Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
Wolfsberg, Freitag, 16. August 1811
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Liebster Bruder!
Hier sizze ich auf dem Gute des Herrn Baron Hogguer in Wolfsberg 2 Stunden von Constanz, und nachdem ich mich an der göttlichen Aussicht von meinem Schreibtische aus über den Bodensee und seine Inseln* pp gelabt habe, kann ich nichts erfreulicheres thun als mit dir Lieber zu schwazzen. Meinen Brief vom 2t huj. wirst du erhalten haben. d: 3t erhielt ich einen Brief von Sternberg aus Wisbaden worinn er mir schreibt, daß es ein schöner Wunsch sey mich an der Spizze des Orchesters zu wißen, daß aber noch alles im Keime liege pp wollte ich alles dieses nicht scheuen, und der Schöpfer eines Theaters werden und mich mit 1000 ƒ begnügen so würde er alles thun mir mein Leben angenehm zu machen. – daß ich es um diesen Preiß nicht annehme wirst du einsehen, denn wären es 1600 ƒ gewesen, so [hätte] ich es aus Pflicht gegen meinen Vater pp thun müßen, so aber können mir 1000 ƒ nichts helfen, ich werde ihm das schreibenT. bis jezt hatte ich noch keine Zeit dazu. d: 6t machte ich dem König und der Königinn noch meine Aufwartung*, und wurde besonders von lezterer mit ungemein viel Gnade aufgenommen, Sie erlaubte mir Ihr meine Oper zu dediciren*, und machte mir auch Hoffnung in Ihre Dienste vielleicht treten* zu können. ist es – nun gut, aber ich suche nichtsT. d: 7t war noch HofConcert* in Nymphenburg wo die Milder aus Wien sang, und Bärmann mein F moll Concert* herrlich bließ, welches auch dem König pp sehr gefiel. d: 9t krazte ich dann endlich von München ab, und gieng nach Augsburg, von wo ich d: 10t wieder abgieng und bis Ravensburg glüklich d: 11t kam, hier plagte den Oberamtmann der Teufel mich wegen meinem Paß nicht weiter zu laßen, weil er nicht vom Gesandten unterschrieben sey pp auch kannte er mich noch von Stuttgart aus, und glaubte sich beym Könige schön zu machen wenn er mich chicanirte[.] ich muste also hol mich der Teufel 3 Tage in dem Neste sizzen, bis denn d: 15t mein Paß ungetadelt zurükkam mit der Weisung mich nur in Gottes Nahmen reisen zu laßenT. Zum Glük fand ich in Ravensburg viele Bekannte Offiziere*, den Landvogt* pp und zugleich zeigte mir unser Herr Gott dadurch an, daß ich nicht übermüthig werden möge, indem es mir eine lange Zeit so gut gegangen seye. ich fuhr also nun Extra Post bis Mörsburg[,] fuhr da einen himmlischen Abend über den Constanzer See, und von da hieher zu meinem Freund Hogguer der das schönste Gut besizzt und mir alle Gelegenheit in der Schweiz zu Concerten verschaffen kann. bis den 20t werde ich in Schaffhausen zu dem großen Musikfeste* seyn, wo ich Gelegenheit habe alle Schweizer Liebhaber kennen zu lernen. dahin bitte ich dich mir zu schreiben Post restant. und von da werde ich dir auch meine weitere Reiseroute berichten. Neues den V: betreffend weis ich nichts, von Schaffh: aus werde ich mehrere Gesellschafts Blätter mit Aufsäzzen von mir* ins Archiv schikken. von Beer höre ich gar nichts und auch Papa Vogler antwortet mir nicht. ich hoffe einen recht ausführlichen Brief von dir zu erhalten, es ist schon so lange daß ich keine Zeilen von dir gesehen habe daß ich mich sehr darnach sehne. die Notizzen über das Lexic: habe ich dir noch nicht schikken können, weil der, der mir sie versprach mir auch noch nichts gab, ich erwarte sie aber jeden Tag*. eben so wenig war ich bey Abreise von München bis jezt im Stande den H: Böklin zu expediren*. ich hoffe es aber von hier aus zu thun. ich habe München ungern verlaßen indem ich manches brave Haus und guten Menschen da gefunden habe. ich bin curios was ich für Geschäfte in der Schweiz mache. Wie stehst du denn mit der M: Z: noch nicht ausgesöhnt?* und was ist seit der Zeit im V:[erein] geschehen. und‡ nun habe ich genug geschmiert und habe noch viele andere Brief zu exped:.
