sollte denn das Vergnügen herkomen? ohne deinen Muks, und ohne Junghs abermals allein.       Ey Ey Muks!       Ich freue mich Wohlbrük zu sprechen, ich habe viel mit ihm abzumachen, er thut gar nichts dergleichen vor der Walpurg*.       Heute Abend im Theater sprach ich Fried. Kind, den hatte ich Gestern so begeistert, daß er gleich heute eine Oper für mich angefangen hat. Morgen gehe ich zu ihm, um den Plan ins Reine zu bringen. Das Sujet ist trefflich, schauerlich und intereßant. der | Freyschütze. ich weiß nicht ob du die alte Volkssage kennst.

Daß ich viel in Gesellschaft sein muß ist leider wahr, aber ich habe gewiß nicht den zehnten Theil so viel frohe Stunden als du. sondern es ist mir eine peinliche Last, vom ewigem aus und anziehen. Es ist aber vor der Hand noch nothwendig und nicht zu ändern, bald werde ich mich in meine stille Häuslichkeit zurükziehen, und gegen den Sommer zu geht ohnedieß alles aufs Land, und ich bekomme wenigstens von der Seite Ruhe.

Das Gedichtlein von Kastelli ist recht hübsch, bin aber vor der Hand nicht in der Stimmung zum componiren*, ’s ist also auch mit der liebenswürdigkeit nitz, küß aber die Hand fürs Kompliment.       Was der Tafent kostet habe ich mich nicht erkundigen können, da ich nur einen Augenblick bey Schmidls war. Es geht ihm beßer, er wird aber wohl noch einge Wochen zubringen ehe er ganz hergestellt ist.       Die Lindner ist aus Kaßel, hat heute recht brav gespielt, aber das tragische ist nicht ihr Fach, dazu hat sie zu wenig Kraft, ist aber auf dem Theater zu Hause, spricht gut, und ist ein niedliches Figürchen, nur noch kleiner als du, und hat kein so herzliebes Gefräß. Ist sie in der Fanchon und den Savoyarden und Rosen des Malherbes brav, so engagiren wir sie frischweg*.       Da hat mir auf dem Theater Mad: Schirmer ein Brieflein an dich gegeben, es wird wohl voll Dankens stekken, obwohl sie noch nichts hat.

Du sagst du seyst zufrieden wenn nur ich heiter bin. Liebe gute Lina das bin ich nur stets durch dich und deine Briefe, geben mir die Stoffe zur Zufriedenheit, so trage ich alles andere spielend, lache dazu, und scherze darüber, im umgekehrten Fall aber ist mir alles fatal und wiederwärtig, und selbst die besten Ereigniße können mir keinen freundlichen Blik ablokken. Nun muß ich schließen, denn ich sollte wohl noch arbeiten, aber ich habe nicht die geringste Lust dazu, und will in Bett gehen. Morgen ist freylich der ganze Tag von Stunde zu Stunde besezt, aber ich kann nicht helfen, ich würde doch heute nichts kluges mehr herausbringen, und die Buchdrukker müßen warten. Gute gute Nacht. Gott segne dich und schenke dir eine ruhige heitere Nacht, mit gesundem festen Schlafe. allenfalls kannst du was gutes träumen von deinem dich so innigst

liebenden treuen Carl gute gute Nacht. + + +.

Guten Morgen mein geliebtes Leben. wie hast du geschlafen? bist du wieder wohl auf? und brav? ich habe schon eine Lection* und einen Aufsaz im Leibe, nun gehts in die SezProbe der Fanchon. die mir höchlichst zuwider ist, denn du weist daß ich sie gewiß 80mal dirigirt habe. Sie hängt mir Ellenlang zum Halse heraus*.       Ich kann nicht eher ganz ruhig sein, als bis ich weiß daß du wieder ganz hergestellt bist. ich bitte dich ums Himmels willen schone dich; ich weiß wohl daß man mit dem besten Vorsazze und Willen bey so fatalen | Geschichten es nicht über sich gewinnen kann sich nicht zu ärgern, und das ist eben traurig, denn wo giebt es einen Stand, eine Laage in der Welt wo man nicht Verdruß hätte, aber es ist doch nöthig sich recht zusammen zu nehmen. Mein Trost und meine Hoffnung sind Junghs, und du wirst schon mit der guten Fanny deinen Verdruß wieder weglachen. Wer ist denn der Keeßbacher, ist das der Dr: aus Innspruk? und was macht der jezt in Prag?       apropos erkundige dich doch auch wie es der armen Desfours geht, und ob der Schaden groß ist den sie erlitten hat*. Nun muß ich schließen, ich mag wollen oder nicht. Gott behüte dich und erhalte dich gesund und brav. Behalte lieb deinen

dich über alles liebenden treuen
Carl.
Grüße alle bestens.

