Carl Maria von Weber an Hans Heinrich von Könneritz in Dresden
Berlin, Sonntag, 20. Mai 1821

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[…]

Ew. Hochwohlgeboren Erlaubniß gemäß, gebe ich mir die Ehre, Denenselben hiermit einige Nachrichten über meinen Aufenthalt in Berlin mitzutheilen, und zuvörderst den Auftrag Mdmll. Franz betreffend* zu berühren. Mdmll. Franz hat sich in Mdm. Unzelmann verwandelt*, und sieht ihrer baldigen Niederkunft entgegen, sie betritt daher jetzt die Bühne nicht*, und ich kann nur nachsagen, was ich von Kunstfreunden über sie gehört habe. Dieß ist aber nicht in so hohem Grade erfreulich, als, daß sie für die Dresdner Bühne wünschenswerth sein könnte. Auch giebt ihr ihre Verheirathung wohl überhaupt schon eine ganz andere Stellung.

Meine Eile hierher, um der ersten Vorstellung der Oper „Olympia“ von Spontini beizuwohnen, hätte ganz füglich unterbleiben können. Den 4. wo ich hier eintraf, und die Aufführung bestimmt war, hatten noch nicht einmal die Generalproben begonnen, und der Componist noch nicht die Ouvertüre vollendet. Erst den 14. fand die colossale Vorstellung* statt. Wie höchst verdrießlich mir diese Verzögerung ist, kann ich nicht genug ausdrücken. Alle Kräfte waren zu dieser Oper so im höchsten Grade in Anspruch genommen, daß ich an keine anderen Proben denken konnte. Dazu kamen Gestern und Vorgestern 2  Vorstellungen in Potsdam, auf Sr. Majestät Befehl im neuen Palais für den Hof und das Offizier-Corps durch die Revue veranlaßt*. Morgen kann ich also erst anfangen thätig zu sein*. Das Haus wird den 26. huj. mit einem Prolog von Göthe*, Iphigenie, und einem Ballet von Erfindung des Prinzen Karl, die Rosenfee, eröffnet*, dann wieder wahrscheinlich so lange geschlossen bleiben, bis meine Oper in Scene gehen kann*, welches schwerlich vor dem 10. oder 12. Juni möglich ist. Da ich natürlich die Badekur meiner armen Frau*, die hier besonders sehr leidend ist, nicht verkürzen kann, durch diese Umstände aber 14 Tage verliere, so finde ich es natürlich meiner Pflicht gemäß, meine Rückreise vom Alexisbade direct nach Dresden zu machen und den Besuch von Gotha, Weimar und Jena verloren zu geben.

„Olympia“ ist eine Pracht-Vorstellung, wie sie wohl nirgends schöner zu sehen sein kann. Sie soll über 20,000 Thaler kosten. Die 38 Trompeter auf dem Theater erhielten allein gegen 500 Thlr. für Proben und die 1. Aufführung. Auch soll Herr Spontini an Decorationen für beinahe 2000 Thlr. verworfen haben*, als ihm nicht wohlgefällig etc. Die Massen der Chöre, des verstärkten Orchesters, der Tänzer und Statisterie sind unglaublich. Se. Majestät der König nehmen so großen Antheil daran, daß Sie allen Hauptproben beiwohnten,  und auch in der Aufführung in den Zwischen-Acten auf das Theater kamen.

Außerdem haben mich die Vorstellungen der Preciosa* und „Cosi fan tutte* sehr erfreut. Beide sind sehr gelungen, und beweisen wie viele schöne Kunstmittel der hiesigen Bühne zu Gebote stehen. Preciosa war zum 9. Mal* bei sehr vollem Hause, es ist auch ein ungemein Wirkungsreiches Theaterspiel. Erlauben […]

Apparat

Zusammenfassung

betr. Engagement der Sängerin Unzelmann nach Dresden; berichtet über Verzögerung der Aufführung von Spontinis Olympia, wodurch die Proben zum Freischütz hinausgeschoben werden mussten; teilt mit, dass er aufgrund dieser Verzögerung auf seiner Rückreise nicht, wie geplant, Gotha, Weimar u. Jena besuchen, sondern auf direktem Wege von Alexisbad nach Dresden zurückkehren werde; berichtet ausführlich über die aufwändige Inszenierung der Olympia u. über die Aufführung der Preziosa in Berlin

