Aufführungsbesprechung Wien, Hofoperntheater Kärnthnerthore: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 4. Februar 1829

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K. K. Hoftheater nächst dem Kärthnerthore.

Am 15. Februar zum ersten Male*: "Oberon, König der Elfen." Romantische Feen-Oper in drey Aufzügen. Nach dem englischen, der Tondichtung des Hrn. Capellmeisters Carl Maria von Weber untergelegten Originale von J. R. Planché, für die deutsche Bühne übersetzt von Theodor Hell.

Wir wollen unsere Bemerkungen über diese Oper mit dem Texte beginnen, weil wir uns damit so ziemlich kurz fassen können, und dann zur Musik übergehen, welche einer ausführlicheren Darstellung Anlaß gibt. Wir dürfen unbedenklich voraussetzen, Wieland’s Meistergedicht „Oberon“ sey allen Lesern unserer Zeitschrift bekannt. Das Buch der gegenwärtigen Oper liegt ebenfalls im Drucke vor den Augen der Lesewelt, | es bedarf also keiner genauen Zergliederung des Textes in diesem Bericht, sondern nur die Ansicht des Ref., wie Hr. Planché seine Aufgabe lösete, soll hier zur Sprache gebracht werden. In dieser Beziehung kann. Ref. denn nicht verhehlen, daß ihm diese Lösung nicht gelungen erscheint. Auch Weber selbst theilte diese Ansicht, und sprach sich unverholen gegen mehrere Freunde darüber aus. Er mußte sich indessen der Nothwendigkeit fügen, denn manche der von ihm gerügten Inconvenienzen war nach den einmal durchgeführten Forderungen der englischen Bühne ein unvermeidliches Übel. Abgerechnet von diesen Inconvenienzen, scheint Ref. die Anlage der ganzen Oper fehlerhaft, nur auf Theaterwirkungen durch Scenerie (die verwerflichsten von allen) hinstrebend, wodurch die schöne künstlerische Folge des Gedichtes zerrissen und gestört, sie der poetischen Idee und geistigen Bedeutung fast gänzlich entkleidet, und zu einem Guckkastenbilde gestaltet wird. Überdieß erscheinen auch eine Menge müßgier Redenarten, wodurch das Ganze nur verlängert, das Fortschreiten der Handlung abermals aufgehalten, und bey der gänzlichen Seichte des Dialogs, welcher in seinen ernsten Beziehungen ganz kalt läßt, in den komischen Parthien oft gemein wird (wie dieß z. B. fast in der ganzen Rolle des Scherasmin der Fall ist), die Gehaltlosigkeit der dramatischen Bearbeitung nur allzu sichtbar wird. In der Übersetzung hat Hell das möglichste geleistet. Man muß mit den Schwierigkeiten solcher Übertragungen in Beziehung auf die Musik bekannt seyn, um dieß gerne anzuerkennen.

Wir kommen nun auf die Musik zu sprechen, welche als der Schwanengesang eines großen deutschen Meisters, als die letzte theure Gabe eines vaterländischen Talentes (unsere nordischen Nachbarn werden uns Ostländern doch wohl noch verstatten hier das gemeinsame deutsche Vaterland in Anspruch zu nehmen) besondere Aufmerksamkeit und Theilnahme erregt. Der Bühnenerfolg, den diese Tondichtung hatte, war ungleich. In London und Berlin, woselbst die Oper mit der größten Pracht der Scenerie gegeben ward, war der Beyfall entschieden, eben so in LeipzigT. In Dresden war der Beyfall groß, doch hatten sich bereits auch tadelnde Stimmen erhoben, wie aus der kritischen Anzeige des Hrn. von Miltiz (Einheimisches, Beylage zur Abendzeitung, Nro. 3, 1828) hervorgeht. In Frankfurt a. M. war die Aufnahme gering, und man gab dort unverholen der Wranitzy’schen Oper gleiches Namens den Vorzug (Morgenblatt, Nro. 296 von 1827). Im österreichischen Staate ward „Oberon“ bisher in Prag mit Beyfall, und nun hier in Wien, zwar mit Anerkennung des Verdienstes des Tonsetzers, aber mit geringer Wirksamkeit gegeben. Ref. will streben, diese Erscheinung zu zergliedern, in so ferne ihm selbst die bewegenden Ursachen klar geworden sind*.