lebe wohl lieber Bruder. grüße Alles, besonders die Frau Baas, und das oder die Büwele*,
und schreibe
bald deinem ewig treuen W.
Wolfsberg bey Constanz d: 16t August 1811.
Apparat
Zusammenfassung
über die Ablehnung des Wiesbadener Angebots und Hoffnung auf München; Ravensburger Erlebnisse; Schweiz-Pläne; kündigt Berichte für den Verein an
Incipit
„Hier sizze ich auf dem Gute des Baron Hogguer in Wolfsberg“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„und“überschrieben
Einzelstellenerläuterung
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„… den Bodensee und seine Inseln“Vom Schloss Wolfsberg aus blickt man auf die Insel Reichenau.
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„König und der … noch meine Aufwartung“Zu Webers Audienz bei König Maximilian I. und Königin Karoline Friederike Wilhelmine von Bayern vgl. TB 6. August 1811.
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„meine Oper zu dediciren“Außer den am 26. November überreichten Canzonetten op. 29 und Duetten op. 31 ist im TB nichts zu einer Dedikation von Werken Webers verzeichnet. Geplant war vermutlich die Überreichung des in München bereits aufgeführten Abu Hassan.
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„in Ihre Dienste vielleicht treten“In den erhaltenen Akten sind keinerlei Hinweise auf entsprechende Verhandlungen zu finden.
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„d: 7 t … noch Hof Concert“Vgl. TB 7. August 1811.
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„Bärmann mein F moll Concert“Heinrich Baermann spielte Webers Konzert Nr. 1 f-Moll für Klarinette und Orchester (JV 114), vgl. TB 7. August 1811.
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„Bekannte Offiziere“Im Tagebuch erwähnt Weber am 11. August 1811, er habe Ho[hen]horst und Flemming gefunden.
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„… Bekannte Offiziere , den Landvogt“Vgl. den Tagebucheintrag vom 14. August 1811.
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„Schaffhausen zu dem großen Musikfeste“Vom 21. bis 23. August 1811, vgl. Briefe an Gottfried Weber.
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„mehrere Gesellschafts Blätter … Aufsäzzen von mir“Im Gesellschaftsblatt für gebildete Stände erschienen im Sommer 1811 in den Ausgaben Nr. 51 (29. Juni 1811), Nr. 52 (3. Juli 1811), Nr. 54 (10. Juli 1811), Nr. 56 (17. Juli 1811), Nr. 58 (24. Juli 1811), Nr. 59 (27. Juli 1811) und Nr. 62 (7. August 1811) Aufsätze Webers, vgl. Brief an Gottfried Weber bzw. Weber-Schriften. Weber schickte diese Zeitungen durch Meyerbeer nach Mannheim, vgl. Brief an Gottfried Weber.
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„erwarte sie aber jeden Tag“Im TB ist nichts davon erwähnt; vgl. auch Brief an Gottfried Weber.
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„H: Böklin zu expediren“Franz Friedrich Siegmund Böcklin von Böcklinsau, Fragmente zur höhern Musik, und für aesthetische Tonliebhaber, Freiburg und Konstanz 1811, vgl. Briefe an Gottfried Weber sowie den Tagebucheintrag vom 22. Juli 1811 (Kauf und Wertung).
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„mit der M: … noch nicht ausgesöhnt?“Vgl. Briefe an Gottfried Weber.
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„das oder die Büwele“Gottfried Webers Sohn Friedrich, der zweite Sohn Alexander wurde erst am 17. Februar 1812 geboren, vgl. Arno Lemke, Jacob Gottfried Weber, S. 37.