Incipit

...Ew. Hochwohlgeboren Erlaubniß gemäß, gebe ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 2, Leipzig 1866, S. 305f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „Auftrag Mdmll. Franz betreffend“Weber sollte offenbar ein Engagement von Wilhelmine Unzelmann geb. Franz vorbereiten.
    • „in Mdm. Unzelmann verwandelt“Wilhelmine Franz hatte um den 5. März 1821 den Schauspieler August Unzelmann geheiratet.
    • „… daher jetzt die Bühne nicht“Laut Theaterzetteln (D-B, Yp 4824/210-1821 R) stand Wilhelmine Unzelmann letztmalig am 3. Mai 1821 als Amalie im Taschenbuch auf der Bühne, danach pausierte sie mehrere Wochen und war erst wieder an den Vorstellungen am 20. Juni (dort versehentlich nochmals als Wilh. Franz angekündigt) und 5. August beteiligt (danach wieder regelmäßig).
    • „colossale Vorstellung“Zur Premiere der Olympia am 14. Mai 1821 vgl. Briefe von Weber an Kind vom 27. Mai 1821 und vom 31. Mai 1821.
    • „… Offizier-Corps durch die Revue veranlaßt“Laut Tagebuch der deutschen Bühnen 1821 (S. 218f.) wurde im Schlosstheater des neuen Palais am 18. Mai Die Hochzeit des Figaro und am 19. Mai Paisiellos Barbier von Sevilla gegeben.
    • „anfangen thätig zu sein“Entgegen dieser Angabe verzeichnet Weber bereits Proben des Freischütz am 9. und 14. Mai 1821 im Tagebuch. Weitere Proben sind dann am 21., 23.- 26. und 29.-30. Mai, sowie am 2., 8.-9., 12. 14. und 16.-17. Juni 1821 erwähnt.
    • „Prolog von Göthe“Johann Wolfgang von Goethe, Prolog zur Eröffnung des Berliner Theaters, in: Sämtliche Werke, Bd. 13.1, hg. von Gisela Henckmann und Irmela Schneider, München 1992, S. 241–250.
    • „den 26. huj … Rosenfee , eröffnet“Zur Eröffnung des Berliner Schauspielhauses vgl. den Brief von Weber an Kind vom 27. Mai 1821.
    • „bis meine Oper … Scene gehen kann“Zu den Aufführungen im neuen Schauspielhaus bis zur Freischütz-Premiere vgl. den Kommentar zu Webers Brief vom 27. Mai an Kind.
    • „Badekur meiner armen Frau“Vgl. Brief von Weber an Naue vom 16. Februar 1821.
    • „… beinahe 2000 Thlr. verworfen haben“Zu den Bühnenbildern vgl. Ulrike Harten, Die Bühnenentwürfe (Karl Friedrich Schinkel. Lebenswerk, Bd. 17), München, Berlin 2000, S. 368–387. Bei den verworfenen Dekorationen dürfte es sich nicht um Schinkels Entwürfe, sondern deren Umsetzung durch die Theatermaler Gerst, Köhler und Gropius handeln.
    • „Preciosa“Weber hatte am 6. Mai eine Vorstellung der Preciosa besucht, vgl. Tagebuch.
    • „… Preciosa und Cosi fan tutte“Mozarts Oper wurde in der Bearbeitung von Herklots als Die verfängliche Wette am 10. Mai 1821 gegeben; zu Webers Besuch vgl. das Tagebuch.
    • „… Preciosa war zum 9. Mal“Es handelte sich um die sechste (nicht neunte) Aufführung in Berlin (nach der Uraufführung am 14. März und den Wiederholungen am 19., 26. und 30. März sowie 11. April); vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1821 (S. 142f., 171–175, 216f.) sowie die Theaterzettel (D-B, Yp 4824/210-1821 R).

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