Als erste derselben nennt Ref. die unverkennbar gesuchte Künstlichkeit dieser Oper in den musicalischen Formen. Man muß sich hierüber etwas weitläufiger aussprechen. Ref. verwahrt sich ausdrücklichst gegen den Verdacht, als sey er etwa ein Anhänger der sogenannten modernen Opernmusik, jenes Styles, in welchem eine und dieselbe Musik etwa zu drey oder vier Opern beliebigen Inhalts gebraucht werden kann, auf jeden andern Preis verzichtend, als auf jenen dem Ohre schmeichelnde Formen zu bieten. Er verlangt als unerläßliches Postulat, ausdrucksvolle, declamatorische Musik, welche die Empfindungen des Dichters in Tönen schildert. Überall aber muß eine Grenzlinie bestimmt seyn, und diese hat nach Meinung des Ref. Weber sowohl in der „Euryanthe,“ als im „Oberon“ in seinem Streben überschritten. So wie die dramatische Musik nicht zum leeren Gaukelspiel von Coloraturen und dergleichen herabsteigen darf, so wie der charakteristische Ausdruck das Höchste seyn und bleiben muß, wenn sie als Kunstwerk auftreten soll, so ist doch die Melodie ein so unerläßliches Erforderniß, daß sie nie und nirgend untergeordnet erscheinen darf, und eben diese Vereinigung der Melodie und des Ausdrucks in gleichen Theilen ist die Aufgabe des Opern-Compositeurs. Das Publicum, welches das Theater besucht, hat gleichen und vollen Anspruch auf Genuß des dargestellten Kunstwerkes. Nun ist aber der bey weitem größere Theil desselben Laye, nicht eingeweiht in die eigentlichen Mysterien der Kunst. Auch ihm muß bey einem dramatisch-musicalischen Kunstwerk (man wolle nicht vergessen, daß Alles, was hier gesagt wird, nur in dieser Beziehung gilt) sein Recht werden. Man wende nicht ein, daß, um populär zu werden, der Tonsetzer ja nicht auf die höhern Principien der Kunst | verzichten könne, daß z. B. auch die Poesie in ihrer höchsten Würde, in der Tragödie nicht darauf rücksichten könnte, so wie die Malereyy u. s. w. Dieser Einwurf ist nicht haltbar. Die dramatische Poesie, wie die Malerey, hat, wie hoch sie sich auch stellen mag, doch stets das Leben mit seinen Erscheinungen zum Vorwurfe. Je kunstreicher der Tragöde seine Verhältnisse gestaltet, je großartiger der Maler componirt, je näher tritt er eben dadurch dem Leben, und der Schauer des Bildes und der Tragödie wird desto mehr fortgerissen, da Alles, was er in diesen Kunstleistungen erblickt, dem eigenen Leben, dem eigenen Handeln, mit einem Worte, der That entlehnt ist. Nicht so die Musik. Sie ist rein geistiger Natur, und ihr Reich ist das Gefühl. Sie wirkt auf das Unbewußte, auf die Ahnung in uns, und übt dort ihre wunderbare Herrschaft aus. Dieses Gefühl bringt jeder gut organisirte Mensch in das Schauspielhaus mit, und folglich auch seine Empfänglichkeit für Musik. Je einfacher nun diese erscheint, je wirksamer wird sie auf ihn werden. Je künstlicher und studierter in verschlungenen Formen und Gängen die Melodie verkürzt wird, nach rein mathematischen Principien abgeschlossenes Ganzes; je bezaubernder dem Geweihten, je unverständlicher dem Layen. Daß übrigens die grandioseste Tiefe der Composition mit allgemeiner Verständlichkeit gepaart werden kann, daß dieses Ziel zu erreichen möglich ist für begabte Geister, davon liegen die glänzendsten Beweise in dem Reiche der Tonkunst vor uns. Wir dürfen mit Stolz anführen, daß ein vaterländisches Talent sich in dieser Hinsicht auf den höchsten Gipfel des Erreichbaren schwang; wer erräth hier nicht, daß wir von unserm unsterblichen Mozart reden! Alle seine dramatisch-musicalischen Werke, besonders aber sein "Don Juan," welcher alle Geheimnisse und Schauder der Geisterwelt erschließt, welcher in seiner Tiefe und Gediegenheit die Bewunderung aller Zeiten erregen wird, ist zugleich so allgemein verständlich, so klar, daß die Wirkung auf das gesammte Publicum dieselbe seyn muß. Wir können uns hier nicht enthalten, die Worte eines der kenntnißreichsten Musiker, des k. k. Hofrathes v. Mosel, zu wiederholen, welche derselbe in einer Anmerkung zu Jone’s "Geschichte der Tonkunst" (Wien, 1821, S. 221) über Mozart aussprach, und welche Alles, was wir als Bedürfniß eines dramatisch-musicalischen Werkes hier andeuten wollen, in wenig Zeilen zusammenfaßt. "Er (Mozart) besaß ein äußerst tiefes Gefühl, lebhafte, feurige, jedoch immer durch richtige Beurtheilung geregelte Phantasie, einen Reichthum an Melodie, die sich nicht nur in die Hauptstimmen, sondern selbst in die Begleitung ergoß; eine Fülle der Harmonie, die jene Melodien bald in zarter Anmuth, bald in siegender Kraft umgab, und oft die höchste Kunst des Contrapuncts unter anscheinender Leichtigkeit verbarg; Verstand und Plan in der Anlage, Geschmack und Ordnung in der Ausführung. Die Vereinigung dieser Eigenschaften ist es, welche seine unsterblichen, alle Fächer der Tonkunst mit gleicher Vortrefflichkeit durchkreisenden Werke charakterisiren und den Layen entzücken, während sie dem Kenner hundertfältigen Stoff zur Bewunderung bieten."