Apparat

Zusammenfassung

Privates; über Generalprobe und Aufführung vom Hausgesinde; Mlle. Zucker war heiser, hat nur gespielt und Mlle. Schubert sang hinter der Kulisse; Geyer war blass, er glaubt, dass Caroline es besser gemacht hätte; ist unzufrieden mit dem Sängerpersonal; traf Kind im Theater, er ist so begeistert über das Freischütz-Projekt, dass dieser schon mit dem Text angefangen habe; Gedicht von Castelli ist hübsch, hat aber z. Zt. keine Stimmung, es zu komponieren; die Lindner aus Kassel hat Gastrollen gegeben, vergleicht sie mit Caroline, Aufsatz über Fanchon

Incipit

Ich kann nicht anderß und habe zu gar nichts Lust, ehe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 80

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

Textkonstitution

  • „hab“durchgestrichen
  • r„s“ überschrieben mit „r
  • „de“durchgestrichen
  • d„h“ überschrieben mit „d

Einzelstellenerläuterung

  • „… Oester: Gesandte nach Wien reißte“Laut Dresdner Anzeiger, 1817, Nr. 22 vom 24. Februar 1817 am 20. Februar 1817 Abreise über Prag nach Wien.
  • „… matt, und mißfiel, glaube ich“Zur Aufführung am 18. Februar (Fastnacht) vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 26. Februar 1817.
  • „… hat ihn ganz anderst gespielt“Geyer spielte den Lorenz; diese Partie hatte Caroline Brandt in Prag (Premiere: 13. Februar 1814) gegeben, während sie während ihres Engagements in Frankfurt am Main noch die Louise sang.
  • „… Mensch dabei der singen kann“Besetzt waren T. Lindner (Fanchon, a. G.), G. W. Wilhelmi (Francarville), F. Hellwig (Saint Val), J. Zwick (Abbé de Lattaignant), H. Christ (Frau von Roussel), W. Schubert (André), J. G. Häcker (Bertrand), F. Burmeister (Martin), F. Krickeberg (Adele), G. Bergmann (Augustin), E. Zucker (Florine), J. Herrmann (Vincent), J. A. Künzel (Champagne) und F. Schwarz (Polizeibeamter).
  • „… singen muste bis 10 Uhr“Laut Tagebuch spielte Weber u. a. die Variationen in F-Dur.
  • „… Lindner als Toni zu sehen“Therese Lindner begann ihre Gastauftritte in Dresden (20., 24. und 25. Februar) mit der Titelpartie in Körners Toni.
  • „… nichts dergleichen vor der Walpurg“Möglicherweise Hinweis auf ein gemeinsames Opernprojekt; vgl. dazu auch den Brief an Caroline Brandt vom 26. Juni 1815. Der Hinweis auf „Walpurg“ könnte sich auf das Libretto zu Walburg von SkarroeT von Passy beziehen, vor dessen musikalischer Umsetzung Wohlbrück kein eigenes Libretto liefern wollte.
  • „… in der Stimmung zum componiren“Weber vertonte das Gedicht einen Tag später, am 21. Februar 1817.
  • „… so engagiren wir sie frischweg“Am 24. Februar spielte Therese Lindner die Titelrolle in Fanchon, am 25. Februar die Susette in den Rosen des Herrn von Malesherbes und den Joseph in den Savoyarden; ein Engagement kam nicht zustande.
  • „… ich habe schon eine Lection“Webers Italienisch-Unterricht (17. Februar bis 5. September 1817).
  • „… mir Ellenlang zum Halse heraus“Allein während Webers Breslauer Dienstzeit als Musikdirektor des dortigen Theaters stand das Werk ab dem 9. November 1804 annähernd vierzigmal auf dem Spielplan; vgl. Weberiana 28 (2018), S. 28. Am Prager Ständetheater sind seit der Neueinstudierungs-Premiere am 27. März 1814 bis zu Webers Kontraktende allerdings nur acht Vorstellungen nachweisbar; vgl. die SpielpläneTTT.
  • „… ist den sie erlitten hat“Zum Brand auf den gräflich Desfour’schen Besitzungen (vermutlich in Hradek) vgl. auch Webers Briefe vom 28.–31. Januar 1817 an Caroline Brandt sowie vom 10. März 1817 an Gänsbacher.

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