Carl Maria von Weber an Georg Friedrich Treitschke in Wien
Dresden, Samstag, 29. Januar 1820

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Mein verehrter alter Freund!

Ich kann unmöglich die Gelegenheit vorüber gehen laßen Ihnen durch Ueberbringer dieses, H: Mittag* ein Lebenszeichen von mir zu geben, indem ich zugleich Ihrer freundlichen Güte H: Mittag, /: als Fagottist im Hof Orchester bei Ihnen angestellt :/, – vermög seines Talentes, Karakters und anspruchsloser Bildung, – bestens empfehlen kann

Seit wir uns nicht geschrieben haben*, hat der Himmel manch schwere Prüfung über mich verhängt. ich war dem Tode nah, und habe mich diesen Sommer nur langsam erholt.      Meine Frau leidet nun schon ein ganzes Jahr. 2 Kinder haben wir verlohren*. — Gott schenke es beßer im neuen Jahre.      Alle diese Umstände haben meine größeren Arbeiten sehr unterbrochen, und ich bin jezt erst an der Vollendung meiner Jägersbraut, mit der wahrscheinlich das neue Theater in Berlin eröffnet werden wird.      Es wird mich freuen diese Oper auch auf dem K: K: Hoftheater in Wien zu wißen, und erwarte deshalb Ihre Äußerung*.      überhaupt hätte ich wohl nicht übel Lust einmal eine große Oper eigends für Ihre Bühne zu schreiben. Gieng Ihre Direktion wohl darauf ein?      Ich lege diesen Wunsch ganz in Ihre Hände, und bin überzeugt ihn den besten, und freundschaftlich sorgenden anvertraut zu haben. |

Unsre Opern, ital: und deutsch, wollen sich noch immer nicht zu der Höhe heben auf welcher ich sie gerne stehen haben möchte; unsere Männer gehen an, besonders sobald wir Gerstäkker haben. aber an einer tüchtigen deutschen Sängerin fehlt es uns gänzlich. der Mangel an ausgezeichnetem Talent überall ist wirklich groß.      Sie sind noch am besten versorgt.

d: 26t huj: habe ich Emma di Resburgo von Meyerbeer in Scene gebracht. /: ital: :/ sie hat außerordentlich gefallen. Fast jedes Stük wurde applaudirt. Eine große Seltenheit bei unserm im ganzen sehr frostigen Publikum.      aber es hat auch das Rosinenfieber, und Meyerbeer hat fast bis zur Ungebühr diesem Mode Unwesen gehuldigt.      ich habe in der Abendzeitung einige Worte darüber gesagt.

Mit Achtung und Freude sehe ich Ihr ehrenwehrtes Streben, die Werke unseres unsterblichen Mozarts vor den Augen des Publikums zu erhalten. der Himmel segne Sie dafür, wie es alle ächte KunstSeelen thun.

Wie steht es aber mit Ihrer dichterischen Thätigkeit? Hat sich kein Opern Stoff Ihrer Bearbeitung zu erfreuen? Es wäre jammerschade wenn Ihre vielen Dienstgeschäfte Ihnen die Zeit zu solchen Schöpfungen raubten.

Nun lieber Freund leben Sie so wohl, heiter und zufrieden als ich es von Herzen wünsche, und gedenken Sie freundlich Ihres alten Sie achtend und liebenden Freundes C: M: von Weber

Apparat

Zusammenfassung

empfiehlt ihm den Überbringer, Fagottist Mittag; berichtet über seine Krankheit und die seiner Frau, den Tod zweier Kinder, sodass er erst jetzt an die Vollendung seiner Oper denken könne, die er gerne auch in Wien geben würde; signalisiert Bereitschaft, für Wien eine eigene Oper zu schreiben; über seine Dresdner deutsche Oper, die Aufführung von Meyerbeers Emma di Resburgo; lobt Treitschkes Bemühungen um Mozart und erkundigt sich, ob er einen Operntext in Arbeit habe

Incipit

Ich kann unmöglich die Gelegenheit vorüber gehen laßen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: In Privatbesitz

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Provenienz

    • Stargardt Kat. 685 (21./22. November 2006), Nr. 968
    • Christie’s (London), 16. Okt. 1985, Nr. 155 mit Teilfaks. (Schluss von Bl. 1v)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
      Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber Varia 6, Nr. 1

      Quellenbeschreibung

      • Kopie von fremder Hand (spätestens 1847) mit Annotationen von Aloys Fuchs und Friedrich Wilhelm Jähns
    • Fuchs, Aloys: „Drei Briefe des... Carl Maria v. Weber... an Friedrich Treitschke“ in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung (Luib) 7.Jg., No. 110 (14. Sept. 1847), S. 441f.
    • (Anonym), „Trois lettres inédites de Weber, ...“, in: Revue et Gazette Musicale de Paris, Jg. 15. Nr. 17 (23. April 1848), S. 128f. (in frz.)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… durch Ueberbringer dieses, H: Mittag“Der Fagottist August Mittag trat im Februar 1820 sein Engagement als Solo-Fagottist im Orchester des Burgtheaters an.
    • „… wir uns nicht geschrieben haben“Im Tagebuch ist ein Brief an Treitschke zuletzt am 26. November 1817 (!) erwähnt.
    • „… 2 Kinder haben wir verlohren“Am 28. April 1819 starb die Tochter Auguste (geb. 22. Dezember 1818), in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1819 hatte Caroline von Weber eine Fehlgeburt.
    • „… und erwarte deshalb Ihre Äußerung“Die Erstaufführung des Freischütz am Kärntnertor-Theater fand am 3. November 1821 statt.

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