Dieß sind nun nach Ansicht des Ref. auch die Erfodernisse der Oper, besonders der deutschen Oper. Man kann uns vielleicht entgegnen, wir hätten hier das Höchste, Unerreichbare aufgestellt. Mit nichten. Mozart freylich, war eigentlich eine kosmische Erscheinung auf deutschem Boden; seine Tondichtungen haben keine Heimat, sie gehören der Welt an. Daß indessen diese Forderungen an ein musicalisch-dramatisches Werk auch von andern Meistern, selbst vom zweyten Range erfüllt worden, liegt in zahlreichen Mustern aus allen Ländern dar. Wir erwähnen hier z. B. vorzugsweise einer Feenoper, welche in dieser Beziehung, unsers Erachtens nach, als Musterbild gelten kann, nemlich Isouard’s treffliche „Cendrillon“ und im höhern Style (Gluck’s nicht zu gedenken), Mehul’s, Cherubini’s, Càtel’s und Beethoven’s großartige Compositionen. Die Vereinigung dieser Forderungen ist also möglich, und das größere Publicum darf sie ansprechen. Daß Weber der Mann war, diese Forderungen zu erfüllen, hat er in frühern Compositionen, z. B. in seinen trefflichen Tondichtungen zur Preciosa (nach unsrer Meinung sein bestes Werk) und im „Freyschützen“ bewiesen. Später aber, und vorzugsweise hier im „Oberon,“ wird das Streben nach Tiefe des Aus|drucks, nach Originalität sichtbar und fühlbar, und das muß es nie. "Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt," sagt Göthe irgendwo sehr treffend*.

In diesem Umstande also zuvörderst findet Ref. die erste Ursache der geringen Wirksamkeit, welche dieses Tonwerk auf das hiesige Publicum machte. Die zweyte scheint ihm in der mangelhaften Einrichtung des Textes zu liegen, über welche wir bereits in dem Eingange sprachen. In einer der letzten Nummern unsrer Zeitschrift (Nro. 18, S. 145) hat ein Correspondent aus London sehr gut angedeutet, wie gewisse Formen in der englischen Oper einmal hergebracht, nur sehr störend wirken können. Dieß war unstreitig der Fall auch hier. Daß z. B. sehr wichtige Personen, wie Almansor, Roschane u. s. w. nur sprechend eingeführt sind, wodurch in den bedeutendsten Situationen die Musik, untergeordnet der Rede, schweigen muß, und keine Gelegenheit zur vollen Entfaltung ihrer Seelensprache findet, hingegen wieder z. B. der Schluß des zweyten Acts ein förmliches Hors d’oeuvre ist, und nur da zu seyn scheint, um dem Decorateur und Balletmeister einen Anlaß zur Wirksamkeit zu geben, finden sich viele, und es ist daher wohl nicht die Schuld des Tonsetzers, wenn Vieles und Manches hier nicht so bedeutsam werden kann, als es unter andern Umständen geworden wäre.

Drittens endlich bedarf die Darstellung dieser Oper künstlerische Mittel, wie sie (für den gegenwärtigen Augenblick wenigstens) der Verwaltung dieses Theaters noch nicht zu Gebot stehen. Rezia muß durchaus nicht nur eine vollkommen ausgebildete Sopransängerinn, sondern auch eine gewandte und künstlerisch sich bewußte Schauspielerinn seyn, welcher der Cothurn nicht fremd ist. Eben so bedarf Hüon zur genügenden Darstellung eines ausgebildeten Schauspielers. Der Schmuck der Scenerie ist ferner bey dieser Oper ein so wichtiger Bestandteil, daß er hier unentbehrlich genannt werden mag. Nun war Oberon zwar würdig und anständig, aber nicht glänzend ausgestattet, besonders was die Maschinerie und das Costume betrifft.

Wir wollen nach diesen Betrachtungen nun zur Ansicht der einzelnen Musikstücke, und der Aufnahme, welche sie fanden, zurückkehren, mit welchem Bericht auch zugleich der Eindruck, den die Darstellung im Allgemeinen erregte, ausgesprochen seyn wird, so daß uns am Schlusse dann nur wenige kurze Bemerkungen über die Persönlichkeit der Mitwirkenden einzufügen erübrigen wird.

Die Ouverture des Oberon ist ohne Widerrede ein ausgezeichnetes Werk, ganz den Zweck erfüllend, dem diese Vorreden der Oper bestimmt sind, vorzubereiten auf den Geist des Ton- und Dichterwerks, auf die Charakteristik u. s. w. mit wahrhaft deutschem Fleiße und deutscher Sinnigkeit gearbeitet, mit überraschenden, doch ganz zweckmäßigen, originellen Rhythmen und Gängen. Die Ausführung durch das ausgezeichnete Orchester war meisterhaft, voll Feuer und Kraft; der Beyfall äußerte sich so enthusiastisch, daß es fast schien, man verlange die Wiederholung dieses trefflichen Tonstückes. So eröffnete sich die Darstellung mit der günstigsten Stimmung des Publicums.

Die Introduction, der Elfen-Chor, Oberon’s Schlummer bewachend, sprach wenig an. Zwar ist auch hier die durchdachte Composition Weber’s zu ehren; der Kenner wird Befriedigung des künstlerischen Verstandes finden, aber nicht im Gefühle erwärmt werden, um so minder das größere Publicum. Überdieß war der hier angebrachte Tanz der Elfen, welcher den Chor begleitete, geschmacklos in Form und Erfindung. Auch waren die Soprani nicht ganz rein. Oberons Arie (durch Dlle. Achten vorgetragen) äußerte ebenfalls keine große Wirksamkeit. Eben so die Vision des Traumes, in welchem Hüon und Rezia einander erblicken. Zu größerer Theilnahme stimmte die fünfte Nummer (wo Hüon erwacht und durch Oberon’s Macht nach Bagdad geführt wird[)]. Die folgende Nummer erregte desto mehr Aufmerksamkeit, weil in derselben der neue Tenorist, Hr. Holzmüller, zum ersten Male seine Stimme entfaltete (zwar hat er bereits in der vorigen Nummer zu singen, doch in dieser Arie kann er eigentlich seinen Umfang und seine Ausbildung erst ganz zeigen). Hr. Holzmüller entwickelte eine artige, aber natürlich durch die Befangenheit des ersten Erscheinens auf der Bühne etwas verschleyerte Stimme. Im Allegro energico der Arie konnte er nicht genügen; besser gelang ihm das Andante con moto. Hier erklangen manchmal ansprechende Cor|den. Gegen den Schluß der Arie, wo bey den Worten: "Seyn ohne Ehre, den Tod zög’ ich vor!" wieder das feurige più Allegro eintritt, übernahm er seine Kraft, und mußte daher scheitern. Man ermunterte jedoch das Streben des angehenden Künstlers mit jenem nachsichtigen Beyfall, welchen das hiesige Publicum so gerne und bereitwillig aufkeimenden Talenten spendet. Was die Arie als Tonwerk betrifft, so ist sie ausgezeichnet schön. Wir mußten bedauern, sie nicht in ihrer vollen Bedeutsamkeit vernehmen zu können. Besonders im Andante con moto hat sie äußerst reizende Instrumentaleffecte. Das Ganze athmet Leben, und die feurigen Gänge des Schlusses sind glänzend und wirkungsreich. Im nun folgenden Finale des ersten Acts errang Dlle. Hardtmeyer als Rezia lauten Beyfall. Dem einleitenden Recitativ ist ihre Kraft zwar nicht gewachsen, aber das darauf folgende Allegro con moto trug sie mit Energie und bedeutender Wirksamkeit vor. Auch wußte sie sich auf dieser Höhe zu erhalten bis zum Schlusse, wo sie den höchst charakteristischen Chor der Haremswächter mit der Glut des Ausdruckes ihrer Sehnsucht nach Befreyung durch den geliebten Ritter begleitet. Dieses Finale zählen wir überhaupt zu den trefflichsten Nummern der Oper. Der Schluß des ersten Aufzuges wurde mit mäßigem Beyfall begleitet.

Der zweyte Act eröffnet sich mit einem Chore (Allegro feroce ma pesante) und wurde gut ausgeführt, aber nur wenig beachtet. Auch Ref. gesteht, daß er ihm wohl originell, aber nicht ansprechend erschienen sey. Das darauffolgende Ballabile (Allegretto grazioso), von durchaus unbedeutenden Tanzgruppen begleitet, ging völlig spurlos vorüber. Das Quartett: Hüon, Scherasmin, Rezia, Fatime) "Über die blauen Wogen &c. (Allegro con grazia) hält Ref. für eines der ausgezeichnetsten Musikstücke dieser Oper. Es ist dieß eine jener Nummern, welche mit dem tiefsten Studium auch herrliche, das Gefühl sogleich anregende Melodie verbindet, besonders gegen den Schluß. Die Aufnahme dieses Tonstückes war weit lauter, als man nach dem Werthe desselben hätte vermuthen sollen. Die mittelmäßige Ausführung mochte wohl auch Theil daran haben. Äußerst werthvoll an Großartigkeit und Tiefe der Composition, wie an Kraft des Audruckes ist die folgende Nummer, der Aufruf Pucks (Mad. Waldmüller) an die Elementargeister und deren Erscheinen, die Befehle des Meisters zu vernehmen. Auch schließt sich zugleich der trefflich comonirte Sturm an. Die Aufnahme dieses Musiktückes war ebenfalls im ersten Theile lau, und das Ende verklang ohne irgend ein Zeichen der Würdigung. Dieß war ebenfalls der Fall mit der Preghiera Hüons. Die hierauf folgende große Arie der Rezia (Ocean, du Ungeheuer) erregte endlich wieder den so lange verstummten Klang des Applauses. Mlle. Hardtmeyer leistete im Gesange auch wirklich Verdienstliches. Diese Scene hat als Musikstück ausgezeichnete Schönheiten. Das Finale des zweyten Acts ist an und für sich zwar poetisch gedacht, aber ganz außer der Handlung befindlich. Als Tonstück hat Weber hier Vorzügliches geleistet, das Schweben und Säuseln der Elfen und Nixen wird hier mit einer Sinnigkeit musicalisch dargestellt, welche Bewunderung verdient. Sowohl die Instrumentalbegleitung als die Singstimmen zeigen überraschende Effecte, erstere z. B. die schöne Figur des Hornes, anderer nicht zu gedenken, und letztere das geniale, hier so ganz dem Stoff analog gehaltene "Wohlgemuth, Wohlgemuth." – Dennoch erregte auch dieses Musikstück nicht die geringste Theilnahme. Wir schreiben dieß jedoch auf einen andern Grund. Dieses Finale ist ein völliges Hors d’oeuvre, wie wir bereits erwähnten. Mit dem Moment, wo der gerettete Hüon von den schirmenden Zweigen bedeckt wird, ist die Handlung geendet, und Alles, was noch nachfolgt, ist nichts als leeres Spectakel, aus keinem andern Grunde erdacht, als eben nur um Spectakel anzubringen. Ist solcher Übelstand nun einmal in einem Werke vorhanden, und soll geduldet werden, so muß Alles aufgeboten seyn, die zweckmäßige Wirkung zu erzielen. Nur dadurch kann dergleichen müßige Erscheinung erträglich werden. Hier also wäre der Platz gewesen, die reichste Scenerie, allen Zauber der Theatermaschinerie, allen Reiz des Costumes, des Tanzes, und der Decorationen zu entfalten. Von alle dem war nicht bemerkbar. Der Tanz war verunglückt in der Composition, die Decorationen zwar anständig, aber nicht phantastisch genug, das Auftauchen der Meergötter nicht zweckmäßig versinnlicht, das Arrangement im Ganzen in dieser Scene fremd dem Geiste des Darzustellenden. So konnte durch Weber’s geniale Musikbegleitung allein die Scene nicht gehal|ten oder erwärmt werden, da das eigentlich belebene Princip derselben unbeachtet blieb.

Die Nummern des dritten Actes brachten sämmtlich nur geringe Wirkung hervor. Hier aber scheint uns die Schuld lediglich an der Natur der Weber’schen Musik, und der in fortschreitendem Maße sich entwickelnden Langweiligkeit des Textes beyzumessen zu seyn. Ref. hat zwar des Lobes sehr viel, und in vielen Blättern über das Duett: "An dem Strome der Garonne" u. s. w., und besonders über die Ariette: "Arabien, mein Heimatland," gelesen, er ist aber nicht gesonnen, diesem Lobe beyzustimmen. Originell sind wohl diese beyden Nummern, aber bizarr in der Ausführung. Man wende nicht ein, daß beym Durchblick der Partitur diese Nummern im Stimmenfuß, Wahl der Tonarten, Vorzeichnungen &c. &c. gar keine Schwierigkeiten böten, ja daß sie zu den wenigst schweren Compositionen Weber’s gehörten, und daher nicht unnatürlich, gesucht oder gekünstelt seyn könnten, – dieser Einwurf ist nicht haltbar. Es bedarf keiner besondern Erfindung von Schwierigkeiten, um originelle Bizarrerien zu gestalten; der Beweis für diesen Satz ist so klar, daß es uns überflüssig scheint, ihn hier zu führen. Die mehrste Theilnahme im dritten Aufzuge erregte noch das Terzettino: "So muß ich mich verstellen!" &c. Der Schluß der Oper erfuhr hier wie bereits an andern Orten die Abänderung, daß derselbe im Feenpalast Oberon’s, und nicht am Hoflager Carls des Großen vor sich geht. Man hätte indessen unter solchen Umständen auch für eine zweckmäßige Abänderung der Musik sorgen sollen, denn die Trommeln, welche in den ritterlichen Sälen Carls des Großen von Weber sehr zweckmäßig angebracht erscheinen, machen im Palaste des Elfenkönigs eine fast lächerliche Wirkung. Am Schlusse der Oper ertönte mäßiger Beyfall.

Mittelst dieses Berichtes glaubt Ref. auch bereits die Aufnahme des ganzen Werkes von Seite unsers Publicums dargestellt zu haben. Man würdigte die Vorzüge dieser Composition, die Kunstkenner waren einig im Lobe der ausgezeichneten Eigenschaften derselben, aber das Publicum fühlte sich weder aufgeregt noch erwärmt durch dieses Tonwerk. In Beziehung auf die rednerische Darstellung blieb größten Theils Alles zu wünschen übrig. Weder Dlle. Hardtmeyer, noch Hr. Holzmüller konnten hier genügen. Es war daher natürlich, daß eben die beyden Hauptpersonen kein Interesse an der Handlung erregten. Dlle. Lindenheim als Fatime erschien von Unpäßlichkeit befangen, und hatte also ein Recht mehr auf Nachsicht. Hr. Hölzel als Scherasmin verdient Lob, daß er nicht durch Auftragen wirksamer zu werden strebte. Wäre Dlle. Felder als Roschane von gleichen Principien geleitet worden, es wäre besser gewesen. Durch das Streben, das Beste zu leisten, ward diese Darstellerinn zu einem Grade von Outrance gesteigert, welcher oft störend wirkte. Mad. Waldmüller als Puck verdient Lob. Die talentvolle Dlle. Achten wußte auch in der Rolle des Oberon (eigentlich Tenorparthie) durch regen Fleiß und geglückte Momente den Beyfall des Publicums zu erringen. Hr. Hillebrand gab die Rolle des Almansor mit Gewandtheit und Besonnenheit. Unter den übrigen nennen wir nur Dlle. Bondra als Namuna. Bey einer der folgenden Darstellungen war die Besetzung geändert. Dlle. Achten gab statt der erkrankten Dlle. Lindenheim die Fatime, Hr. Holzmüller den Oberon, und Hr. Schuster den Huon. Sämmtliche Rollen hatten dadurch gewonnen. Was die scenische Ausstattung betrifft, so war sie, bis auf die obenerwähnte Schlußscene des zweyten Actes, würdig, ohne glänzend zu seyn. Die neuen Decorationen nach der Angabe des Hrn. Hoftheater-Decorations-Directors Hrn. von Stubenrauch, von den k. k. Hoftheatermalern Hrn. de Pian, Institoris und Scharhan gemalt, zeigten Geschmack und Kenntniß in der Ausführung. Das Costume schien nicht phantastisch genug, besonders für die geistigen Personen. Über die eingeflochtenen Tänze haben wir uns bereits ausgesprochen.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 14, Nr. 26 (28. Februar 1829), S. 215–220

    Einzelstellenerläuterung

    • 15.recte „4.
    • „… 15. Februar zum ersten Male“Am 15. Februar fand die 3. Vorstellung statt, vgl. Aufführungsbesprechung.
    • „… bewegenden Ursachen klar geworden sind“UA des Oberon in London am 12. April 1826, die erste Aufführung des Werkes in Deutschland fand in Leipzig am 24. Dezember 1826 statt; Erstaufführungen am Stadttheater in Frankfurt/Main am 16. September 1827, am Hoftheater in Dresden am 24. Februar 1828, an den Kgl. Schauspielen in Berlin am 2. Juli 1828 und am Ständetheater in Prag am 4. Oktober 1828.
    • „… sagt Göthe irgendwo sehr treffend“Leicht abgewandelt von Torquato Tasso, II. Akt, 1. Auftritt: „So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt“.

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